Donnerstag, 18. April 2024

Heinrich Böll zum 100. Geburtstag
"Es gibt diese fürchterliche Gefahr, dass man ikonisiert wird"

Heinrich Böll wäre heute 100 Jahre alt geworden. Kurz vor der Verleihung des Literaturnobelpreises 1972 sprach der Kölner Schriftsteller im Deutschlandfunk über die Gefahr seiner wachsenden Popularität - und die Notwendigkeit, politisch zu sein.

Heinrich Böll im Gespräch mit Peter Kliemann | 21.12.2017
    Schriftsteller Heinrich Böll (1982)
    Schriftsteller Heinrich Böll 1982 (imago/Sven Simon)
    Vor der Verleihung des Literaturnobelpreises sah Heinrich Böll seine wachsende Bekanntheit als "fürchterliche Gefahr", die ihm immer bewusster wurde. Die Gefahr bestehe darin, zu einem Heiligenbild ikonisiert zu werden. "Mit Heiligenbildern kann man viel machen. Man kann sie verehren, man kann Kerzen darauf stellen und man kann darauf spucken, man kann sie durchstechen", sagte der Schriftsteller. Jedem Menschen müsse man die Chance lassen, sich zu bewegen. "Sobald das Bild fixiert ist, besteht eine große Gefahr des gegenseitigen Missverständnisses - so wie ein Schmetterling, den man an die Wand genagelt hat - das möchte ich nicht werden." Er wolle auf keine Weise auch nur andeutungsweise unfehlbar erscheinen, sondern ein gutes Maß an Fehlbarkeit "in Reserve haben."
    "Ein bisschen Ruhe haben"
    Böll nahm als Literat meist eine kritische Haltung zum Zeitgeist ein und galt als Protagonist der deutschen Linksintellektuellen. "Ich bin gar nicht scharf auf diese Aktivität", erzählte Böll damals - aber er fühle sich eben von den politischen Umständen eben dazu gezwungen.
    Heinrich Böll im Studio des Dlf 1972. In der Hand eine Zigarette, vor ihm eine Tasse schwarzer Kaffee. 
    Heinrich Böll beim Interview im Studio des Dlf 1972 (Deutschlandradio / Klaus Barisch)
    1972 hatte Böll innenpolitisch einen Skandal losgetreten, indem er sich in einem Aufsatz mit der Geschichte der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof beschäftigte und den Axel-Springer-Verlag scharf angriff. "Vielleicht entwickelt sich die innenpolitische Lage jetzt in eine Richtung, in der man nicht mehr so oft aktiv werden muss".