Filmmusik zu "Queen & Slim"

Die Kunst des Soundtracks

08:24 Minuten
Slim (Daniel Kaluuya) und Queen (Jodie Turner-Smith) in "Queen & Slim".
Aufregender Film, interessanter Soundtrack: "Queen & Slim". © Universal Pictures/ Andre D. Wagner
Von Fabian Wolff · 08.01.2020
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Früher verehrte man die Musik zu "Pulp Fiction" so sehr wie den Film selbst. Mittlerweile hat das Soundtrack-Album als solches an Bedeutung verloren. Das Roadmovie "Queen & Slim" versucht nun, es wieder als Kunstform zu etablieren.
Es gab eine Zeit, da gehörte ein Album zur Grundausstattung jeder sich irgendwie für cool haltenden Person zwischen 16 und 30: der Soundtrack zum Tarantino-Film "Pulp Fiction", mit einer rauchenden Uma Thurman auf dem Cover und ikonischen Dialogfetzen, die jeder mitsprechen konnte. 25 Jahre ist das jetzt her. Das Soundtrack-Album, das nicht die komponierte Filmmusik, sondern die gespielten Songs bündelt, spielt inzwischen keine so große Rolle mehr.
Anders aber im Film "Queen & Slim", der jetzt in die deutschen Kinos kommt. Der Film versteht sich als klassisches amerikanisches Roadmovie wie "Bonnie & Clyde" und "Thelma & Louise", aber mit afroamerikanischen Protagonisten. Queen und Slim werden zu ungewollten Outlaws, als sie von einem Polizisten nach einem Date angehalten werden. Die Situation eskaliert wegen der Schießwut des Polizisten, Slim erschießt ihn in Notwehr. Es folgt eine Flucht von Ohio über Kentucky und New Orleans bis nach Florida.

Songs stehen für emotionale Entwicklung

Regisseurin Melina Matsoukas möchte mit ihrem Roadmovie "den Soundtrack wiederbringen", sagt sie. Im Film wird Musik großzügig eingesetzt. Mal läuft sie in Raststätten und Bars, mal kommt sie aus Autoradios oder wird live gespielt. Musik verleiht der tragischen Geschichte Größe oder bildet Lokalkolorit ab.
Die Musiker stammen aus unterschiedlichen Generationen: Dev Hynes und Solange stehen für den Sound von heute, Lauryn Hill mit einer eigenen Single als Referenz an die 90er und mit Roy Ayers, Luther Vandross und John Coltrane laufen auch die besten Hits aller Zeiten.
Regisseurin Matsoukas hat die Soundtrack-Alben von Filmen wie "Love & Basketball" oder "Love Jones" als Vorbild genannt: Das sind Filme, die eine schwarze Bohème und Mittelschicht abbilden, und deswegen nach 20 Jahren Kult- und Seltenheitsstatus besitzen. Auf diesen Soundtracks sind einige der größten Namen der Zeit damals vertreten: Raphael Saadiq, Xscape, die Fugees und Maxwell, nicht unbedingt mit Hits, aber mit Songs, die einen Sound, auch ein Lebensgefühl einfangen.
Im Einzelnen akzentuiert die Songauswahl bestimmte emotionale Entwicklungspunkte der Erzählung, aber vor allem geht es darum, dass der Film und die Musik sich als Teil einer kreativen Bewegung präsentieren, der es immer auch um Geschichte geht, die immer auch eine Hommage und Erforschung von afroamerikanische Kultur- und Musikgeschichte ist. Ganz ähnlich der Musik von Solange oder dem Album "Lemonade" ihrer Schwester Beyoncé.
Da gibt es personelle Überschneidungen: Regisseurin Matsoukas hat den Clip zu "Formation" gedreht, Solange selbst hat einige der Songs ausgewählt. Das Stück "In A Sentimental Mood" von Duke Ellington, gespielt von John Coltrane, taucht sogar schon auf dem Soundtrack zu "Love Jones" auf.

Filme wie lange Musikvideos

Begonnen hat die Bedeutung von Soundtrack-Alben schon in den 80ern, als Filme wie "Top Gun" sich wie lange Musikvideos anfühlten. Damals begann auch der Trend, kurze Dialogschnipsel auf das Album zu packen. Bei "Good Morning Vietnam" waren das natürlich die Radioansagen von Robin Williams aus dem Film.
Diese Alben waren ein bisschen wie Time-Life-Compilations, die zur gleichen Zeit im Teleshopping angeboten wurden: der Sound einer nostalgisch verklärten Boomer-Jugend, wie bei "The Big Chill" mit viel Motown.
Durch den Erfolg von "Pulp Fiction" wurden Soundtracks Kultobjekte, die teilweise sogar die eigentlichen Filme überflügelten, wie beim Thriller "Judgment Night", bei dem Rapper wie Cypress Hill und Rocker wie Sonic Youth zusammen kamen - und der allein vier Singles hervorgebracht hat.
Das sind die Erfolgsmodelle, die imitiert wurden: Entweder möglichst exzentrische Soundschatzkisten wie bei Tarantino, oder der Versuch, möglichst gegenwärtig zu sein, wie die Alben zu den Batman-Filmen von Joel Schumacher, bei denen Method Man auf PJ Harvey folgt und dann Seal "Kiss From A Rose" singt.

Nostalgische Best-ofs

Es gibt immer wieder Versuche, das Format für große Statements zu benutzen: Niemand geringeres als Beyoncé, mit deren Musikvideo Matsoukas sich einen Namen gemacht hat, hat zum Remake des "Königs der Löwen" das Album "The Gift" aufgenommen, mit dem sie einen Einblick in neuen afrikanischen Pop geben wollte.
Wie viel kulturellen Credit sie hat, lässt sich vielleicht daran ablesen, dass sie für ihre Formulierung "ein Liebesbrief an Afrika" nicht ausgelacht oder gleich gecancelt wurde. Im Jahr vorher gab es das Album zum Film "Black Panther", das auch von vergleichbaren Soundtracks aus den 90ern inspiriert war und vom wichtigen Label TDE und Kendrick Lamar "kuratiert" wurde - und quasi Lamars sechstes Studioalbum war.
Und auch das Format des nostalgischen Best-ofs wird immer noch mit großem Erfolg gepflegt: Dass zum Beispiel der "Piña Colada Song" von Rupert Holmes auf YouTube viele Millionen von Klicks hat, ist dem Soundtrack zu "Guardians of the Galaxy" zu verdanken, der Radiohits der 70er vereint. Der Soundtrack taucht als "Awesome Mix" sogar im Film selbst auf.
So viel hat sich also nicht geändert: Soundtrack-Alben sind vor allem Marketinginstrumente, die manchmal künstlerisch wertvoll sind.
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