Donnerstag, 25. April 2024


Neue Materieformen am Fließband

Physik. - Albert Einstein ist vor allem bekannt für seine Relativitätstheorie, doch auch auf anderen Gebieten der Physik leistete das Genie viel. 1925 zum Beispiel, als Physiker noch mit der Formulierung der Quantentheorie rangen, prophezeite Einstein einen wichtigen Quanteneffekt vorhergesagt: das so genannte Bose-Einstein-Kondensat. Aber erst 70 Jahre später gelang es Physikern erstmals, ein solches Bose-Einstein-Kondensat wirklich herzustellen.

Von Jan Lublinski | 18.01.2005
    Unrasiert und mit einem T-Shirt bekleidet kommt Professor Eric Cornell von der US-Universität Boulder im Bundesstaat Colorado zur Arbeit. "Versteckt das Kokain, wir haben einen Journalisten zu Besuch", ruft er seinen Studenten lachend zu. Sein Labor besteht aus einem großen Tisch, der den Raum fast vollständig ausfüllt und über den ein undurchsichtiger Urwald aus Kabeln und Messgeräten wächst.

    Der wichtigste Trick ist: wenn man ein Kabel einmal richtig gesteckt hat, dann nimmt man es am besten nie wieder heraus.

    Eric Cornell hat vor vier Jahren den Physik-Nobelpreis gewonnen. Ihm war es gemeinsam mit Carl Wiemann gelungen, den kältesten Ort der Welt zu erzeugen: Ein so genanntes Bose-Einstein-Kondensat, bestehend aus einem Tröpfchen aus ultrakalten Rubidium-Atomen, die eine Art Kollektiv bilden. Die Atome verhalten sich, als wären sie alle ein und dasselbe Teilchen. Auch der Deutsche Wolfgang Ketterle erhielt den Nobelpreis für derartige Experimente, er hatte weiterführende Arbeiten geleistet. Alle drei Preisträger haben einen Effekt gefunden, den Albert Einstein einst vorhergesagt hat, auf der Grundlage von Vorarbeiten des Inders Satyendra Nath Bose. Daher der Name des Materiezustands: Bose-Einstein-Kondensat. Was vor Jahren noch als außergewöhnliche Leistung galt, ist heute zur Routine geworden: Cornell stellt den neuen Materie-Zustand im Minuten-Takt her.

    Wir schalten jetzt die Laser aus und diese beiden Spulen hier ein. Sie halten den Tropfen aus Atomen zusammen und lassen ihn schweben. Und wenn wir diese Spulen bewegen, kommt der Tropfen mit. Jetzt ist der Tropfen zwischen zwei noch stärkeren Spulen gefangen, die ein hohes Magnetfeld erzeugen. Einige Atome haben noch zu viel Energie und fliegen raus, und die anderen kühlen sich dabei noch weiter ab - bis sie ein Bose-Einstein-Kondensat bilden. Wir schauen uns das Ganze dann mit einer Art Fernsehkamera an und werten die Bilder aus.
    Im Nachbarlabor des Nobelpreisträgers arbeitet Debbie Jin. Die junge Wissenschaftlerin ist der neue Shooting-Star in Sachen ultrakalte Experimente. Ihr ist es gelungen, ein so genanntes "fermionisches Kondensat" herzustellen, das eine ganz neue Facette dieser Materieform darstellt. Es besteht aus einem Tröpfchen aus Kalium-Atomen, die eigentlich gar kein Bose-Einstein-Kondensat bilden können. Jin aber gelingt es mit speziellen Magnetfeldern, diese Atome zu Zweier-Paaren zusammen zu bringen, so dass sich dann viele dieser Doppel-Atome zu dem neuen Materiezustand zusammenfinden. Ein ähnliches Phänomen tritt auch bei Supraleitern auf, also bei Materialien, die Strom ohne Widerstand leiten. Hier finden sich Paare aus Elektronen zusammen, die dann für den ungewöhnlich effektiven Stromtransport sorgen.

    Das hier ist reine Grundlagenforschung, wir sind noch weit von Anwendungen entfernt. Aber wir haben die große Hoffnung, dass wir mit diesem System die Supraleiter bald besser verstehen können. Vielen Kollegen, die sich seit vielen Jahren theoretisch mit Supraleitern befasst haben, wird jetzt klar, dass sie ihre Theorien mit unserem System werden testen können.

    Der Traum der Physiker ist es, eines Tages Supraleiter zu bauen, die Strom bereits bei Raumtemperaturen ohne Widerstand leiten. Und vielleicht wird dieser Traum irgendwann Wirklichkeit, weil zuvor Experimente mit ultrakalten Tröpfchen gemacht wurden, die Albert Einstein einst vorhergesagt hatte.