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Neue Netze braucht das Land

Es ist der Systemwechsel, der Politiker und Ingenieure bei der Energiewende herausfordert. Denn mit der Umstellung auf Sonnen- oder Windstrom ist es noch lange nicht getan. Die neuen Energieformen benötigen eine andere und besser ausgebaute Infrastruktur.

Von Andreas Baum | 30.05.2012
    20 Milliarden Euro bis zum Jahr 2022: Auf diese Summe beziffern die Netzbetreiber den reinen Leitungsbau. Nicht mitgerechnet sind lokale Anschlusskosten und die Verbindung zu den Offshore-Windanlagen. Mit dem Netzentwicklungsplan soll eine Phase der Konsultation beginnen. Möglichst alle, die es betrifft, können jetzt mitreden. Zwar ist der Netzausbau unbestritten ein elementarer Bestandteil des Ausstiegs aus der Atomkraft. Aber Konflikte sind absehbar. Damit die möglichst wenig Geld im Vorfeld kosten – für Fehlplanungen, Prozesse, und anderes - soll Martin Fuchs zufolge, er vertritt den Netzbetreiber Tennet, es diesen Plan geben.

    "Es ist aus unserer Sicht damit eine solide Planungsbasis geworden, für den Konsultationsprozess. Und am Ende eine solide Planungsgrundlage, auch für die Bundesnetzagentur und für den Gesetzgeber, darauf aufzubauen einen Bundesbedarfsplan, der die Projekte festschreibt."

    3800 Kilometer an neuen Stromautobahnen werden gebraucht, um den Atomausstieg bis 2022 zu schaffen. Zudem sollen 4400 Kilometer im bestehenden Höchstspannungsnetz so optimiert werden, dass sie in der Lage sind, schwankende Ökostromeinspeisung zu verkraften. Und nötig sind stabile Verbindungen zwischen den Windkraftanlagen im Norden Deutschlands und den energieintensiven Industrien im Süden. Dabei sollen vorhandene Leitungen der Deutschen Bahn mit benutzt werden. Außerdem setzen die Betreiber auf Gleichstromleitungen, weil die effizienter sind. In jedem Fall soll ab heute ein Dialog geführt werden, der offen und transparent ist. Man will Bürgerbeteiligung von Anfang an.

    "Jeder kann sich auf der Webplattform einloggen und dort einen entsprechenden Beitrag platzieren. All dies wird aufgearbeitet und Einfluss nehmen auf die Entwicklung, wird von uns transparent gemacht, warum vielleicht der ein oder andere gut gemeinte Vorschlag einer technischen Überprüfung nicht standhalten konnte."

    Den Betreibern ist bewusst, dass der Netzausbau auf Widerstände bei Bürgern und Naturschützern stoßen wird. Denn wenn der Strommast in Sichtweite ist, ist es mit dem Hang zu erneuerbaren Energien bei betroffenen Bürgern oft vorbei. Der Plan zeigt die großen Richtungen, es sind aber keine Trassen eingezeichnet, denn die sind politisch. Rainer Joswig von Transnet BW, dem Netzbetreiber aus Baden-Württemberg, macht sich keine Illusionen. Proteste sind unvermeidlich:

    "Ich bin Realist. Auch, wenn wir uns sehr bemühen, wir werden nicht vermeiden können, dass sich Bürgerinitiativen gegen solche Projekte wenden. Was wir nur versuchen können, ist zu überzeugen, zu erklären, dass der Bürger auch eine transparente, gute Grundlage hat, um zu sehen, ob er das Projekt so akzeptiert."

    Äußerungen, die immer wieder aus Bayern zu hören sind, denen zufolge der Freistaat gar keine Netze in den Norden braucht, weil er bald schon autark Energie produziert, erteilten, die Netzbetreiber eine Absage. In den kommenden sechs Wochen haben die Bürger Gelegenheit, Stellungnahmen zum Netzentwicklungsplan abzugeben. Der Bundesbedarfsplan wird vom Bundestag bis Ende des Jahres als Gesetz verabschiedet.