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Neue psychoaktive Stoffe
Wie sich der Drogenmarkt an Gesetze anpasst

Seit einigen Monaten stellt ein Gesetz die Herstellung und den Handel mit neuen psychoaktiven Stoffen unter Strafe. Sie sind in sogenannten Legal Highs enthalten, die man einfach online bestellen kann. Doch der Markt zeigt sich relativ unbeeindruckt von dem Gesetz.

Von Michael Stang | 28.06.2017
    Päckchen mit Neuen Psychoaktiven Stoffen, sogenannte Legal-High-Produkte.
    Päckchen mit Neuen Psychoaktiven Stoffen, sogenannte Legal-High-Produkte. (picture alliance / dpa / Pauline Willrodt)
    "Das NpSG wurde erforderlich, weil der Markt eben ständig mit neuen Stoffen geflutet wurde in den letzten Jahren, die erst nach und nach dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt werden konnten. Um diese Kette zu unterbrechen, war die Idee eben, Stoffgruppen zu definieren, was im Betäubungsmittelgesetz nicht möglich ist, um hier sozusagen die Nachschublinie irgendwie zu unterbrechen", sagt Volker Auwärter, Laborleiter der Forensischen Toxikologie des Universitätsklinikums Freiburg.
    NpSG ist die Abkürzung für das Neue-psychoaktive-Stoffe Gesetz. Dieses wurde notwendig, da sich das Betäubungsmittelgesetz nur auf Einzelstoffe bezieht, nicht jedoch auf ganze Stoffgruppen. Solche Stoffgruppen kommen in sogenannten Legal Highs vor. Das sind unter anderem sogenannte Räuchermischungen, pflanzliches Material, auf das meist synthetische Wirkstoffe aufgebracht werden. Somit sind sie potenter als es der Name vermuten lässt. Die meist drei Gramm schweren Pakete haben einen Wirkstoffgehalt von bis zu zehn Prozent und kosten meist 20 bis 30 Euro.
    Rauschmittel aus allen Gruppen von Drogen
    "Im Bereich der Legal Highs gibt es inzwischen Rauschmittel aus allen Gruppen von Drogen, die wir im illegalen Bereich schon lange kennen. Das heißt, es gibt Cannabinoide, es gibt’s Stimulanzien, es gibt Opioide, Benzodiazepine – es gibt eigentlich keine Droge, die man heute nicht ersetzen kann durch einen Stoff aus dieser Gruppe der sogenannten NPS."
    Diese "Neuen-Psychoaktiven Stoffe" können einfach online geordert werden. Volker Auwärters Team am Institut für Rechtsmedizin betreibt seit einiger Zeit ein Monitoring von Räuchermischungen im Rahmen des EU-Projekts "SPICE Profiling”. Die Toxikologen schauen im Internet, welche Stoffe online angeboten werden, bestellen diese und analysieren deren Inhalt im Labor.
    "Unsere Fragestellung war nun: Was sind eigentlich die Effekte des Inkrafttretens des NpSG? Werden damit die Ziele, die man erreichen wollte, auch tatsächlich erreicht? Das heißt, auf der einen Seite natürlich: Kommt es zu einer Angebotsreduktion? Und auf der anderen Seite wollen wir uns natürlich auch anschauen, ob es auf der Konsumentenseite weniger Nachfrage gibt als möglichen Effekt dieser Signalwirkung, dass man per Gesetz eben Substanzen zunächst mal verbietet und damit auch signalisiert, das sind eben keine legal frei verkäuflichen Stoffe, von denen man dann natürlich auch annehmen könnte, sie seien ungefährlich und das ist eben nicht zutreffend."
    Mehr Betäubungsmittel in diesen Mischungen
    Am 26.11.2016 trat das Gesetz in Kraft. Um zu überprüfen, ob und welchen Einfluss das NpSG auf diesen Markt hat, haben die Forscher von September 2016 bis Mai folgenden Jahres mehr als 200 dieser Produkte gekauft und deren Inhaltsstoffe untersucht - eine einmalige Gelegenheit, eine Vorher-Nachher-Situation zu analysieren.
    "Auf der einen Seite gibt’s Shops, die komplett ihren Betrieb eingestellt haben, dafür sind neue erschienen. Generell kann man sagen, wir finden jetzt wieder mehr Betäubungsmittel in diesen Mischungen. Das liegt sicherlich daran, dass einigen Akteuren am Markt es inzwischen egal geworden ist, ob sie dann gegen das NpSG verstoßen oder gegen das Betäubungsmittelgesetz."
    Der Anteil an Stoffen in Räuchermischungen, die im Betäubungsmittelgesetz aufgeführt sind, hat sich seit Inkrafttreten des NpSG der Studie zufolge mehr als verdoppelt.
    "Wir sehen aber auf der anderen Seite auch, dass Stoffe auf den Markt gebracht wurden, die so konzipiert wurden, dass sie auch das NpSG umgehen. Damit war eigentlich auch zu rechnen. Da muss man eben jetzt schauen, dass man nach und nach die Lücken im NpSG schließt."
    Und das ist hier im Gegensatz zum Betäubungsmittelgesetz viel einfacher, so Volker Auwärter. Durch Änderungen lassen sich Gruppendefinitionen erweitern. Dann wäre nicht nur der eine neue Stoff verboten, sondern sämtliche Varianten, die daraus möglich sind.
    "Das heißt: Dieses Katz-und Maus-Spiel wird für die Gegenseite sozusagen erheblich erschwert."