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Neue Studie
Sparverhalten bei Niedrigzinsen

Wie reagieren Sparer in Deutschland auf die niedrigen Zinsen? Flüchten sie in immer riskantere Geldanlagen? Mannheimer Wirtschaftsforscher haben das Verhalten von Bankkunden untersucht und herausgefunden, ab wann auch der geduldigste Sparer sein Geld lieber abhebt.

Von Ehrhardt Mischa | 01.12.2017
    Eine 1-Euro-Münze lehnt am 04.11.2014 in München (Bayern) an gestapelten Münzen.
    Sparen ja - aber wie in den Zeiten von anhaltenden Niedrigzinsen? (picture alliance / dpa / Tobias Hase)
    Börsen auf Rekordniveau oder der kometenhafte Aufstieg des Bitcoin - beides kann man auch als Folge der derzeitigen Nullzinspolitik vieler Notenbanken sehen. Denn die Nullzinspolitik bringt Anleger dazu, auf der mehr oder weniger verzweifelten Suche nach lukrativen Anlagen vermehrt Risiken einzugehen. Wie am Aktienmarkt oder beim hochspekulativen Bitcoin. Denn für Geld auf dem Konto oder dem Sparbuch gibt es im Nullzinsumfeld kaum oder gar keine Zinsen mehr. Also müsste eine allgemeine Neigung zum Risiko vorherrschen. Dem ist aber nicht so.
    Deutsche finden sich mit Niedrigzins ab
    "Es kommt heraus, dass die Kunden sich mit dem Niedrigzins abgefunden haben, dass das ihr Sparverhalten eigentlich nicht beeinflusst. Das ist ein großes Thema, dass wir sehen. Und das andere ist, dass, auch wenn die Zinsen fast bei null sind, Negativzinsen ein absolutes rotes Tuch sind", sagt Martin Schmidberger, Projektleiter der Studie bei der ING-DiBa. Der Otto-Normal-Sparer findet sich also mit der Lage ab. Für die Studie befragt hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung gut 3.000 Kunden der Direktbank ING-Diba. Gefragt haben die Forscher in erster Linie, welche Konsequenzen sie aus den Nullzinsen für ihr Sparverhalten ziehen. Im vergangenen Jahr beim ersten Durchgang der Studie war die Neigung, angesichts von Nullzinsen Risiken einzugehen, noch stärker. Eine Art Gewöhnung hat offenbar stattgefunden - und das sei gar nicht so schlecht, meint Schmidtberger.
    "Das ist ja eigentlich auch ganz schlau, dass wenn man eine bestimmte Einstellung, eine bestimmte Risikoneigung hat, dass man die nicht verändert, nur weil die Zinsen nicht so gut sind. Man geht auch nicht weniger Risiko ein, wenn die Zinsen höher sind, das kann man eigentlich nachvollziehen."
    Vermögende neigen zu mehr Risiko
    Im vergangenen Jahr allerdings hatten sich Sparer offenbar noch mehr Sorgen um ihr Vermögen gemacht - die Risikoneigung war also etwas stärker ausgeprägt. Eine Art Gewöhnung, könnte man sagen, hat also eingesetzt. Das gilt aber nicht für alle Kundengruppen gleichermaßen. Es gibt nämlich auch einige, die bereit sind, Risiko zu fahren, damit sich ihr Geld auf dem Konto vermehrt - oder zumindest nicht schwindet. Und das sind in der Regel und in der Tendenz eher wohlhabendere Menschen.
    Es gibt nun einmal viele Haushalte, für die stellt sich die Frage nach einer Investition in Aktien kaum. Die Vermögenden - die sind sehr wohl in Aktien investiert.
    Negativzins ärgert Sparer
    Ein überraschendes Ergebnis der Studie schließlich ist die Reaktion auf mögliche Negativzinsen - also sozusagen Gebühren, die auf Erspartes anfallen würden. Die sind mittlerweile zumindest denkbar, denn Banken müssen solche Strafgebühren bereits zahlen, wenn sie Gelder bei der Europäischen Zentralbank über Nacht parken wollen. Deswegen haben einige Banken in den vergangenen Monaten damit begonnen, solche Gebühren auch gegenüber den Kunden zu erheben. Keine gute Idee, wenn man das Ergebnis der Studie kennt.
    "Bis null ist eine Sache, aber schon minus 0,1 Prozent ist eine Sache, die Leute sehr stark aufregt. Wenn man die Leute fragt - was würden Sie machen, wenn ein Negativzins kommt, dann werden sie das Geld abheben. Da ist mir zwar nicht klar, was man dann mit dem Geld macht, aber das ist eine sehr stark vertretene Meinung der Leute."
    In Fall von Negativzinsen könnte man sein Geld in Bankschließfächern aufbewahren. Die kosten zwar auch Gebühren - mit denen sind Sparer laut Studie aber einverstanden. Das mag zwar nicht logisch sein. Immerhin - so könnte man meinen - bekommt man dann aber wenigstens etwas Handgreifliches für sein Geld.