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Wirtschaftslage in der Ukraine
"Made in Ukraine" ist wieder in

"Jetzt ist die Zeit, um in der Ukraine zu investieren", sagte der ukrainische Ministerpräsident Wladimir Groisman beim deutsch-ukrainischen Wirtschaftsforum in Berlin. Wirtschaftlich gehe es mit seinem Land aufwärts. In der Ukraine selbst haben Waren aus dem eignen Land einen guten Ruf - und das nicht nur wegen der Qualität.

Von Peter Sawicki | 29.11.2018
    Anna Lukovkina, Inhaberin eines Kleidungsgeschäfts, in Kiew
    Anna Lukovkina, Inhaberin eines Kleidungsgeschäfts, in Kiew (Deutschlandradio/Peter Sawicki)
    In einem palastartigen Gebäude auf dem Kiewer Khreshchatyk-Boulevard durchdringt Popmusik in Dauerschleife die fünf Etagen. Kunden durchwühlen kunstvoll bedruckte Oberteile oder eng geschnittene Hosen. Viele denken pragmatisch, wie dieser Gast aus Estland:
    "Die Qualität scheint so zu sein, wie man es erwarten kann. Darauf kommt es ja am Ende an. Und ich sehe nicht, warum ukrainische Produkte schlechter sein sollten als deutsche oder norwegische."
    Bei anderen, wie diesem Einheimischen, schwingt Idealismus mit:
    "Die Sachen hier haben Stil. Und ich denke auch, dass man diese Idee und die Hersteller unterstützen sollte."
    "Vsi Svoi" heißt das Kleidergeschäft. Dessen Waren sind komplett aus ukrainischer Produktion. Dementsprechend der Name – "All unser" lautet er in etwa auf Deutsch.
    Lokale Produkte haben einen guten Ruf
    Inhaberin Anna Lukovkina glaubt, dass "Vsi Svoi" zu einem Paradigmenwechsel im Land beigetragen hat:
    "Es ist für Ukrainer üblich geworden, gezielt ukrainische Marken zu kaufen. Das zu bewirken, war eines unserer Ziele. Lokale ukrainische Kleidung hat einen guten Ruf."
    Kleidungsstücke etwa 250 ukrainischer Designer sind bei "Vsi Svoi" zu erwerben. Simple T-Shirts kosten umgerechnet circa zehn Euro, es gibt aber auch Jacken für bis zu 200 Euro. Traditionelle ukrainische Stickmuster oder Schriftzüge sind ein häufiges Merkmal.
    Ukrainer kaufen ukrainische Waren
    "Vsi Svoi" wurde 2016 eröffnet – die Idee dafür hatte Lukovkina schon vorher:
    "Nach der Maidan-Revolution sind in der Kleiderbranche viele gute lokale Marken entstanden. Das Problem war ihre räumliche Zerstreuung. Wir haben erkannt, dass wir dafür einen zentralen Ort schaffen müssen."
    Das Konzept geht bisher auf. Vor kurzem hat "Vsi Svoi" eine zweite Filiale eröffnet.
    Dass der Maidan die ukrainische Wirtschaft verändert hat, meint auch Elena Besedina von der Kyiv School of Economics. Es habe nach 2013 eine Art patriotischen Boom gegeben, erklärt sie:
    "Diese vielen Einschnitte – die Krim-Annexion, der Kriegsbeginn im Osten – haben bei der Identität etwas bewirkt. Viele Ukrainer begannen, sich als solche zu fühlen. Das war auch ein Motiv, um öfter ukrainische Produkte zu kaufen."
    Schwierige Handelsbeziehungen mit Russland
    Neben Kleidern, ergänzt Besedina, seien etwa Honig und Milch "made in Ukraine" populärer geworden. Beigetragen hat dazu auch der sinkende Handel mit Russland in Folge gegenseitiger Sanktionen, wovon Lebensmittel betroffen sind:
    "Was man nicht exportieren kann, verkaufen wir zu Hause. Die Preise für ukrainische Lebensmittel sind durch den Konflikt mit Russland gesunken. Das Gleiche war ab 2014 in westeuropäischen Ländern wie Finnland zu sehen, das ist eine übliche Auswirkung."
    Insgesamt exportierte die Ukraine laut dem nationalen Statistikamt zuletzt nur noch acht Prozent ihrer Waren nach Russland. 2013 waren es 24 Prozent. Dafür gehen inzwischen 40 Prozent ukrainischer Exporte in die EU.
    Unternehmergeist statt Subventionen
    Trotzdem bleibt die gesamtwirtschaftliche Lage prekär. Die Ukraine ist auf Finanzhilfen des IWF angewiesen, das Durchschnittseinkommen beträgt nur 270 Euro monatlich.
    Ob die Waren bei "Vsi Svoi" deshalb zu teuer seien, verneint Anna Lukovkina. Vieles sei erschwinglich, regionale Produktion habe grundsätzlich einen gewissen Preis.
    Trotz aktueller Unwägbarkeiten blickt sie positiv in die Zukunft. Auf Unterstützung des Staats hofft sie nicht, setzt dafür auf den Unternehmergeist junger Ukrainer:
    "Es gibt hier so viele kreative und kluge Menschen. Sie verdienen eine bessere Situation. Und weil sie weniger auf die Regierung bauen, sondern auf sich selbst, bin ich sicher, dass es bei uns langfristig bergauf geht."