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Neue Vorsitzende des Philologenverbandes
Arbeitszeituntersuchung statt weitere PISA-Studien

Wie ist es um unsere Lehrer bestellt? Das möchte Susanne Lin-Klitzing erfahren, die neue Vorsitzende des Philologenverbandes. Statt für weitere PISA-Studien solle zunächst Geld für eine Untersuchung der Arbeitsbelastung von Gymnasiallehrern in die Hand genommen werden, sagte Lin-Klitzing im Dlf.

Susanne Lin-Klitzing im Gespräch mit Michael Böddeker | 04.12.2017
    Matheunterricht in einem Oberstufen-Kurs am Gymnasium.
    "Wir tun das jetzt für unsere Gymnasiallehrkräfte" - Susanne Lin-Klitzing möchte die Arbeitsbelastung von Gymnasiallehrern untersuchen (picture alliance / dpa / Marijan Murat)
    Michael Böddeker: Der Deutsche Philologenverband vertritt in Deutschland die Lehrerinnen und Lehrer, die Schüler auf das Abitur vorbereiten, also zum Beispiel und vor allem die Gymnasiallehrer. Seit 2003 war Heinz-Peter Meidinger Vorsitzender des Verbands, auch hier in der Sendung war er oft als Gesprächspartner zu Gast, jetzt aber gibt es eine neue Vorsitzende. Sie wurde gerade frisch gewählt: Susanne Lin-Klitzing. Sie ist Professorin für Pädagogik der Sekundarstufen. Guten Tag, Frau Lin-Klitzing!
    Susanne Lin- Klitzing: Schönen guten Tag, Herr Böddeker!
    Böddeker: Zunächst mal Glückwunsch zur Wahl!
    Lin-Klitzing: Vielen herzlichen Dank!
    Böddeker: Und wie schnell möchten Sie denn jetzt mit Ihrer neuen Tätigkeit als Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands beginnen? Jetzt gleich, unmittelbar?
    Lin-Klitzing: Sofort. Ich bin gerade gewählt und werde es aber sicherlich in unterschiedlicher Intensität dann fortführen können. Zum 01.04. gehe ich in die Hauptamtlichkeit.
    Böddeker: Und dann geben Sie auch Ihre bisherige Professur zunächst mal auf oder Sie gehen in Urlaub dort, richtig?
    Lin-Klitzing: Ich freue mich, wenn ich dort eine entsprechende Sonderbeurlaubung genehmigt bekomme.
    Vom Ziel des Abiturs her denken
    Böddeker: Also ein Unterschied auch zu Ihrem Vorgänger, Herrn Meidinger. Heißt das, es gibt auch viele Themen und Projekte, die Sie dann hauptamtlich angehen wollen?
    Lin-Klitzing: Ja. Also der große Vorteil von Hauptamtlichkeit ist einfach, dass man sofort für Fragen, wie zum Beispiel auch von Ihnen, dastehen kann. Man kann sich intensiv mit den Problemen beziehungsweise Bildungsproblemen unserer Zeit auseinandersetzen, den Landesverbänden jederzeit zur Verfügung stehen und natürlich aber auch im politischen Berlin hoffentlich das eine oder andere Gespräch führen.
    Böddeker: Was sind denn so für Sie die drängendsten Probleme, bei denen sich etwas ändern müsste für die Lehrerinnen und Lehrer, die Sie vertreten?
    Lin-Klitzing: Vielleicht kann ich damit beginnen, ich habe eine bestimmte Programmatik, und aus der leiten sich bestimmte Schwerpunktesetzungen her. Meine Programmatik, mein Profil, mein Motto ist "Gymnasiale Bildung leben", gymnasiale Bildung leben als Person, als Lehrkraft, als Gymnasialschüler, als Verbandsmitglied, nach innen und nach außen. Was meine ich damit?
    Es geht mir im Kern darum, immer vom Ziel unserer Schulart her, vom Abitur, vom Ziel des Gymnasiums, von der Vermittlung vertiefter Allgemeinbildung, Wissenschaftspropädeutik und Studierfähigkeit her zu denken, und dieses Ziel eben zum Ausgangspunkt verschiedener Vorhaben oder Projekte zu machen, und da könnte ich jetzt einige nennen, wenn Ihnen das recht ist.
    Investitionen für Arbeitszeituntersuchung
    Böddeker: Ja, ein konkretes Projekt steht ja auch sehr bald schon an: eine Studie zur Arbeitsbelastung von Gymnasiallehrern - worum geht es da genau?
    Lin-Klitzing: Das ist eine Studie zur Arbeitszeiterhebung, und ich sage vielleicht zunächst erstmal, es ist Zeit aus meiner Sicht für ein deutliches Nein, ohne Probleme Geld in die Hand für weitere PISA-Untersuchungen zu nehmen, und es ist Zeit für ein deutliches Ja, Geld in die Hand zu nehmen, um überhaupt den Ist-Stand zu erheben, wie es um unsere Lehrer bestellt ist, um ihre Arbeitszeit, ihre Gesundheit, die Voraussetzung, um überhaupt die Ergebnisse von PISA umzusetzen.
    Böddeker: Das heißt, man muss eher auf die Lehrer schauen als auf die Schüler?
    Lin-Klitzing: Man muss auf alles schauen. Auf die Schüler haben wir jetzt seit 2000 in besonderer Weise geschaut, und das ist gut und richtig, wir haben auch Ansätze für solche Untersuchungen. Die Kultusministerkonferenz hat im Jahre '73 die Knight-Wegenstein-Untersuchung rausgegeben, wir hatten auch vor zehn Jahren noch einmal eine solche Untersuchung, aber das deckt natürlich längst nicht den aktuellen Befund, und deshalb könnte sich die KMK beispielsweise entschließen, die... Wie für die notwendigen Investitionen in PISA, auch Investitionen für eine entsprechend umfassende Arbeitszeituntersuchung in die Hand zu nehmen. Wir tun das jetzt für unsere Gymnasiallehrkräfte.
    "Ich kämpfe gegen diesen Begriff von digitaler Bildung"
    Böddeker: E-Learning ist noch ein Thema, mit dem Sie sich in der Lehre viel beschäftigt haben. Denken Sie, dass sich durch die Digitalisierung viel ändern wird, auch für die Lehrerinnen und Lehrer?
    Lin-Klitzing: Ich finde, das ist ein wunderbar wichtiges Thema, und zunächst muss ich sagen, ich kämpfe gegen diesen Begriff von "digitaler Bildung", was ich für einen falschen Begriff halte, und will mich andererseits dafür einsetzen, dass wir uns mit den gesellschaftlichen Herausforderungen der Digitalisierung beschäftigen und eine angemessene Digitalisierung der Gymnasien zu erhalten, aber zur Unterstützung von gymnasialen Bildungsprozessen. Das muss das Ziel sein.
    Böddeker: Susanne Lin-Klitzing ist die neugewählte Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes. Mit ihr haben wir über einige der Themen gesprochen, die sie in ihrer Amtszeit voraussichtlich beschäftigen werden. Vielen Dank für das Gespräch!
    Lin-Klitzing: Danke schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.