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Neuer EU-Haushaltskommissar
Kein leichter Einstand für Oettinger

Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger ist seit dem Jahreswechsel für die Ressorts Haushalt und Personal zuständig. Nun muss er sich den zuständigen Ausschüssen im EU-Parlament stellen. Das dürfte wegen seiner Fauxpas bei einer Rede in Hamburg und einem Flug mit einem Wirtschaftslobbyisten eher ungemütlich werden.

Von Jörg Münchenberg | 09.01.2017
    EU-Kommissar Günther Oettinger.
    EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) muss sich vor Ausschüssen des EU-Parlaments erklären. (picture alliance / dpa / Peter Endig)
    Es dürfte ein ungemütlicher Auftritt für den ehemaligen Digitalkommissar Günter Oettinger werden, der seit dem 1. Januar für die wichtigen Ressorts Haushalt und Personal zuständig ist. Dabei gilt ein solcher Ressortwechsel im Brüsseler Betrieb eher als Formsache. Doch mit seiner schlagzeilenträchtigen Rede in Hamburg, in der er Chinesen als Schlitzaugen bezeichnete und sich über die Homo-Ehe lustig machte, hat Oettinger seinen Kritikern eine Steilvorlage geliefert.
    Gerade auch im Europäischen Parlament, wo er sich heute in den zuständigen Ausschüssen für Haushalt, Haushaltskontrolle und Recht in einer Aussprache stellen muss. Die Personalentscheidung von Kommissionschef Jean-Claude Juncker sei völlig unverständlich, kritisiert etwa der Co-Chef der Grünen, Philipp Lamberts:
    Oettingers Aufstieg beschädige das europäische Image
    "Er hätte Oettinger einen Rücktritt nahelegen müssen. Nun gibt Juncker ihm einen noch wichtigeren Posten. Das beschädigt nicht nur das deutsche Image, sondern auch das europäische. Dadurch wird auch das Image der europäischen Einrichtungen beschädigt. Und das in Zeiten eines boomendes Euroskeptizismus."
    Gerade an dieser Stelle werden die Abgeordneten deshalb heute nachbohren. So heißt es in den bereits veröffentlichten schriftlichen Fragen, Oettinger solle erläutern, wie er angesichts seiner diskriminierenden Bemerkungen seiner Position als Personalverantwortlicher gerecht und seine Glaubwürdigkeit wiedererlangen wolle. Ein anderer fragt, ob er sich schon offiziell bei China entschuldigt habe. Aber es geht heute nicht nur um seine Äußerungen in Hamburg, auch einen Mitflug mit dem Wirtschaftslobbyisten Klaus Mangold nach Budapest sehen viele Abgeordnete, wie etwa Michael Theurer von der FDP, kritisch:
    "Für mich als Haushaltskontrolleur ist die entscheidende Frage: Wie kam dieser Flug des Amtsträgers Kommissar Günther Oettinger mit einer Privatperson zustande? Ist das mit den Reiserichtlinien der EU-Kommission zu vereinbaren? Das ist die Frage, der wir im Haushaltskontrollausschuss nachgehen."
    Flug mit Wirtschaftslobbyist vereinbar mit Geschenkeregelung?
    Und so heißt es in den schriftlichen Fragen, ob der Flug vereinbar sei mit der Geschenkeregelung, wonach der Höchstwert bei 150 Euro liegen dürfe. Die Kommission hatte Oettinger verteidigt. Es habe sich lediglich um eine von der ungarischen Regierung bereitgestellte Mitreisemöglichkeit gehandelt. Eine Argumentation, der freilich nicht alle folgen wollen.
    Erschwerend aus der Sicht von Oettinger könnte sich auch das heftige politische Gerangel um die Nachfolge von Parlamentspräsident Martin Schulz erweisen. Die Sozialdemokraten haben die bisherige informelle Große Koalition faktisch aufgekündigt und schicken mit dem Italiener Giani Pittella entgegen aller Absprachen einen eigenen Kandidaten ins Rennen. Das politische Klima ist also rauer geworden - und das könnte auch der neue Haushaltskommissar heute Abend zu spüren bekommen, befürchtet der Chef der CDU-Abgeordneten im EU-Parlament, Herbert Reul:
    Angst vor dauerhafter Störung des Verhältnisses
    "Ich halte es für eine große Gefahr, wenn aus den atmosphärischen Spannungen, die vor den Weihnachtstagen entstanden ist, eine dauerhafte Störung des Verhältnisses wird. Weil ich dann nicht weiß, wie wir im Parlament noch dauerhaft stabile Verhältnisse hinbekommen wollen."
    Allerdings können die Abgeordneten Oettingers Ressortwechsel ohnehin nicht verhindern. Doch sollte der Haushaltskommissar heute durchfallen, könnte Juncker etwa darauf verzichten, ihn auch zum Vizekommissionspräsidenten zu küren. Die Entscheidung dazu ist noch offen - wie auch das ganze Verfahren, hofft zumindest der Grüne Lamberts:
    "Von der Erfahrung her würde man sagen, das geht durch. Aber der Ärger auch im Parlament über den ganzen Ablauf ist so groß - also, man weiß nie."