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Neuer Planet
Der verfrühte Jubel über eine "zweite Erde"

Die NASA hat einen Planeten entdeckt, den sie als eine Art "größerer und älterer Cousin" der Erde beschreibt. Der Jubel über eine "zweite Erde" erklingt zurzeit allerdings sehr voreilig - denn noch ist viel zu wenig über den entdeckten Planeten bekannt.

24.07.2015
    Kepler-452b (rechts) in einem grafischen Vergleich der NASA mit der Erde
    Kepler-452b (rechts) in einem grafischen Vergleich der NASA mit der Erde (dpa / picture-alliance / NASA)
    Im Netz gab es schnell euphorische und ironische Reaktionen. Ob man da hinfliegen könne, fragten mehrere Menschen bei Twitter nach der Bekanntgabe der Entdeckung von "Kepler-452b" durch die NASA. Oder gar Grundstücke kaufen? Gibt es auf dieser "neuen Erde" Menschen? Elektrizität? Und der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sei sicher schon mit einer Handelsdelegation auf dem Weg zur neuen Erde, schrieb ein Twitter-Nutzer in Anspielung auf die jüngste Reise des Vizekanzlers in den Iran.
    NASA: "Sind einen Schritt näher an der Erde 2.0"
    Doch von der Entdeckung eines zweiten Aufenthaltsortes für Menschen ist die NASA wohl noch weit entfernt. Dann abgesehen von der eigentlichen Entdeckung von "Kepler-452b" ist bislang nur sehr wenig über den Planeten bekannt. Der mit dem Weltraumteleskop "Kepler" erspähte Planet sei eine Art "größerer und älterer Cousin der Erde". In einer bewohnbaren Zone umkreise er einen sonnenartigen Stern in einem ähnlichen Abstand wie die Sonne die Erde. Wasser könnte auf "Kepler-452b" also flüssig sein - eine der Grundvoraussetzungen für Leben. Der Durchmesser soll 60 Prozent größer als der der Erde sein, seine Zusammensetzung laut NASA mit hoher Wahrscheinlichkeit felsig. Für die Umkreisung seiner Sonne, braucht er zwanzig Tage länger als die Erde, nämlich 385 Tage.
    Viel mehr weiß man nicht, trotzdem ist der Jubel groß. "Dieses aufregende Ergebnis bringt uns einen Schritt näher zur Entdeckung einer Erde 2.0", sagte NASA-Manager John Grunsfeld. Sein Kollege Jon Jenkins fügt hinzu: "Es ist beeindruckend, wenn man sich vorstellt, dass dieser Planet sechs Milliarden Jahre in der bewohnbaren Zone eines Sterns verbracht hat, länger als die Erde. Das ist eine wesentliche Möglichkeit für die Entstehung von Leben - wenn denn alle wesentlichen Voraussetzungen und Konditionen dafür auf diesem Planeten existieren."
    Nicht die erste "zweite Erde"
    Die Euphorie wirkt ein wenig überzogen, schließlich ist "Kepler-452b" bei weitem nicht der erste "erdähnliche" Planet, den Astronomen entdeckt haben. Nach NASA-Schätzungen besitzt mindestens jeder zweite Stern in etwa erdgroße Planeten. Fast 4700 mögliche Exoplaneten hat "Kepler" erspäht, bestätigt sind davon 1030. Rund 500 der Planeten-Kandidaten haben die NASA-Forscher gerade erst ausfindig gemacht. Allein davon entsprechen zwölf in ihrer Größe der Erde oder sind bis zu doppelt so groß. Genaue Erkenntnisse fehlen jedoch auch hier.
    Wasser oder gar Leben, wie wir es kennen, haben die Forscher auf dem fremden Planeten bislang aber nicht entdeckt. Und genau das kritisieren Beobachter am Jubel um die Entdeckung. Der Astronom und Blogger Florian Freistetter schreibt in einem Beitrag auf seiner Seite von einer "zweiten Erde, die keine ist" und zieht einen Vergleich zur Venus: "Unser Nachbarplanet ist fast so groß wie die Erde. Er ist fast so schwer wie die Erde. Und - je nach Definition - befindet sich auch die Venus in der habitablen Zone der Sonne. Trotzdem ist die Venus alles andere als eine "zweite Erde" sondern so ziemlich der lebensfeindlichste Planet, den man sich nur denken kann (mit Oberflächentemperaturen von weit über 400 Grad Celsius!)."
    Einfach mal hinfliegen und nachschauen geht nicht: Das "Kepler-452"-Sonnensystem liegt rund 1400 Lichtjahre von unserer Erde entfernt. Zum Vergleich: Von der Erde zum Pluto benötigt das Licht je nach Position der beiden gerade mal rund 4,5 Stunden. Und allein um zu Pluto zu gelangen, ist die Sonde "New Horizons" neun Jahre lang geflogen.
    (nch/tj)