Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Neuer RAI-Verwaltungsrat
Nichts Neues unter Italiens Sonne

Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi hatte eine grundlegende Reform des staatlichen Rundfunksenders RAI zu einer seiner wichtigsten Aufgaben erklärt. Jetzt, bei der Nominierung des RAI-Verwaltungsrats, konnte er beweisen, wie ernst es ihm war. Aber irgendwie ist alles beim Alten geblieben.

Von Thomas Migge | 08.08.2015
    Das Pferd, das Symbol des italienischen Rundfunksenders RAI, mit einem Schild und dem Schriftzug Rai.
    Das Pferd, das Symbol des italienischen Rundfunksenders RAI. (imago / Insidefoto / Samantha Zucchi)
    "Mamma RAI", so nennen die Italiener seit den 1950er-Jahren ihr öffentlich-rechtliches Fernsehen. Drei TV-Kanäle und etwa zwölf Zusatzkanäle für Sport und News, für Geschichte, Filme, Reportage etc.

    Eine RAI, die seit Jahrzehnten oftmals scharf kritisiert wird. Hauptkritikpunkt ist der Vorwurf, sie sei politisch unterwandert. Der Sozialdemokrat Matteo Renzi hatte deshalb gleich nach seiner Amtsübernahme Anfang 2014 verkündet, die RAI vom Einfluss der politischen Parteien zu befreien. Deshalb kann er jetzt die scharfe Kritik um den neuen Verwaltungsrat der RAI nicht verstehen: "Ich war von Anfang an einer der wenigen, die vorgeschlagen haben, auf eine ganz neue Weise die RAI-Direktion zu nominieren. Und jetzt muss ich mir sagen lassen, dass diese Nominierungen nach parteipolitischen Gesichtspunkten gefallen sind?! Also, nein! Das sind alles hochkarätige professionelle Journalisten aus dem Fernsehbereich."
    Fast alle Parteien haben ein Stück vom Kuchen abbekommen
    Tatsache ist, anscheinend, dass auch dieses Mal beim größten öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Rundfunksender in Europa gemauschelt wurde - unter den wichtigsten Parteien, die den staatlichen Mediengiganten unter sich aufteilten. Ganz im Gegensatz zu den schönen Worten, die Italiens Regierungschef ständig wiederholt: eine neue RAI ohne politischen Einfluss und so weiter. In Sachen RAI-Verwaltungsrat kam es in den vergangenen Tagen sogar wieder zu einer Annäherung zwischen Matteo Renzi und Silvio Berlusconi: Nur dank ihrer Übereinkunft konnten die Verwaltungsmitglieder nominiert werden. Neun Personen, die, nahezu perfekt, das gegenwärtige politische Spektrum Italiens widerspiegeln, meint Massimiliano Cencelli.
    Der Ex-Christdemokrat ist Erfinder des sogenannten "Manuale Cencelli". Das ist eine Art Handbuch, das Ratschläge dazu gibt, wie man wichtige Posten im Staate - in Regierungsämtern, in staatlichen Banken, Universitäten und eben auch bei der RAI - so verteilt, dass fast alle Parteien ein gutes Stück vom Einfluss-Kuchen abbekommen: "Letztendlich halten sich alle Parteien an mein Handbuch zur Verteilung der Macht. Da ist auch Renzi keine Ausnahme, auch wenn er das genaue Gegenteil behauptet. Renzi ist für mich deshalb eine große Enttäuschung."
    Die Nominierungen gefielen auch Berlusconi
    Der neue RAI-Verwaltungsrat: drei Sitze für die regierenden Linksdemokraten Renzis, jeweils ein Sitz für die Koalitionen kleiner linker und kleiner Mitte-rechts-Parteien und zwei Sitze für Berlusconis Forza Italia. Das Wirtschaftsministerium, es ist zwar Hauptfinanzierer der RAI, hält sich aber aus programmatischen Diskussionen heraus, durfte zwei weitere Mitglieder nominieren: einen politisch farblosen Manager und die neue RAI-Präsidentin, die eigentliche Herrin im Haus. Das ist die Star- und Kriegsjournalistin Monica Maggioni, seit Jahren für den RAI-News-Kanal verantwortlich. Ganz wichtig für ihre Nominierung: sie gefällt den beiden wichtigsten Politikern Italiens, also Renzi und Berlusconi.

    Italiens Medien – fast alle, bis auf die RAI – Bürger, Journalisten, Intellektuelle wie Literaturnobelpreisträger Dario Fo und Politiker kritisieren Renzi für seine vermeintlich "neue" RAI. Roberto Fico, Abgeordneter der Bewegung 5 Sterne des Ex-Komikers Beppe Grillo: "Hier sehen wir es doch wieder, dass Renzi ein Clown ist, der uns nur was vorgaukelt. Da wurden die Parteien zufriedengestellt, mit Einflusspositionen in der RAI. Renzi, ein Gaukler!"

    Doch auch Renzi muss sich schließlich der politischen Realität gegenüber fügen: Ohne ein Gentlemen Agreement mit Forza Italia und anderen, kleineren Parteien, die bei der RAI mitmischen wollen, kann der Regierungschef eben nicht regieren. Die Folge: Eine erneute Politisierung der RAI. Also nichts Neues unter Italiens Sonne.