Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Neuer Russlandkurs Griechenlands
"Langer und steiniger Weg" bis zur Einigung

Die neue Regierung Griechenlands fahre einen Konfrontationskurs gegen Europa, sagte Janis Emmanouilidis, Studiendirektor am European Policy Center in Brüssel, im DLF. Die Russland-Politik könnte jedoch auch eine Taktik sein, um "in anderen Bereichen Kompromissbereitschaft zu erzielen".

Janis Emmanouilidis im Gespräch mit Jürgen Liminski | 29.01.2015
    Die griechische und die europäische Flagge wehen am 06.03.2014 vor dem Parlamentsgebäude in Athen. Foto: Wolfgang Kumm/dpa
    "Es wird eine lange Partie", prognostiziert Janis Emmanouilidis im Hinblick auf eine Einigung zwischen Griechenland und der EU. (dpa/picture-alliance/Wolfgang Kumm)
    Jasper Barenberg: Das ist ein russischer Krieg gegen die Ukraine, so Litauens Außenminister über den wahllosen Raketenbeschuss auf die Hafenstadt Mariupol, und hat hinzugefügt: "Ich wüsste nicht, wie man es sonst nennen sollte." In den Augen vieler Europäer gibt es Belege, dass Russland die Rebellen mit Waffen und mit Soldaten versorgt.
    Bei ihrem Sondertreffen heute in Brüssel wollen die Außenminister deshalb auch darüber beraten, ob Sanktionen verlängert und zum Teil verschärft werden sollen. Und viele der Außenminister fühlen sich jetzt düpiert, weil Griechenlands neuer Ministerpräsident Alexis Tsipras auch auf Konfrontationskurs geht.
    Der Streit zwischen Athen und Brüssel, auch mit Blick auf die Sanktionen, war auch ein Thema im Gespräch meines Kollegen Jürgen Liminski mit Janis Emmanouilidis dem Studiendirektor am European Policy Center in Brüssel.
    Jürgen Liminski: Herr Emmanouilidis, fährt die neue Regierung in Athen einen Konfrontationskurs mit oder gegen Europa, oder ist das alles nur ein Pokerspiel mit Blick auf die kommenden Verhandlungen?
    "Konfrontationskurs bereitet Kompromiss vor"
    Janis Emmanouilidis: Ich glaube, es ist sowohl als auch. Zum einen ist es ungewiss, was das alles bedeutet. Die Regierung ist erst einige Tage im Amt. Teilweise gibt es ja auch sehr unterschiedliche Stimmen, eine Polyphonie, teilweise auch Kakophonie. Aber ich glaube dennoch, dass es zu einem Gutteil einen Konfrontationskurs gibt, aber man, glaube ich, bereitet damit auch vor, dass man letztendlich einen Kompromiss erzielen kann mit den Partnern. Aber es wird ein langer und steiniger Weg mit vielen Schwierigkeiten von hier bis zu dem Zeitpunkt, wo man irgendwann sich einigen wird. Also es wird eine lange Partie.
    Liminski: Thema Russland. Es gibt Berührungspunkte und Gesprächsforen nicht zuletzt auf der geistlichen Ebene. Ist die Distanzierung vom Russland-Kurs der EU ernst gemeint, oder taktische Verhandlungsmasse? Man könnte ja auf die Idee kommen, dass Tsipras sich den Russland-Kurs gegen neue Kredite abkaufen lässt.
    Emmanouilidis: Ich glaube, dass es tatsächlich bei der Frage des Umgehens mit Russland eine Abweichung von der Politik der Vorgängerregierung geben wird. Das sollte auch nicht als Überraschung kommen. Herr Tsipras selbst war erst vor Kurzem in Russland, sein Außenminister, Herr Kotzias, ist dafür bekannt, dass er eine relativ pro-russische Haltung hat. Die Frage ist aber, wie weit wird man damit gehen.
    Es gibt tatsächlich eine Veränderung, aber wie weit wird man denn gehen auch dann in der Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern. Und hier könnte es tatsächlich sein, dass da ein taktisches Element beinhaltet ist, dass man also versucht, über die Russland-Politik in anderen Bereichen Kompromissbereitschaft zu erzielen. Aber grundsätzlich gibt es eine Veränderung Richtung der Frage, wie geht man mit Russland um.
    Liminski: Braucht man Griechenland überhaupt für eine Verlängerung oder Erweiterung der Sanktionen?
    Emmanouilidis: Die Mitgliedsstaaten sind grundsätzlich Herren in dieser Frage, wie sie selbst damit umgehen. Sie können selbst bestimmen, welche Sanktionen sie verhängen. Aber die Stärke Europas seit dem Ausbruch der Ukraine-Krise war, dass man in der Frage der Sanktionen einheitlich aufgetreten ist, und wenn ein Akteur wie Griechenland, aber es gibt auch andere, nun eventuell ausschert, schwächt das natürlich die Position gegenüber Russland.
    Aber wie gesagt, es gibt auch andere, die eher davon ausgehen, dass man in der Frage der Sanktionspolitik eventuell einen leichteren Weg gegenüber Russland fahren sollte. Von daher: Griechenland ist da nicht alleine.
    "Verbindungen zwischen Griechenland und Russland reichen über Jahrhunderte hinweg"
    Liminski: Aber Griechenland ist ja nicht so bedeutsam für diese Sanktionen.
    Emmanouilidis: Griechenland ist natürlich ein kleines Land und von daher ist natürlich die Bedeutung, die außenpolitische Bedeutung nicht vergleichbar mit den großen sechs EU-Mitgliedsstaaten, die natürlich die Außenpolitik wesentlich beeinflussen. Aber wie gesagt, es ist nicht nur Griechenland, von daher könnte es Koalitionsbildungen geben.
    Liminski: Schlägt hier vielleicht zu Buche, dass Putin eine Annäherung an die rechtspopulistischen Parteien in Europa gesucht hat und gefunden hat?
    Emmanouilidis: Ich glaube nicht, dass das von zentraler Bedeutung ist. Ich glaube, dass es eher strategische Überlegungen bei der Ausrichtung der Außenpolitik sind, die dazu führen, ein traditionell gutes Verhältnis, das historisch bedingt ist, das kulturell bedingt ist, das auch religiös bedingt ist.
    Es gibt hier Verbindungen zwischen Griechenland und Russland, die über mehrere Jahrhunderte hinwegreichen. Aber auch das gilt teilweise für andere Mitgliedsstaaten. Beispielsweise Italien ist bei dieser Frage der Sanktionspolitik bereiter, weicher damit umzugehen, als andere Mitgliedsstaaten, die einen harten Konfrontationskurs (vor allem die Staaten Mittel- und Osteuropas) fahren wollen.
    Barenberg: Janis Emmanouilidis, der Studiendirektor am European Policy Center in Brüssel, im Gespräch mit meinem Kollegen Jürgen Liminski.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.