Donnerstag, 28. März 2024

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Neuer "Tatort"-Kommissar mit Friesennerz und Vespa

Jens Stellbrink heißt der neue "Tatort"-Kommissar vom Saarländischen Rundfunk. Gespielt wird er von Devid Striesow. Im Corsogespräch erzählt der Schauspieler, wie die Figur entwickelt wurde. Dass der neue Kommissar einen Hang zum Yoga und zum intuitiven Ermitteln hat, war seine Idee.

Das Gespräch führte Eric Leimann | 25.01.2013
    Eric Leimann: Es gibt ja viele neue "Tatort"-Teams in den letzten Jahren. War das für Sie denn gleich so eine klare Sache, dass Sie sagen: Ja, ich werde auch noch "Tatort"-Kommissar?

    Devid Striesow: Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich habe zugesagt, da wusste ich noch nicht, was damit losgeht. Dann las ich von Til Schweiger und von dem Kollegen in Dortmund, den ich ganz gut kenne. Und dann kam Wotan (Wilke Möhring) noch dazu - also das kam dann - und jetzt kommt Christian Ulmen noch dazu! Ich finde das toll, wenn die Familie immer größer wird (lacht).

    Das war aber nicht der ausschlaggebende Punkt zuzusagen. Wie gesagt - meine Zusage lag davor. Ich hatte mit dem Redakteur vom Saarländischen Rundfunk, mit Christian Bauer, ein anfängliches Gespräch und war mir dann eine ganze Zeit nicht sicher. Weil ich dafür werbe, dass man sich ein Team hält, mit dem man dann längerfristig zusammenarbeitet. Wüste nicht, ob das funktioniert, ob man das im "Tatort" kann, ob die äußeren Bedingungen dafür gegeben sind. Und er bat mir erst mal eine Auszeit, eine Überlegungszeit - ich glaube, es war sogar eine leichte Absage dabei. Und dann ließ das Werben vonseiten Christian Bauers nicht nach, was ich ganz toll finde und ich merkte, das war ein hoch energetischer und hoch motivierter Redakteur. Und wo man so etwas hat, sollte man so was festhalten. Und dann habe ich zugesagt.

    Leimann: Was reizt Sie denn an der Figur, die Sie spielen?

    Striesow: Ich habe - als wir begannen - eine Figurenbiografie, eine Figurenbibel in die Hand gedrückt bekommen für die durchgehenden Rollen. Meine ist natürlich im Umfang sehr groß und so ins Detail gegangen formuliert, dass mir das so großen Spaß gemacht hat, die zu lesen, dass ich die fast immer am Set dabei habe, um noch mal nachzuschauen - weil es einfach so viel Fantasie anregt. Das ist der Grund, warum ich's angenommen habe. Warum es mir auch Spaß macht, ist: Auch mal eine Figur zu erzählen, die man über mehrere Teile in völlig verschiedenen Situationen zeigen kann und die man sich baut, die man so rein schmeißt: der ist hochenergetisch, der hat doch eine bestimmte Begabung, intuitiv zu arbeiten, der ist unkonventionell. Diese ganzen Geschichten einfach mal zu zeigen - das hat mich gereizt. Ich hoffe, es geht auf!

    Leimann: Ein "Tatort" mit ziemlich viel Humor, wie es aussieht. Waren Sie in das Konzept mit einbezogen? Also - hat man die Rolle fertig präsentiert oder haben Sie daran mitgearbeitet?

    Striesow: In Vorbereitung haben wir uns natürlich zusammengesetzt und haben überlegt, in welche Richtung das gehen soll. Es gab aber da schon bestimmte Vorstellungen vom Drehbuch. Was dann dazu kam, war beispielsweise: Hat man den Mut - muss man ja sagen - in dem Format als Kommissar so die erste halbe Stunde im Ostfriesennerz, im karierten Hemd und Gummistiefeln über den Bildschirm zu laufen? Und das haben wir besprochen, haben uns dafür entschieden. Die rote Vespa haben wir uns ausgedacht. Seinen Hang zum Yoga und zum intuitiven Ermitteln lag mir sehr am Herzen. Die Figur kriegte da so langsam Konturen. Das war so mein Anteil an Mitarbeit - darüber eine Fantasie zu entwickeln: Wie kann der Typ aussehen? Macht man das dann so konsequent, wie wir es am Ende jetzt doch durchgezogen haben.
    Ich wollte auch keinen depressiven Kommissar und ich wollte, dass man dieses Krimiformat, dass man da Humor ja überhaupt nicht ausschließen muss - erst mal - und dass es dann beim Drehen auch situativ zu Momenten kam, wo man es dann noch weiter treiben konnte. Noch mehr als man das im Drehbuch gelesen hat.

    Leimann: So einen humorvollen Kommissar oder wie Sie schon sagen: Am Anfang in kurzen Hosen und Gummistiefeln - also das widerspricht ja extrem dem klassischen Kommissarsbild, von dem wir natürlich auch jetzt schon eine Weile lang wegkommen, aber trotzdem ist es schon noch mal ein anderer Typ, er hat ja auch sehr viele weibliche Elemente und so. Ist es ein Stück weit auch eine Provokation oder auch ein Wagnis?

    Striesow: Das weiß ich nicht. Das wird es zeigen, ich bin auch auf die Ausstrahlung natürlich sehr gespannt. Das wird man danach sehen. Es ist auf jeden Fall konzeptionell nicht so gedacht - als Provokation. Es ist wirklich, es steckt dahinter etwas zu kreieren, das mir in irgendeiner Form nahe ist und trotzdem eine Überhöhung hat, die es tauglich macht, im Fernsehen gezeigt zu werden (lacht).

    Leimann: Wenn Sie sagen, es ist Ihnen in gewisser Form nahe - was meinen Sie damit? Also: Gibt es irgendwelche Gemeinsamkeiten?

    Striesow: Diese Yogaverbundenheit, die kommt schon aus meinem Privaten ein bisschen her. Und für etwas erst mal ein Gefühl entwickeln zu müssen, um es dann rational umzusetzen, entspricht auch mehr meinem Naturell. Ja! Ich ziehe mich meinetwegen, wenn es gewünscht wird, auch gerne so ähnlich an wie er. Also: Es ist das schon nahe, aber dann noch mal überhöht.

    Leimann: Wenn gewünscht oder auch…was war das: Thailand...?

    Striesow: Thailändische Wickelhose genau! Saarländische Wickelhose!

    Leimann: Das tragen Sie auch mal privat?

    Striesow: Ja, ich habe zwei indische Wickelhosen, die sind super.

    Leimann: Wie sieht es aus mit der Reggaemusik?

    Striesow: Habe ich erst entdeckt durch meine Frau, die aus Afrika stammt. Wo jetzt nun Reggae an sich nicht unbedingt die Musik Nummer eins ist, aber doch Musik mit entsprechendem Rhythmus. Ja, kann ich mir vorstellen!

    Leimann: Das war aber keine Privatidee, dass Sie sagen: Der geht durch den Baumarkt mit meiner Lieblings-Bob Marley-Platte?

    Striesow: Nein, ich hatte Stoppok auf den Ohren, als ich da durchgegangen bin.

    Leimann: Wenn man so mit Schauspielern spricht, sagen die ja oft, dass bei sehr schweren Filmen - tatsächlich - oft gelacht wird. Also, dass es jetzt nicht unbedingt so ist, dass bei einem sehr düsteren Film keine gute Stimmung am Set herrscht. Wie ist es denn bei lustigen Filmen? Muss da zwangsläufig eine gute Stimmung herrschen oder erzeugt das bei Ihnen eine gute Stimmung?

    Striesow: Ja! Drehen erzeugt bei mir automatisch eine gute Stimmung (lacht etwas). Eh - und ich hoffe auch immer oder ich glaube es auch beobachtet zu haben, dass ich das weiter tragen kann an die technischen Abteilungen, die dann auch hoch motiviert dabei sind und die Stimmung auch aufnehmen. In einer depressiven Stimmung kann ich nicht schöpferisch arbeiten. Das kann ich nicht. Für manche ist es wichtig, ich kann es überhaupt nicht. Ich brauche die gute Laune am Set - absolut!

    Leimann: Wie ist eigentlich Ihr privates "Tatort"-Sehverhalten? Gibt es "Tatorte", auf die Sie besonders stehen? Gucken Sie so etwas überhaupt privat?

    Striesow: Ähm - jetzt lege ich mir wieder ein Ei, wenn ich sage: Ich gucke keinen "Tatort". Seitdem ich das mache, interessiere ich mich mehr dafür. Ich kenne viele von den Kollegen halt persönlich: Ich lege es jetzt nicht darauf an, dass am Sonntagabend um 20.15 Uhr die Kiste angemacht wird. Das mache ich nicht. Wenn man dazu kommt, gut. Wenn man nicht dazu kommt, ist es ruckzuck wieder Montag und man hat es vergessen: Ach, war ja Sonntag. Lief ja Tatort oder 110! Ich habe natürlich Kollegen, denen ich wahnsinnig gerne zuschaue beim Spielen und wegen denen ich auch meinetwegen den Fernseher einschalte.

    Leimann: Zum Beispiel?

    Striesow: Ich mag sehr Matthias Brandt. Ich mag auch Axel Prahl und Jan Josef (Liefers) sehr gerne. Man kennt sich halt auch. Und ich mag die Kölner. Ja, na klar! Das sind wahnsinnig sympathische Kollegen. Alle, die das machen. Und ich bin gespannt auf Schweiger, was der machen wird. Natürlich, das werd ich mir auch anschauen! Ich mag den Jörg (Hartmann). Ja mein Gott, ich mag die auch alle. Aber jetzt, um jeden....man weiß ja auch irgendwann, wie es gemacht wird. Man weiß, wie die Leiche zurechtgemacht wird, damit sie nach Leiche aussieht und so (lacht). Das ist wie beim Theater gucken. Ich gehe auch sehr selten ins Theater, weil man irgendwann ja auch weiß, wie es funktioniert. Und ich habe vier Kinder. Ich habe auch einfach den ganzen Abend viel zu tun (lacht).

    Leimann: Es wirkt so, dass Sie wahnsinnig viel spielen. Arbeiten Sie mehr als andere oder...

    Striesow: Das weiß ich nicht.

    Leimann: Wie viele Wochen drehen Sie so im Jahr? Haben Sie eine Strategie, sodass man sagt: Jetzt ist mal gut oder kommt einfach ein Projekt zum anderen?

    Striesow: Ja, dadurch, dass es auch so kurzfristig zum Teil Zusagen gibt durch Finanzierungen, die noch bis zum Ende ausstehen, kann ich gar nicht am Anfang des Jahres sagen, was alles kommt. Jetzt ist das Jahr vorbei und ich kann sagen: Ich habe acht Filme gedreht.

    Leimann: Das ist viel!

    Striesow: Das ist viel. Und ich habe drei Hörspiele gemacht und ein Hörbuch aufgenommen. Aber das sind immer Entscheidungen, die fallen. 'Hast du nächste Woche Zeit? Kommst du nach Halle?' Und so. Das sind so Sachen. Und na klar, komm ich! Ich halte den Beruf auch für einen Beruf, den man trainieren muss. Also im besten Sinne. Man muss spielen! Nicht nur, um die Angst abzubauen, sondern um einfach auch einen gewissen kreativen Pol bei sich zu behalten.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    "Tatort: Melinda" am Sonntag, 27.01. um 20.15 Uhr im Ersten