Freitag, 19. April 2024

Archiv

Neues Album von Archive
Kritische Kommentatoren des Zeitgeschehens

Sie verkaufen keine Unmengen an Tonträgern und laufen kaum im Radio, aber trotzdem wird die Band Archive aus London kultisch verehrt. Grund dafür sind ihre spektakulären Live-Auftritte und aufwendigen Konzeptalben. Auf ihrer neuen Platte "Restriction" ist jedoch alles ein bisschen anders.

Von Marcel Anders | 15.01.2015
    Pollard Berrier von der britischen Band Archive
    Archive sind bekannt für spektakuläre Live-Shows (picture alliance / dpa / Ennio Leanza)
    "Die Leute erwarten immer, dass Archive-Alben konzeptionell und wie eine Reise sind. Aber nach der letzten Tour, wollten wir einfach unseren Live-Sound und die Energie der Band festhalten. Und das in zwölf unterschiedlichen Kompositionen - und ohne übergeordnetes Thema. Deshalb ist jeder Song wie eine eigene Welt und hat keine Beziehung zu den anderen. Und sie sind alle sehr heftig. Im Sinne von: Da herrscht Energie. Natürlich könnte es passieren, dass es vielen Fans allein deshalb nicht gefällt. Aber das werden wir sehen ... "
    Archive gehen gerne volles Risiko. Einfach, weil sie die Abwechslung und Herausforderung lieben, weil es ihnen um Kunst statt um Kommerz geht - und sie sich als Gegenpol zur angepassten, stromlinienförmigen Rockmusik der Gegenwart verstehen. Auf ihrem zehnten Album stellen sie den Hörer auf eine echte Probe - mit einem musikalischen Spiel ohne Grenzen, das Elemente aus TripHop, Psychedelia, Orchester-Pop, Industrial und sogar Rockabilly aufweist - und bei Darius Keeler für ein süffisantes Grinsen sorgt.
    "Als ich aufgewachsen bin, gab es Rockabilly-Bands wie die Meteors und viele andere, die sehr schnell und laut waren. Und ich mag das. Nämlich einfach auf einem Rhythmus rumzureiten und etwas ganz Simples zu kreieren. Genau wie 'Feel It', ein kraftvolles Stück, das sehr schnell und spontan ist. Und so gar nicht typisch für Archive."
    Untypische Songstrukturen und bissige Texte
    Völlig untypisch sind aber nicht nur die Songstrukturen, sondern auch die vor Ironie und Sarkasmus triefenden Texte. Das beginnt beim Album-Titel "Restriction", der allein deshalb in die Irre führt, weil es hier keine Restriktionen gibt. Und setzt sich fort in bissigen Ergüssen über amerikanische Waffengeschäfte, die Pistolen für Kinder verkaufen, über die britische Wirtschaftskrise oder Popstars, die an destruktiven Beziehungen scheitern. Wie Whitney Houston, der Archive das Stück "Black And Blue" widmen - in Anspielung auf ihre Ehe mit Rapper Bobby Brown.
    "Wir saßen im Studio in Paris, als wir von ihrem Tod und ihrem unglücklichen Privatleben erfuhren. Also von all der Gewalt und den Drogen, die da im Spiel waren. Das hat uns zu diesem Song inspiriert, der eigentlich weniger von ihr als vielmehr von der Art ihres Ablebens handelt, das sehr seltsam und verstörend ist. Das hat bei uns diese Gefühle freigesetzt."
    Die positiven Seiten eines schlechten Managements
    Der Künstler als kritischer Kommentator des Zeitgeschehens - eine Rolle, in die Archive nur zu gerne schlüpfen. Und vielleicht gerade deshalb nicht in die Welt der Charts und der Massenmedien passen. Zumindest nicht in den USA und in ihrer britischen Heimat, wo sie weitestgehend unbekannt und ihre Platten kaum erhältlich sind. Was umso mehr verwundert, weil sie in Kontinental-Europa, in Frankreich, Polen und Deutschland, beachtliche Erfolge feiern.
    "Ist das nicht seltsam? Es liegt allein am schlechtem Management. Man hat es nicht geschafft, einen vernünftigen Deal in England für uns zu finden, was wirklich schade ist. Obwohl: Vielleicht hat es auch sein Positives. Denn wenn wir Zuhause erfolgreich gewesen wären, wären wir vielleicht nicht so viel durch Europa gereist und hätten uns nicht diese wunderbare Fangemeinde erspielt, die uns sehr, sehr viel bedeutet."