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Neues Album von "Band of Horses"
Zwischen Windeln wechseln und Welttournee

Auf der Bühne gibt Ben Bridwell, Sänger der Gruppe Band of Horses, den wilden Rocksänger. Zu Hause aber ist er ganz Familienvater. Das neue Album musste er im Keller komponieren – wenn oben mal für wenige Stunden Ruhe einkehrte.

Von Anke Behlert | 11.06.2016
    Der Indie-Rock-Musiker Ben Bridwell, Kopf der "Band of Horses"
    Ben Bridwell, Familienvater und Kopf der "Band of Horses" (dpa / Keystone / Gian Ehrenzeller)
    "Dieses bürgerliche Sesshaftwerden, daran muss ich mich erst noch gewöhnen. Ich führe so ein seltsames Doppelleben. Auf der einen Seite touren wir um die Welt und machen Leute glücklich mit unserer Musik, und das ist großartig. Zu Hause ist es komplett anders, da dreht sich alles um die Kinder und ich habe kaum Zeit für mich selbst. Aber es ist ein guter Ausgleich", sagt Band-Of-Horses-Sänger Ben Bridwell. Der 38-Jährige trägt einen struppigen Vollbart und Trucker-Cap, Arme und Hals sind über und über mit Tätowierungen von Comicfiguren bedeckt.
    Eigenheim und Familie hin oder her, Bridwell sieht aus wie und ist immer noch ein Rock'n'Roller. Und das Bier und die Bloody Mary auf dem Tisch vermitteln schon gar nicht den Eindruck, dass sich der US-Amerikaner in einen Vorzeigekleinbürger verwandelt hätte. Trotzdem: Mit vier kleinen Kindern im Haus muss man Kompromisse eingehen. Bridwell konnte sich zum Komponieren nicht einfach in seine geliebte Hütte im Wald zurückziehen. Die Songs zur neuen Platte "Why Are You OK" entstanden zuhause, im Keller.
    "Ich musste immer auf einen ruhigen Moment warten. Wir haben vier Töchter, da kann es ziemlich hektisch zu Hause werden. Also hab' ich immer dann geschrieben, wenn sie in der Schule waren oder nachts, wenn alle geschlafen haben. Ich konnte nicht so viel rumdaddeln, aber wenn die Zeit begrenzt ist, kann das auch sehr motivierend sein."
    "Viele Gadgets – und mein schlechtes Gitarrenspiel"
    Die eine Hälfte des Tages Vater und Ehemann, die andere ein Rock-Held – Ben Bridwell ist sicher nicht der typische Indie-Musiker. Und auch die Herangehensweise ans Songschreiben war bei diesem Album ungewöhnlich. Das Gitarrespielen hatte ihm vor Jahren mal ein Freund beigebracht. Und an diese Phase des Ausprobierens und der musikalischen Neugier wollte er jetzt – für das sechste Album von Band of Horses – wieder anknüpfen:
    "Damals habe ich meine Finger einfach so auf das Griffbrett gelegt, wie es für mich angenehm war und dann hab ich die Saiten so verstimmt, dass ein Akkord daraus wurde. Inzwischen habe ich dazugelernt, wollte aber wieder zur Neugier von damals zurück. Zu Hause habe ich jede Menge Keyboards, auf denen kann ich zwar nicht besonders gut spielen, finde aber immer irgendwie zu einer Melodie. Für die neue Platte kamen also viele Gadgets zum Einsatz – und mein schlechtes Gitarrenspiel."
    "Why are you ok" vereint alle guten Eigenschaften von Band of Horses: Es gibt die überschwänglichen Stadionrockmomente, die fußstampfenden Folkstücke mit Banjo und Harmoniegesang, die intimen Herzschmerzsongs. Und immer dabei: Bridwells hohe, eindringliche Stimme, die sehnsüchtig und verwundbar klingt. Vereinzelt tauchen auch Synthies auf, aber im Großen und Ganzen bleiben Band Of Horses musikalisch auf gewohntem Terrain. Fürs Experimentieren und das Setzen neuer Trends sind sie denn auch nicht bekannt, ihre Stärke liegt in schmissigen Melodien.
    Ambivalentes Verhältnis zum Erwachsenwerden
    Textlich spiegelt sich Bridwells ambivalentes Verhältnis zum Sesshaft- und Erwachsenwerden wider, etwa wenn er von einer langweiligen Party mit faden Gesprächen singt. Seine Familie hatte großen Einfluss auf das Album, erzählt Bridwell. Zum Beispiel ist der Titel der Platte - "Why Are You OK" - von seinem Nachwuchs inspiriert:
    "Eine unserer Töchter hat mit dem Telefon meiner Frau herumgespielt, sie war damals drei und wir haben nicht so richtig aufgepasst. Sie hat unbeabsichtigt eine E-Mail mit dem Satz 'Why Are You OK' an die Lehrerin ihrer älteren Schwester geschickt. Ich fand das witzig, und es hat auch etwas Geheimnisvolles, es geht leicht von der Zunge."
    Im Gegenteil zum Vorgänger "Mirage Rock" hält "Why Are You Ok" wieder ein paar mehr dieser für die frühen Band of Horses typischen, träumerischen Momente bereit. Damit ist es ein wunderbares Album für den Sommer. Und der passende Soundtrack für die Autofahrt in die Ferien – mit Elterntrost: Denn wenn auf der Rückbank die Kinder quengeln, kann man sich sicher sein: Ben Bridwell, der Rockstar, muss da auch durch.