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Neues Album von JaKönigJa
Lust aufs Land

Die Hamburger Band JaKönigJa um Ebba und Jakobus Durstewitz ist Kritikerliebling und hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten eine treue Fangemeinde erspielt. Mit "Emanzipation im Wald" erscheint nun ihr sechstes Studioalbum, das sie in ihrem neuen Zuhause auf einem kleinen Landsitz in der Lüneburger Heide aufgenommen haben.

Von Andi Hörmann | 30.07.2016
    Ebba und Jakobus Durstewitz auf der Terrasse hinterm Haus, dem ehemaligen Schafstall der Künstlerfamilie "de Bruycker" in der Lüneburger Heide.
    Ebba und Jakobus Durstewitz auf der Terrasse hinterm Haus, dem ehemaligen Schafstall der Künstlerfamilie "de Bruycker“ in der Lüneburger Heide. (Deutschlandradio/A. Hörmann)
    Bäume ragen in den Himmel - wuchtig und wogend. Das weiche Cellospiel von Ebba Durstewitz könnte der Soundtrack dazu sein: Äste und Zweige, pure Natur. Wald.
    "Wenn es hier dunkel ist, ist es dunkel, dann ist es wirklich stockduster. Und dann: Uh, uh-hu. Dann geht das Kopfkino an und man dreht durch. Aber auch daran kann man sich gewöhnen."
    Ebba Durstewitz steht mit ihrem Mann Jakobus umgeben von Mischwald inmitten einer kleinen Schonung in der Lüneburger Heide. 60 Kilometer entfernt von Hamburg. Buchen und Eichen, Kiefern, Lärchen und das Zwitschern der Vögel. Unsichtbar im Dickicht: die Tiere.
    "Die schreien manchmal. Da haben wir uns sehr erschrocken, als wir zum ersten Mal eine Füchsin gehört haben: Die läufige Füchsin, die schreit markerschütternd."
    Ende 2015 sind Ebba und Jakobus Durstewitz auf das Künstleranwesen von Allda-Eugen de Bruycker gezogen, einem Landschaftsmaler des 20. Jahrhunderts. In ihrem kleinen, verwinkelten Häuschen - ein zum Wohnhaus ausgebauter Schafstall - haben die Durstewitz das neue Album ihrer Band JaKönigJa aufgenommen. Das Titelstück "Emanzipation im Wald" ist allerdings schon drei Jahre zuvor, noch in Hamburg, entstanden - im Nachhinein eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.
    "Es ist kein Propagieren irgend eines Landlebens, sondern in dem Stück ist dann tatsächlich so eine gesellschaftspolitische Komponente drin: Alles geht den Bach runter und bald muss man alles auf Null zurückstellen. Oder es ist gar nichts mehr da."
    Befreiung von der Depression
    "Wenn man sich den Text genau anhört, geht es im Grunde um so eine Befreiung von der Depression, die dann so in den Wahnsinn abgleitet. Der Text wird ja am Ende total quatschig: Quittenkerne, Pflanzen und Erdmännchen, die um mich tanzen."
    Quitten haben noch keine Erntezeit, keine Erdmännchen weit und breit, nur Pflanzen soweit das Auge reicht - und langsam einsetzender Regen.
    "Der Grund hierher zu ziehen war ja, dass man sich die Miete nicht mehr leisten konnte. Das war bei uns drei Jahre lang ein bestimmendes Thema in Hamburg, weil wir immer dachten, wir müssen gleich aus der Wohnung raus und sie wurde immer teurer.
    Die Wohnungssuche blieb ohne Erfolg, besonders bei zwei Freiberuflern, die dann irgendwie keine Lohnsteuerkarte vorlegen können. Und klar, fühlt man sich dann irgendwann vertrieben aus so einem Kontext, indem man eigentlich sich zuhause wähnte."
    Die Zukunft gehört den Zwischentönen
    In der Mitte des Wohnzimmers steht ein Kaminofen, umgeben von Plattenregalen und unzähligen Instrumenten: Akkordeon und Theremin, Zither, Metallofon, eine alte Basslaute.
    "Wir spielen diese Instrumente, aber man könnte nicht behaupten, dass sie alle virtuos gespielt werden."
    Um Muckertum geht es bei JaKönigJa ganz und gar nicht, eher um musikgewordene Gelassenheit, um Zuflucht in Naturmetaphern, um Suchen und Finden, um das richtige im falschen Leben.
    Flüchtig in den Kompositionen, kaum greifbar in den Texten. Hamburger Schule und Easy Listening sind bloße Worthülsen, Reizwörter. Genre-Denke war gestern. Die Zukunft gehört den Zwischentönen. JaKönigJa haben das erkannt. Leichtigkeit in der Musik, Schwermut im Text.
    Und dann stehen sie an ihren Instrumenten neben dem Kamin, dieses äußerlich so ungleiche Paar: Ebba in strengem Schwarz gekleidet, Jakobus mit zerzaustem Strohhut. Sie am E-Piano, er am Metallofon. Mit dem Stück "Ich versöhne mich" klingt das neue JaKönigJa-Album aus. Und irgendwie passt dieser Titel ganz wundervoll zu ihrem Leben auf dem Land, zu ihrer "Emanzipation im Wald".
    "Ich habe nicht das Gefühl, wir wohnen jetzt ausschließlich auf dem Land. Wir arbeiten weiter in Hamburg. Wir sind da zwei, drei Mal die Woche im Schnitt. Und alle Verbindungen, all das, was uns interessiert, was unser Leben ausgemacht hat, bleibt eigentlich zu meiner Beruhigung, wie ich dann feststellen konnte nach dem Umzug, weiter bestehen.
    Es ist nur so, dass es reicher geworden ist, dadurch dass man sozusagen aus beiden Welten das Beste hat."