Dienstag, 16. April 2024

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Neues Album von Laura Marling
Leises Charisma

Laura Marling ist immer auf Reisen. Die 25-jährige Sängerin war sieben Jahre lang quasi auf Dauertour, hat vier Alben veröffentlicht und viele Preise für ihre Musik bekommen. Nach einem Jahr Pause ist die Britin nun für zwei Konzerte in Deutschland, im Gepäck hat sie ihr neues, fünftes Album.

Von Bernd Lechler | 09.05.2015
    Vielleicht hört man ja die Weite Amerikas in den größeren Räumen dieses Albums - vielleicht liegt's auch nur an der elektrischen Gitarre, eine Leihgabe ihres Vaters, die Laura Marling hier erstmals ausgiebiger einsetzt, und die man, sagt sie, auch beim Spielen indirekter empfindet als die am Körper vibrierende akustische.
    Zumindest Teile des Albums haben also weniger Singer-Songwriter-Intimität als gewohnt. Aber nicht wegen der Musik, sondern weil sie sich nach Jahren auf Tour nach einem festen Wohnsitz sehnte, war ihr die Westküste perfekt erschienen: In Ruhe gelassen und trotzdem freundlich behandelt werden; gutes Wet¬ter; rumfahren, in kleinen Städten absteigen und im nächsten veganen Café interessante Typen treffen.
    "Unweigerlich kam irgendjemand und sprach mich an. "Was machst du denn hier ganz allein? Ah, du bist aus England ...." Und am Ende lernt man jemanden für einen Abend oder eine Nacht gut kennen. Manchmal auch auf romantische Art, aber meistens eher nicht. Ich glaube, wenn man in einem so gewaltigen Land lebt, dann will man seine Geschichte erzählen. Und ich hab das geliebt: diese ganzen Geschichten zu hören - ohne meine eigene erzählen zu müssen!"
    Konkrete Exilerlebnisse
    In den Songlyrics steckt viel Verwirrung und Fremdheit, aber darüber, meint Laura Marling, hätte sie auch anderswo geschrieben: Das sei eine Lebensphase, und sie verstehe die Welt nun mal nicht. Ein paar konkrete Exilerlebnisse finden sich trotzdem in den Texten und mehr noch in den Texturen der Musik.
    "Wenn man in L.A. ist oder überhaupt viel Auto fährt - dieser Klang der Freeways ist überwältigend. Die ganze Nacht fliegen Helikopter herum, man fühlt sich beobachtet. Deswegen ziehen sich atonale Streicherklänge durch das ganze Album, zum Teil kaum hörbar. Und es gibt einen Song wie "False Hope", den ich unter dem Eindruck von Hurrikan Sandy in New York geschrieben habe. Das war mein eindrücklichstes Erlebnis überhaupt, und dabei hatte ich ja Glück, mir ist nichts passiert. Aber in dieser metallenen Stadt zu sein, und dann kommt dieses Chaos, vor dem alle hilflos sind - für mich hatte das einen Ton, einen chaotischen Ton."
    Produziert hat Laura Marling diesmal selbst: Sie habe genau gewusst, sagt sie, wie alles klingen sollte. Was sie lernen musste, war: führen. Etwa als sie lauter befreundete Musiker die erwähnten Streicherparts einspielen ließ:
    "Ich wollte, dass sie ihre Parts spielen, ohne den Rest des Songs zu hören, und nur mit Dynamik, nicht melodisch. Dafür musste ich ihnen eine gewisse Sicherheit vermitteln, sodass keiner Angst hatte, sich zu blamieren. Ich musste gut auf ihr Ego achtgeben. Und begriff dabei, dass sich in der Vergangenheit andere Produzenten genauso um meines gekümmert haben..."
    Typisches leises Charisma
    Trotz der kleinen Veränderungen: "Short Movie" glänzt wieder mit dem typisch leisen Charisma, das Laura Marling übrigens auch im Gespräch ausstrahlt, und mit diesem eigenwilligen, komplexen Songwriting, das sich nicht immer ums übliche Strophe-Refrain-Schema schert und ihr von Anfang an Kritikerlob und Award-Nominierungen eintrug. Ist das wichtig als Bestätigung?
    "Meine Mama erzählt mir immer, wenn sie was gelesen hat - auch wenn ich es nicht hören will. Ich lebe da lieber in seliger Unkenntnis. Aber egal, was geschrieben wird - ich mache weiter. Und erreiche mit jedem Album neues Gelände. Das Wichtige ist, dass Leute zuhören. Darum geht es. Und es bedeutet viel, verstanden zu werden. Wenn mir nach einem Auftritt Leute erzählen, ich hätte etwas verstanden, was sie erlebt haben. Das ist eine gute, menschliche Sache."