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Neues Buch
Anleitung zum richtigen Studieren

Das Buch "Wir werden zu Tode geprüft" des Professors Birger Priddat ist eine Anleitung, wie man trotz des straffen Stundenplans, der durch die Bachelor- und Masterstudiengänge vorgegeben wird, kreativ studieren kann.

Von Andrea Groß | 22.09.2014
    Manche Thesen hören sich furchtbar banal an: Statten Sie der Uni Ihrer Wahl einen Besuch ab. Nehmen Sie Kontakt zu Ihren künftigen Professoren auf. Andererseits äußert Birger Priddat auch unorthodoxe Überlegungen. Zum Beispiel, dass man zur Studienfinanzierung durchaus das elterliche Erbe in Erwägung ziehen sollte. Oder den sehr konkreten Rat, dass es spätestens nach einem Jahr Zeit ist, die Reißleine zu ziehen, wenn man bis dahin keinen Geschmack am Studieren gefunden hat. Insgesamt ist Priddats Handlungsempfehlung eine kurzweilige, mit vielen Beispielen aus einem erfüllten Wissenschaftlerleben gespickte Lektüre.
    "Mir geht es darum, dass man herausfindet: Was will ich eigentlich? Und das durchzusetzen. Notfalls partisanenartig. Quer zu den Strukturen. Alle anderen, die sozusagen mal schnell eine Karriere machen wollen und ein Zertifikat haben wollen, die werde ich ja nicht betören können."
    Was Priddat unter Partisanentum versteht, wird deutlich, wenn er über eine seiner zentralen Forderungen schreibt: Nehmen Sie sich Zeit. Man könne, wenn man sich zu einer Arbeitsgruppe von vier Leuten zusammen tut, vier Seminare gleichzeitig besuchen. Zum Mittagessen, zum Abendessen oder am Wochenende trifft die Gruppe sich dann, um die Ergebnisse auszutauschen. Schon hat man Zeit gewonnen für Vorlesungen oder Seminare, die vielleicht gar nicht auf dem Studienplan stehen. An der Universität Witten-Herdecke wird von den Studierenden solche Eigeninitiative geradezu erwartet. Levka Meier, die hier Wirtschaftswissenschaften studiert hat, hat das sehr genossen:
    "Besonders begeistert haben mich die Fächer, die ich mir selber aussuchen durfte, und die Bereiche, die ich selber vertiefen konnte. Und ich glaube, da bin ich auch wirklich gut geworden, in den Bereichen. Das Andere ist ein oberflächlicher Überblick über Dinge, die man mal gehört haben sollte, die man aber nicht anwenden kann, wenn man sie nicht irgendwie in der Praxis gemacht hat. Ich glaube, dass man viel mehr lernt durch Machen als durch Auswendiglernen."
    Vielen Studenten fehlt es an Risikobereitschaft
    Projekte ins Leben rufen, Sprachen lernen, ins Ausland gehen, möglicherweise ein Unternehmen gründen und auch mal erkennen, dass man den falschen Weg eingeschlagen hat - solche Dinge sind für Studierende in Witten-Herdecke selbstverständlich. Viele Studierende, so die These von Birger Priddat, fühlen sich dadurch aber aufgehalten auf ihrem möglichst schnellen und effizienten Weg in einen Job. Das sei aber Unsinn:
    "Die Leute gehen doch alle nachher in Führungspositionen. Die müssen doch selbstbewusst und bestimmt sein und einen weiten Blick haben. Ich nenne das immer: Die Navigation öffnen. Lernen, wie man selbstbewusst wird. Wie man Charakter entwickelt."
    Ein durch Praxiserfahrung gereifter Bewerber macht auf seinen künftigen Arbeitgeber wahrscheinlich einen besseren Eindruck, als wer sein Studium besonders schnell heruntergerissen hat. Das leuchtet eigentlich allen befragten Studierenden ein. Dennoch scheitert es manchmal an der Risikobereitschaft - wie bei dieser Studentin der Kunstgeschichte an der Bochumer Ruhruniversität:
    "Eigentlich klingt das für mich ganz logisch, dass man jemanden haben möchte, der Erfahrung hat, der eine ausgeglichene Person ist und nicht dann sofort vielleicht Burnout bekommt, weil er sich nie die Zeit genommen hat. Trotzdem habe ich immer diese Angst, dass dann doch lieber jemand bevorzugt wird, der sofort schnell durchstudiert hat und einen Superschnitt hat, als derjenige, der sich noch selbst Zeit für sich genommen hat."
    Nicht abhängen und Party machen
    Damit kein Missverständnis aufkommt: Sich Zeit für das Studium nehmen, heißt für Birger Priddat nicht abhängen und Party machen. Sondern die Anregungen, die eine Universität bietet, annehmen und sich selbst welche suchen. Darüber schreiben und diskutieren:
    "Sei konsequent. Arbeite jeden Tag. Das heißt ja nicht, dass man nicht Sport, Freundschaft, Essen, Lust und Liebe machen kann. Aber ich würde sagen, immer so einen 3-Stunden-Takt unabhängig von den Seminaren, wo man immer an den Sachen dran ist. Und vor allem: Lies mehr, als dir gegeben wird."
    Das Studium ist der letzte große Abenteuerspielplatz im Leben - das sehen auch viele Studenten so. Wenn nicht jetzt etwas ausprobieren - wann dann. Aber das erfordert Mut, Entschlossenheit und Zeit, sagt dieser Jurastudent an der Universität Bochum:
    "Klar, es gibt megaviele Veranstaltungen. Das Angebot ist ziemlich groß. Gerichtsmedizin für Juristen, historische Veranstaltungen, die man besuchen könnte. Aber der Simultanplan und die Veranstaltungen unter der Woche lassen es eigentlich nicht zu. Das Interesse ist auf jeden Fall da, aber die Termine passen eigentlich nicht."