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Neues Friedenssymbol
"Es fehlt die thematische Zuspitzung"

Taube, Peace-Zeichen, Regenbogen - es gibt reichlich Friedenssymbole. Die Schirn Kunsthalle Frankfurt hat dennoch ein neues gesucht und gefunden: einen schlichten, blauen Punkt. Der Friedensaktivist Phillip Ingenleuf vermisst im Dlf die "Verbindung zum Frieden und zur Praxis".

Philipp Ingenleuf im Gespräch mit Ulrich Biermann | 29.06.2017
    Ein blauer Punkt auf weißem Hintergrund.
    Der Gewinner-Entwurf des Wettbewerbs für ein neues Friedens-Zeichen: Ein blauer Punkt, eingereicht von Bekata Ozdikmen und Paul Müller. (Schirn Kunsthalle Frankfurt / Bekata Ozdikmen und Paul Müller)
    Ulrich Biermann: Wie geht Frieden? Das fragt die Schirn Kunsthalle Frankfurt in einer Ausstellung ab Freitag mit Werken internationaler Künstlerinnen und Künstler. Und um nicht in alten Ansätzen und Diskussion stecken zu bleiben, fing man gleich mal ganz prinzipiell an und fragte nach einem neuen Friedenslogo. Es gab diverse Einsendungen - und in Zukunft also keine Regenbogenfahne mit Pace oder Peace, kein Peace-Zeichen, keine Taube - sondern was ganz Neues. Wissen Sie was das Neue ist, Phillip Ingenleuf?
    Phillip Ingenleuf: Ja, ich war selber etwas überrascht, als ich die Auswahl gesehen habe. Es wurden ja über 600 Symbole eingesendet. Und dieses neue gewählte Friedenssymbol soll nun ein blauer Punkt sein. Und auf der ersten Blick habe ich mich da natürlich gefragt: Wo ist da überhaupt die Verbindung zur Bewegung, also zur Friedensbewegung?
    Ein bisschen wie die Firma Blaupunkt
    Biermann: Klingt ein bisschen nach blauer Tonne, oder?
    Ingenleuf: Ja, und es klingt auch ein bisschen nach Firma Blaupunkt.
    Biermann: Noch böser.
    Ingenleuf: Das Logo ist ja eins zu eins das gleiche. Mir fehlt da total die Verbindung zum Frieden und zur Praxis.
    Biermann: Philipp Ingenleuf, willkommen zum Corso-Gespräch, vom Netzwerk Friedenskooperative in Bonn. Da sind Sie hauptamtlich tätig. Die Ausstellung fragt ja: Wie geht Frieden eigentlich? Eine Frage, die wir brauchen?
    Ingenleuf: Ja, definitiv. Also wir merken es immer mehr. Die Leute kommen sozusagen zurück. Sie besinnen sich darauf, wie wichtig das Thema Frieden ist in Zeiten von Trump. Vor allen Dingen in Zeiten, wo in Syrien, aber auch im Jemen und in anderen Ländern Kriege sind. Flüchtlinge deswegen nach Deutschland kommen und nach Europa. Und den langen Weg von dort hierhin wagen. Unter Lebensgefahr.
    Biermann: Frieden ist wichtiger geworden, sagen Sie. War der nicht immer wichtig?
    Ingenleuf: In den 80er Jahren war natürlich diese existenzielle Bedrohung da, durch den Kalten Krieg, durch die Atomwaffen. Und das hat Hunderttausende auf die Straße getrieben. Und die Friedensbewegung hat danach, nach Ende des Kalten Krieges, abgenommen. Aber wir merken jetzt, dass es wieder zunimmt.
    "Schwieriger geworden, die Massen zu mobilisieren"
    Biermann: Aber Sie werden heute nicht 300.000 Leute im Bonner Hofgarten zusammenkriegen oder vor dem Kanzleramt in Berlin.
    !Ingenleuf:!! Das sicherlich nicht. Dafür fehlt die thematische Zuspitzung, die es ja in den 80er Jahren gab. Heutzutage ist es so, dass sehr viele verschiedene Themen die Friedensbewegungen beherrschen und dadurch ist es ein bisschen schwieriger geworden, die Massen zu mobilisieren.
    Biermann: Woran liegt das? Liegt das daran, dass es eine Generation von jungen Leuten gibt, die wirklich weder politisch - zumindest hier in Europa - größtenteils keine Bedrohunge erlebt haben, auch kein Szenario von Bedrohung, die einfach in Frieden aufgewachsen sind?
    Ingenleuf: Ja, sicherlich. Das ist einer der Hauptgründe. Diese Angst vor Krieg - die neuen Generationen kennen das nicht mehr.
    Biermann: Sie aber auch nicht und Sie sind trotzdem aktiv.
    Ingenleuf: Das stimmt. Sicherlich bin ich auch geprägt durch meinen Opa, der im 2. Weltkrieg war und das hat ihn auch sehr traumatisiert. Das war auch einer der Gründe, warum ich meinen Zivildienst geleistet habe. Und ich bin auch politisiert worden natürlich durch die Anschläge 2001 und den darauffolgenden Krieg in Afghanistan. Die Proteste im Vorfeld des Irak-Krieges. Und dafür ist auch die breite Masse dann auf die Straße gegangen.
    Philipp Ingenleuf arbeitet hauptamtlich für das Netzwerk Friedenskooperative
    Philipp Ingenleuf arbeitet hauptamtlich für das Netzwerk Friedenskooperative (Philipp Ingenleuf / Netzwerk Friedenskooperative)
    Biermann: Stichwort breite Masse. Wie erreichen Sie die? Sie sagen es ist schwierig, jetzt wissen wir soziale Netzwerke sind ganz wichtig geworden. Internet, Digitales, Twitter, Facebook, pi-pa-po. Nutzen Sie das?
    Ingenleuf: Soziale Medien sind ein ganz wichtiger Kommunikationskanal geworden in der Friedensbewegung. Es hat etwas länger gedauert, weil natürlich die Skepsis groß war, aber in den letzten Jahren haben eigentlich alle Organisationen in der Bewegung - und auch wir benutzen das sehr stark - Facebook und Twitter benutzt. Und dadurch ist es uns auch wieder möglich geworden, einen viel größeren Kreis zu erreichen.
    "Friedensbewegung ist ein sehr schwieriges Thema"
    Biermann: Jetzt stellen Sie sich vor, soziale Netzwerke nutzen Emojis. Das Peace-Zeichen gibt's als Emoji. Der Blaue Punkt als Emoji. Vorstellbar?
    Ingenleuf: Ich kann es mir momentan nicht vorstellen. Also es ist sehr wichtig, dass es Symbole gibt. Das ist ja auch eine Art Wiedererkennungswert. Aber das entsteht natürlich auch immer in einem gewissen Diskurs, also wenn sich neue Kampagnen bilden in der Friedensbewegung ist das natürlich immer ein ganz, ganz großes Thema - und auch ein sehr schwieriges Thema. Ich kann mich an Diskussionen erinnern, die haben Wochen gedauert, bis man ein passendes Symbol gefunden hat.
    Biermann: Stichwort Kampagne. Sie sind seit letztem Jahr Koordinator der Kampagne "Macht Frieden - Zivile Lösungen für Syrien". Wie gestaltet man eine solche Kampagne?
    Ingenleuf: Das ist ein langer Prozess. Der braucht sehr viel Vorlauf. Also wir hatten für die Kampagne zum Beispiel, ich glaube, sechs bis acht Monate Vorlauf und haben versucht, ein Netzwerk aufzubauen, also einen Trägerinnenkreis mit verschiedenen Organisationen aus der Bewegung. Wir haben versucht, Aktive zu finden, die dort mitarbeiten wollen. Und dann ist es natürlich auch so, dass auch die Inhalte ausgelegt werden müssen. Und natürlich müssen dafür auch passende Bilder und Symbole gefunden werden. Ein Logo muss gefunden werden. Die Kampagne "Macht Frieden" richtet sich unter anderem auch an die Mitglieder des Bundestages. Die Kampagne hat starke Lobbyelemente. Und daher haben wir in der Gemeinschaft beschlossen, dass es ein Logo gibt, wo das Parlament nachgebildet wird. Es sieht ein bisschen so aus wie eine Sonne, aber es soll das Parlement des Bundestages abbilden.
    "Das Thema Frieden ist doch sehr kontrovers"
    Biermann: Wenn Sie solche Kampagnen planen, welche Rolle spielt Kultur dabei, Kulturschaffende?
    Ingenleuf: Kulturschaffende spielen eine sehr große Rolle, das haben sie schon immer gespielt. Wir haben zum Beispiel bei der Kampagne "Atomwaffenfrei jetzt" am 15. Juli in Büchel einen Aktionstag. Dort sind 20 US-Atomwaffen noch immer stationiert, wo wir den Abzug fordern. Und da wird es zum Beispiel ein Kulturevent geben, bei dem Bands aus der Region spielen, aber auch Konstantin Wecker. Und solche Prominenten sind natürlich immens wichtig für die Mobilisierung.
    Biermann: Also doch wieder die alten Verdächtigen, oder?
    Ingenleuf: Ja, in dem Fall die alten Verdächtigen. Aber es ist für Friedensbewegung heutzutage doch schwierig, zum Beispiel Musiker aus dem Mainstream für sich zu gewinnen. Wahrscheinlich weil das Thema Frieden doch sehr kontrovers ist. Es gibt ja auch positive Beispiele wie die Toten Hosen, die sich gegen Rassismus einsetzen oder Jan Delay oder Beatsteaks, die sich für Oxfam engagieren. Aber für die Friedensbewegung ist es dann doch schwierig, größere Künstler zu finden.
    Biermann: Philipp Ingenleuf, Herzlichen Dank. Vom Netzwerk Friedenskooperative in Bonn über ein neues Friedenssymbol, das die Schirn Kunsthalle in Frankfurt gesucht und gefunden hat anlässlich ihrer Ausstellung: "Peace". Danke für das Gespräch.
    Ingenleuf: Vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.