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Neues Gesetz
Hass und Hetze im Netz jetzt konsequenter strafbar

Seit Jahren schon macht die Politik Druck auf Online-Netzwerke, schneller und konsequenter Gewaltdrohungen und Hass-Kommentare zu löschen. Jetzt wurde das Gesetz dazu im Bundestag verabschiedet. Kritiker warnen vor Gefahren für die Meinungsfreiheit.

Von Falk Steiner | 30.06.2017
    Computertaste mit der Aufschrift Hate speech, Hassreden in sozialen Netzwerken.
    Jetzt ist das Gesetz durch: Betreiber von Onlineplattformen müssen Regeln einhalten, wenn es um Prüfung und Beseitigung strafrechtlich relevanter Inhalte geht. (imago / Christian Ohde)
    Auf den allerletzten Drücker haben die Koalitionsfraktionen heute das Gesetz zur besseren Durchsetzung des Strafrechts durch Betreiber von Onlineplattformen wie Facebook, Twitter oder Youtube beschlossen.
    Heute, am letzten regulären Sitzungstag des Bundestages, debattiert dieser abschließend über ein Gesetz, für das Justizminister Heiko Maas, SPD, erst im April den Entwurf vorgelegt hatte. Und Maas, dessen Gesetz mehrfach fast vor dem Scheitern stand, ist sich ganz sicher:
    Internet nicht länger rechtsfreier Raum
    "Es geht heute nicht nur um ein bisschen Regulierung, um ein paar mehr Compliancevorschriften, es geht um eine Grundsatzentscheidung für das digitale Zeitalter. Damit das Internet nicht länger ein rechtsfreier Raum bleibt, müssen wir Recht und Gesetz auch endlich im Netz durchsetzen…"
    Betreiber von Internetplattformen mit mehr als zwei Millionen registrierten Nutzern in Deutschland werden künftig dazu verpflichtet, bestimmte Regeln für Beiträge auf ihren Seiten einzuhalten, wenn es um die Prüfung und Beseitigung strafrechtlich relevanter Inhalte geht. Kommen sie diesen Pflichten nicht nach, drohen ihnen empfindliche Bußgelder.
    "Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. In einer offenen Gesellschaft, in einer Demokratie, da sind Streit und Debatte völlig unverzichtbar. Und zur Meinungsfreiheit gehören, ja, auch hässliche Äußerungen. Das muss jeder ertragen können in einem freien Land. Aber die Meinungsfreiheit endet eben da, wo das Strafrecht beginnt und deshalb ist die Einhaltung von Recht und Gesetz kein Angriff, sondern die Garantie für die Meinungsfreiheit und darum geht es in diesem Gesetz."
    Sehr schwierige rechtliche Entscheidungen
    Genau da aber beginnt für die Opposition das Problem. Dass vordergründig eindeutig rechtswidrige Inhalte binnen 24 Stunden zu löschen sind und in schwierigen Fällen binnen sieben Tagen über sie entschieden werden muss, auch bei Übertragung an eine neu zu schaffende Einrichtung der regulierten Selbstregulierung, die für mehrere Betreiber gemeinsam die Prüfungen übernehmen kann, das kritisiert Petra Sitte, parlamentarische Geschäftsführerin der Linken im Bundestag:
    "Damit werden den Plattformen teils sehr schwierige rechtliche Entscheidungen auferlegt. Rechtliche Entscheidungen, bei denen eigentlich nur die Löschung am selben Tag tatsächlich Sanktionsfreiheit garantiert. Dass sie im Zweifel auch rechtmäßige Inhalte sicherheitshalber löschen, das liegt doch auf der Hand."
    Linken-Politikerin Sitte hätte gerne mehr Zeit gehabt
    Eigentlich müssten solche Prüfungen Sache der Justiz sein, sagt Sitte, und hätte gerne mehr als nur die vergangenen zwei Monate gehabt, um über einen konkreten Gesetzentwurf und die Konsequenzen zu debattieren. Die CDU-Abgeordnete Nadine Schön will das Argument nicht gelten lassen:
    "Natürlich, liebe Kollegin Sitte, ist Strafverfolgung eine Sache der Justiz. Und natürlich braucht es auch eine lebendige Zivilgesellschaft um Hetze, Hass, Verleumdung im Netz zu begegnen. Das ist völlig unbestritten. Aber doch schon heute haben Plattformbetreiber die Pflicht, strafbare Inhalte von ihren Seiten zu löschen."
    Die Koalitionsfraktionen, insbesondere die Netzpolitiker der Fraktionen, hatten in den vergangenen Wochen noch umfangreiche Änderungen an dem Gesetzentwurf vorgenommen. Einige der Regelungen wurden zudem entschärft, insbesondere ein darin formulierter, räumlich unbeschränkt gültiger Sperr- und Löschanspruch wurde ersatzlos gestrichen. Nur einer von vielen Gründen, warum in anderen Ländern sehr genau auf das deutsche Gesetz geschaut wurde, wie die grüne Rechtsausschussvorsitzende Renate Künast berichtet – auch in Diktaturen würde das Gesetz als Vorwand für eigenes Handeln genommen.
    AfD will Verfassungsbschwerde prüfen lassen
    Sie ist vom Ergebnis nicht überzeugt: "Dieses Gesetz entspricht nicht unseren Vorstellungen. Ich habe immer noch das Gefühl, dass der Reiz zu löschen größer ist als der Reiz, das Recht und die Meinungsfreiheit einzuhalten. Und ich habe das sichere Gefühl, dass wir eine Diskussion hätten haben müssen, wie wir die Gesellschaft aufstellen und wir uns gemeinsam für die Würde des Menschen und den Respekt einsetzen. Das ist noch die Aufgabe für die nächste Wahlperiode."
    Dass dann wieder über das Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu sprechen sein wird, darin waren sich an diesem letzten Plenumstag des 18. Bundestages alle einig. Bei den Debatten im Bundestag ist dann vielleicht auch dabei: die Alternative für Deutschland, AfD. Die kündigte heute an, eine Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz prüfen zu wollen.