Mittwoch, 24. April 2024

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Neues Gorillaz-Album
"Eine Art musikalisches Speed Dating"

Bei der Arbeit an dem Gorillaz-Album "Humanz" habe er sich vorgestellt, dass Donald Trump US-Präsident werden würde und "wir dann alle unsere Menschlichkeit verlieren und zu digitalen Geistern werden", sagte Sänger Damon Albarn im DLF. Gastmusiker wie Grace Jones und De La Soul haben an dem düster-apokalyptischen Album mitgewirkt.

Damon Albarn im Corsogespräch mit Amy Zayed | 22.04.2017
    Screening des Oscar-nominierten Films "The Salesman" in London am 26.2.2017. Damon Albarn, Blur-Sänger, gemeinsam mit dem Orchestra of Syrien Musiciens vor der Vorführung des Films.
    Gorillaz-Mastermind und Blur-Frontmann Damon Albarn hätte besser aufhören sollen mit der Arbeit an "Humanz" - vielleicht wäre Donald Trump dann nicht US-Präsident geworden, sagte Albarn im DLF. (imago/ZUMA Press/Stephen Chung)
    Amy Zayed: Als sie sich überlegt haben, ein neues Gorillaz-Album aufzunehmen, war das Konzept schon klar oder ist es eher langsam gewachsen?
    Damon Albarn: Es gab nur ein vages Konzept. Ich habe mir vorgestellt, wie die nahe Zukunft aussehen würde und wie es wäre, wenn Donald Trump die Präsidentschaftswahlen in den USA gewinnt. Und wie es wäre, wenn wir dann plötzlich alle unsere Menschlichkeit verlieren und zu digitalen Geistern werden.
    "Es gibt keinen Plan, wenn ich ein Gorillaz-Album mache"
    Zayed: Und so kam es auch. Donald Trump ist Präsident. Wurde Ihre Prophezeiung ein Stück weit Realität?
    Albarn: Ich habe mir oft, während ich das Album gemacht habe, gedacht: Vielleicht sollte ich besser damit aufhören?! Sonst wird das alles noch Realität! Es passiert mir nämlich öfter, dass ich mir Dinge vorstelle, die dann tatsächlich wahr werden. Ich setze mich hin, denke über die Zukunft nach - und manchmal sehe ich bestimmte Dinge, die da kommen. Wenn man eine Platte macht, denkt man erst gar nicht darüber nach, dass die Welt eine andere sein wird, wenn das Album schließlich herauskommt.
    Zayed: Sind denn alle Songs zur gleichen Zeit entstanden?
    Albarn: Nein, eigentlich nicht. Sie waren alle irgendwie in der Essenz schon da, aber es gibt keinen Plan, wenn ich ein Gorillaz-Album mache. Ich wusste anfangs auch gar nicht, mit wem ich zusammen arbeiten würde. Das hat sich ergeben, als ich die Platte produziert habe. Ich hatte 40 oder 50 Leute im Kopf, mit denen ich gern produzieren würde.
    "Ein ähnlicher Blick auf die Welt und Sympathie füreinander"
    Zum Beispiel beim Song "Halleluja Money" mit Benjamin Clementine wollten wir ursprünglich auch noch Rick Ross dabei haben. Der hätte dem Stück eine ganz andere Wendung gegeben und es wäre interessant gewesen, diese beiden musikalischen Seiten zusammen zu bringen. Aber irgendwie hatte Rick Ross nie Zeit, etwas aufzunehmen – und so wird der Song nun zum Großteil von Benjamin gesungen und ein bisschen von mir.
    Es gibt auf der Platte das Stück "Circle of Friends" – es ist ein Mini-Song, der eigentlich hätte länger werden sollen und den ich mit Morrissey aufnehmen wollte. Aber mit dem hab ich nur ein paar lächerliche E-Mails ausgetauscht, und dann hatte er keine Lust mehr. Auch Dionne Warwick wollte ich dabei haben. Ich habe ihr den Song auf dem Piano vorgespielt und schnell war klar, dass sie nicht mitmachen würde. Manchmal funktioniert es, und manchmal eben nicht! Das Einzige, was mir bei den Leuten, mit denen ich zusammenarbeite, wichtig ist: Dass wir einen ähnlichen Blick auf die Welt haben und eine gewisse Sympathie füreinander. Irgendwie habe ich gedacht, dass der Morrissey und ich ein bisschen ähnlich ticken, aber: Hey, der hat ja noch nie mit irgendwem zusammen gearbeitet! Bei Sade war es ähnlich! Ich habe so sehr darauf gehofft, dass die mitmacht - aber nein! Es macht aber auch nichts, denn erstens: gibt es immer jemand anderen. Und zweitens: Ich kann es auch immer selbst machen. Am Ende bin ich wieder zur Ursprungsidee zurückgegangen und habe den Song allein gesungen.
    Hier können Sie das Corsogespräch mit Damon Albarn auch im englischen Originalton nachhören .
    Zayed: Wie funktioniert die Zusammenarbeit bei den HipHop-Tracks mit Pusha T oder D.R.A.M.. Schreiben Sie deren Rap-Passagen?
    Albarn: Nein, das ist nicht mein Gebiet, auch wenn ich den Rap liebe. Ich versuche keine Parts für andere zu schreiben. Erstens nimmt mir das die Arbeit ab. Und zweitens macht es mehr Spaß, wenn man zusammen arbeitet: Wenn sich viele Köpfe einbringen, ergibt das einen kaleidoskopischen Blick.
    Zayed: So wird das Stück dann auch zu deren Song.
    Albarn: Genau! Ich habe kürzlich mit Mura Masa zusammen komponiert, es war ein toller Popsong. Er wollte, dass ich den Part singe, den er geschrieben hatte. Aber ich wollte bei meinem eigenen Part bleiben - und jetzt ist der Song besser als vorher. Es ist auch eine Art Respekt. Sonst kopiere ich doch nur Rihanna oder Justin Bieber. Bei mir funktioniert es immer so: Ich schreibe den Leuten zuerst einen handschriftlichen Brief, und wenn sie drauf antworten, telefonieren oder skypen wir. Und dann erst kommt es zum eigentlichen Akt. Es ist eine Art musikalisches Speed Dating.
    Festival "Demon Days" im englischen Küstenort Margate
    Zayed: Sie veranstalten Anfang Juni ihr erstes Festival: "Demon Days", benannt nach dem zweiten Album der Gorillaz. Wird das ein weiteres Festival sein, wie es sie schon zuhauf gibt, oder ist es in irgendeiner Form anders?
    Albarn: Ich organisiere das Festival nicht alleine. Dahinter steckt dieselbe Organisation, die auch Banksys satirischen Freizeitpark "Dismaland" betrieben hat. Das Festival wird an der Küste in Margate stattfinden, ebenfalls in einem bekannten, alten Freizeitpark aus den 60er-Jahren. Und Margate hat seinen Charme - ein bisschen wie Brighton.
    Zayed: Zum Album "Humanz" gibt auch eine App – was soll sie bringen, welche Funktion hat sie?
    Albarn: So richtig hab ich das auch nicht verstanden. Ich selber habe nämlich noch ein altes 90er-Jahre-Handy mit echten Tasten und so.
    Zayed: Was steht denn nach den Gorillaz an? Wieder ein Projekt mit "The Good, the Bad & the Queen”, vielleicht?
    Albarn: Genau! Das Album ist schon dreiviertel fertig. Ich freu mich drauf!