Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Neues Hochschulgesetz
"Wir geben den Doktoranden eine Stimme"

"Unsere Hochschulen brauchen eine selbstbewusste Führung", erklärt Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) im Dlf. Ihr neues Hochschulgesetz will dieses Ziel auf zwei Wegen erreichen: Es ermöglicht, Professoren, ihre Rektoren abzuwählen und räumt Doktoranden mehr Mitspracherecht ein.

Theresia Bauer im Gespräch mit Manfred Götzke | 19.09.2017
    Die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Bündnis 90 / Die Grünen)
    Will Doktoranden die Möglichkeiten geben, sich in die Hochschulpolitik einzubringen: Theresia Bauer (dpa/ picture-alliance/ Bernd Weißbrod)
    Erst vor einem halben Jahr hatte Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer bundesweit für Furore gesorgt mit dem Tabuthema Studiengebühren. Sie hat als erstes Bundesland die Campus-Maut wieder eingeführt, und zwar als Ausländer-Maut für Studierende aus Nicht-EU-Ländern. Heute präsentiert die Ministerin wieder ein bundesweites Novum in der Hochschulpolitik: Sie will den Doktoranden mehr Macht geben und ein Misstrauensvotum gegen Hochschulrektoren einführen. Und Theresia Bauer ist jetzt am Telefon, hallo!
    Theresia Bauer: Guten Tag!
    Manfred Götzke: Frau Bauer, mit ihrem neuen Hochschulgesetz bekommen Professoren das Recht, per Urwahl ihre Rektoren abzuwählen. Sind Ihnen die Rektoren zu mächtig geworden?
    Bauer: Nein ganz im Gegenteil! Ich lege großen Wert darauf, dass wir starke und handlungsfähige Rektorate haben, auch in Zukunft, und keine schwachen und ängstlichen Rektoren. Das können wir nicht brauchen. Unsere Hochschulen entwickeln sich dynamisch im internationalen Wettbewerb, deswegen brauchen wir Institutionen, die selbstbewusst sind. Die brauchen auch eine selbstbewusste Führung. Ich habe aber ein Verfassungsgerichtshof-Urteil in Baden-Württemberg umzusetzen, das in der Balance zwischen individueller Wissenschaftsfreiheit des einzelnen Professors und der Freiheit oder den Spielräumen der Institution als Ganzes eine Korrektur von uns abverlangt hat.
    Götzke: Also deswegen wieder etwas weniger Macht für die Rektoren.
    Bauer: Also, das Gericht hat uns im Prinzip - ich sag's mal einfach - vor eine Alternative gestellt: Entweder weniger Kompetenzen beim Rektorat und mehr im Senat. Oder, wenn man die Rektorate stark belässt, dann muss es für den Fall einer tiefen Vertrauenskrise eine Möglichkeit geben, dass die Professorenschaft alleine, ohne Beteiligung von irgendeiner anderen Mitgliedergruppe, diesen Rektor abwählen kann.
    "Universitäten müssen sich verändern"
    Götzke: Warum war Ihnen die Stärkung der Rektorate so wichtig?
    Bauer: Ich glaube, dass Institutionen, große Institutionen wie Universitäten, die in einer solchen dynamischen Welt die klügsten Köpfe einziehen müssen, Forschungsprojekte aufsetzen müssen, sich auch verändern können müssen, Profile ausbringen müssen, die brauchen eine Leitung, die in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen, die auch nicht immer ganz einfach sind. Es ist eben eine Universität nicht nur eine Ansammlung von vielen Individuen, sondern das ist ein eigener Organismus, der gemeinsam handeln muss.
    "Ein Prozess, der Verständigung voraussetzt"
    Götzke: Jetzt gibt es eben dieser Abwahl-Möglichkeit per Urwahl. Werden die nicht deutlich dadurch geschwächt, die Rektorate, also wenn die Professoren sagen können: nee das wollen wir so nicht?
    Bauer: Sagen wir mal, was wäre die Alternative gewesen? Die Alternative wäre ein Abwahl-Mechanismus aus dem Senat heraus für die im Senat vertretenen Professoren. Das wäre eine kleine Gruppe, eine Handvoll von Professoren gewesen, die eine solche Abwahl hätten durchführen können. Das ist, glaube ich, viel schwieriger, sozusagen, für Rektoren damit umzugehen. Das ist sozusagen der einfachere Mechanismus. Und wir wollten in der Tat die Hürde höher legen, einen Prozess aufsetzen, der eine Verständigung der Hochschule voraussetzt, auch Anhörungen und Möglichkeiten, sich gut zu überlegen, ob man seinen Rektor loswerden will oder einen Neuanfang wagen will. Also, die Hürde ist bewusst sehr hoch gelegt worden und nicht niedrig, um die Rektorate zu stärken.
    Götzke: Zweiter Punkt in ihrer Gesetzesnovelle ist die Stärkung der Doktoranden in der Hochschulpolitik. Sie sollen künftig mehr Mitspracherechte als eigene Gruppe im Senat der Hochschule bekommen. Warum war ihm das wichtig?
    "Jungen Wissenschaftlern mehr Gewicht geben"
    Bauer: Ja, in der Tat geht es hier ja um die Gruppe der nächsten Generation der Wissenschaftler. Diejenigen, die die erste eigenständige, wissenschaftliche Arbeit machen, sind erstens in einer entscheidenden Phase, was Umgang mit Wissenschaft angeht. Sie haben eine eigene Perspektive, eine Sicht auf die Dinge, ohne vielleicht, sagen wir mal, schon betriebsblind zu sein. Sie sind aber auch enorm wichtig für die Qualität der Forschungsarbeiten in den Universitäten. Und wir wollen diesen jungen Blick auf Wissenschaft sehen, und wir wollen ihnen mehr Gewicht geben. Bislang ist es ja so, dass sie in den anderen Mitgliedergruppen irgendwie mitlaufen, also als Minderheit in der Gruppe der Studierenden und als Minderheit in der Gruppe der wissenschaftlichen Mitarbeiter. Wir fassen sie jetzt zusammen und geben ihnen dadurch eine eigene Stimme und ein eigenes Gewicht, weil wir deren Perspektive hören wollen.
    Götzke: Aber haben die Doktoren überhaupt Zeit, zwischen Lehrverpflichtung, Forschung und Arbeit an der Doktorarbeit, sich um Hochschulpolitik dann noch mit zu kümmern?
    Bauer: Diese Frage, die haben wir uns so vor vier Jahren etwa gestellt, als ich in der letzten Legislaturperiode den ersten Schritt in diese Richtung gegangen bin. Wir haben damals, aus Vorsicht auch, weil sie das nicht wussten, haben wir eine weiche Form der Interessenvertretung eingeführt, haben damals Konvente geschaffen. Also einen Ort, wo sich die Doktoranden erstmal finden können und austauschen können und beratend mitwirken können. Aus der Erfahrung dieser Konvente, und natürlich auch in Rücksprache mit denen, die sich da engagieren, haben wir uns jetzt erlaubt, den Mut gefasst, zu sagen: Wir gehen einen Schritt weiter. Denn die Doktoranden wollen sich einbringen. Und deswegen wollen wir ihnen diese Möglichkeit jetzt auch einräumen.
    Götzke: Die Beteiligung der Doktoranden ist, wie ihre letzte Reform, Studiengebühren für Ausländer, Nicht-EU-Bürger, ein bundesweites Novum. Haben die Ministerkollegen in anderen Bundesländern da schon Interesse signalisiert, das vielleicht auch einzuführen, was beide Punkte angeht?
    Bauer: Also bei der Frage der internationalen Studierenden hat ja Nordrhein-Westfalen in der Tat in der Koalitionsvereinbarung beschlossen, dass sie den baden-württembergischen Weg auch einführen werden. Bei der Frage der eigenen Statusgruppe der Doktoranden, naja, wir haben heute morgen beschlossen. Die Telefone klingeln jetzt noch nicht heiß. Aber ich vermute mal, dass sich die Kollegen in den anderen Ländern sich das sehr genau ansehen werden.
    Götzke: Theresia Bauer, Wissenschaftsministerin in Baden-Württemberg, will Doktoranden in der Hochschulpolitik mehr Macht einräumen. Warum, das hat sie uns gerade erklärt. Dankeschön!
    Bauer: Sehr gerne, ciao!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.