Dienstag, 19. März 2024

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Neues Museum in Kapstadt
Afrika in all seiner Vielfalt?

Hohe Ziele steckt sich das neue Kapstädter Museum Zeitz MOCAA: Zugang für alle und Aufwertung der Kunst aus Afrika. Doch es gibt auch Kritik. Mit dem Sammler Jochen Zeitz und dem Direktor Mark Coetzee entscheiden zwei weiße Männer über die Auswahl. Die Reaktionen in der Kulturszene sind gespalten.

Von Leonie March | 21.09.2017
    Das Atrium des neuen MOCAA in Kapstadt
    Das Atrium des neuen MOCAA in Kapstadt (Deutschlandradio / Leonie March )
    Mary Sibande legt ihren Kopf in den Nacken und staunt. Über ihr schwebt die Drachen-Installation ihres Künstlerkollegen Nicholas Hlobo durch das mächtige Atrium des Zeitz MOCAA.
    "Ich war ein paar Mal hier, als alles noch mit Betonstaub bedeckt war und überall gearbeitet wurde. Ich empfinde es als Privileg, dass ich sozusagen die Geburt dieses Museums miterleben durfte."
    Schließlich ist es das erste Mal, dass auf ihrem Heimatkontinent ein zeitgenössisches Museum dieser Größenordnung gebaut wurde. Der ehemalige Getreidesilo wirkt wie ein eigenes Kunstwerk. Denn der britische Star-Architekt Thomas Heatherwick hat nach dem Modell eines Maiskorns aus den mächtigen Betonröhren einen zentralen Raum geschaffen, den er als Herz bezeichnet: "Es hat mich an Petra erinnert, als wir es buchstäblich aus dem Beton herausgemeißelt haben. Allerdings brauchten wir auch rechteckige Galerieräume, denn die vorhandene Röhrenform ist ziemlicher Quatsch, wenn man Kunst ausstellen will."
    Eine Computervisualisierung zeigt einen Querschnitt des neuen Zeitz Museum for Contemporary Art Africa (MOCAA) im südafrikanischen Kapstadt.
    Eine Computervisualisierung zeigt einen Querschnitt des neuen Zeitz Museum for Contemporary Art Africa (MOCAA) im südafrikanischen Kapstadt. (Zeitz MOCAA)
    Von schwarz-weiß bis knallbunt, von jung bis alt
    Gläserne Aufzüge und Wendeltreppen, die wie gigantische Bohrer wirken, führen zu den 80 eher steril gehaltenen Ausstellungsräumen für die zeitgenössische Kunst aus Afrika und der Diaspora.
    Der renommierte Südafrikaner William Kentridge lässt hier eine Prozession aus Tänzern, Skeletten und Flüchtlingen und über die Wände geistern. Nach dieser schwarz-weißen Welt braucht man fast eine Sonnenbrille, um die knallbunten Bilder des 33-jährigen Athi-Patra Ruga zu betrachten: "Für einen jungen Künstler wie mich, ist es wunderschön, meine Werke hier zu sehen, noch dazu in einem eigenen Raum. Es ist großartig, dass meine Neffen und Nichten jetzt wie andere junge Afrikaner in diesem Museum mehr über die Kunst ihres Kontinents erfahren und auch über meine Werke sprechen können."
    Eines der Werke im neuen MOCAA: El Anatsuis "Disolving Continents'"
    Eines der Werke im neuen MOCAA: El Anatsuis "Disolving Continents'" (Deutschlandradio / Leonie March )
    "Ein hehrer Anspruch den gesamten Kontinent zu repräsentieren"
    Viele, auch preisgekrönte Werke, sind bislang noch nie in einem afrikanischen Land gezeigt worden. "Curators at Large" aus Lagos, Harare oder New York sollen Ausstellungen gestalten und Projekte umsetzen. Sie sollen dazu beitragen, dass das Museum seinem hehren Anspruch gerecht wird, das künstlerische Schaffen des gesamten Kontinents und seiner Diaspora zu repräsentieren.
    Die Museumsmacher, Sammler Jochen Zeitz sowie Direktor und Chefkurator Mark Coetzee, reagieren damit auch auf Kritik. Afrikanische Kulturschaffende hatten bemängelt, dass zwei weiße Männer allein über die Auswahl entscheiden. Die südafrikanische Fotokünstlerin Zanele Muholi meint dazu: "Es wird Zeit brauchen, tatsächlich die ganze Bandbreite Afrikas darzustellen. Für mich ist dies nur der Anfang. Wir Künstler werden mit Vorschlägen und Kritik dazu beitragen, dass das Museum nicht nur auf Altbekanntes setzt, sondern wirklich einen neuen Dialog anstößt."
    Ex-Puma-Chef Jochen Zeitz (52) steht vor einer Wand, auf der ein Entwurf des Zeitz Museum for Contemporary Art Africa (MOCAA) zu sehen ist.
    Ex-Puma-Chef Jochen Zeitz (52) steht vor einer Wand, auf der ein Entwurf des Zeitz Museum for Contemporary Art Africa (MOCAA) zu sehen ist. (dpa / picture alliance / Kristin Palitza)
    Zugang für Jedermann und Bildungsprogramme
    Dieser Dialog soll nicht im Elfenbeinturm einer kunstbewanderten Elite stattfinden, so wie manche Kritiker befürchten. Der Zugang soll für Jedermann möglich sein, unter anderem durch freien oder ermäßigten Eintritt und Bildungsprogramme. Aus Sicht der Installationskünstlerin Mary Sibande ist das ein vielversprechender Ansatz: "Der Zugang zu solchen Institutionen ist ein schwieriges Thema in Südafrika. Schließlich waren sie lange nur der weißen Minderheit vorbehalten. Bis heute ist die Hemmschwelle enorm. Es wird interessant sein, was das Zeitz MOCAA tun wird, damit die Einheimischen sich auch trauen, dieses Gebäude zu betreten."
    Das Potenzial des Museums ist enorm, ob es es auch ausschöpfen wird, bleibt für Künstler und Kritiker eine der zentralen Fragen.