Donnerstag, 25. April 2024

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Neues NRW-Bestattungsgesetz
"Eigentlich ein böswilliger Blick auf Menschen"

Ein neues Bestattungsgesetz in Nordrhein-Westfalen reglementiert das Umfeld des Trauernden noch schärfer als zuvor. Der Bestattungsunternehmer David Roth bedauert diesen Hang zur Überregulierung. Menschen müssten immer die Möglichkeit haben, Verantwortung für ihr eigenes Leben zu übernehmen - auch im Tod, sagte er im DLF.

David Roth im Gespräch mit Ulrich Gineiger | 06.10.2014
    Grabsteine auf dem Alten Friedhof von Schwerin, aufgenommen am Donnerstag (16.11.2006). Am Sonntag (19.11.2006) wird in Deutschland der Volkstrauertag begangen. Traditionell wird an diesem Tag zwei Wochen vor dem ersten Advent der Toten beider Weltkriege und der Nazi-Opfer gedacht.
    Grabsteine auf einem Friedhof. (picture-alliance/ dpa-ZB / Jens Büttner)
    Ulrich Gineiger: Wer einen nahen Verwandten verloren hat, der sollte die Freiheit haben, eine Urne etwa im eigenen Garten zu bestatten, oder Zeit und Gelegenheit haben, sich von dem Verstorbenen in den eigenen vier Wänden verabschieden zu können. Doch ein neues Bestattungsgesetz in Nordrhein-Westfalen vollzieht genau das Gegenteil. Es reglementiert das Umfeld des Trauernden noch schärfer als zuvor und mischt sich in die Abläufe der Bestattung auf eine Weise ein, die die Verbraucherinitiative Aeternitas in Königswinter scharf kritisiert.
    Wir sind nun verbunden mit dem Bestattungsunternehmer David Roth in Bergisch Gladbach, ein Unternehmen, das dafür bekannt ist, Behörden dann die Stirn zu bieten, wenn die Reglementierungswut vor Trauernden nicht Halt macht. Guten Tag, Herr Roth.
    David Roth: Guten Tag, Herr Gineiger.
    Gineiger: Herr Roth, wo mischt sich denn der Gesetzgeber nach Ihrer Auffassung über Gebühr ein? Im Trauerfall, Stichwort Feuerbestattung?
    Roth: Dort natürlich in den Fristen, die jetzt gerade massiv verkürzt worden sind, und auch natürlich in dem neuen Nachweis, der erbracht werden muss, dass jemand beigesetzt wurde. Das war in dieser Form bisher nicht notwendig. Und natürlich auch in der Leichenschau, die in Zukunft etwas anders geregelt wird - unter Umständen.
    Gineiger: Kann man das genauer konkretisieren?
    Roth: Im letzten Punkt, in der Leichenschau, da hat bisher noch keiner eine genaue Vorstellung, was da passieren wird. Es gibt da keine wirklichen Vorschriften für, aber es ist zu befürchten, dass in Zukunft jeder Verstorbene untersucht werden muss auch von staatlicher Seite, weil man die Befürchtung hat, dass sehr vieles an Fremdeinwirkung so nicht entdeckt wird.
    Gineiger: Stehen Sie dahinter? Macht das Sinn?
    Roth: Ich glaube eigentlich nicht. Das ist eigentlich ein böswilliger Blick auf Menschen. Ich glaube nicht, dass wir von Monstren umgeben sind und dass diese Dunkelziffer, die seit Jahren befürchtet wird, eigentlich so nicht besteht und dass natürlich 99,9998 Menschen dadurch dieser Vermutung ausgesetzt werden.
    Gineiger: Ein erwachsener Mensch sollte nun auch in der Lage sein, selbst zu entscheiden, ob er eine Urne mit der Asche des Angehörigen etwa im eigenen Garten bestattet oder nicht. Was hat sich der Gesetzgeber dazu einfallen lassen?
    Roth: Im neuen Bestattungsgesetz wird diese Möglichkeit vorgesehen, allerdings mit Einschränkungen. Deutschland ist ja in dieser Art des Bestattungszwangs weltweit bis auf Österreich eigentlich einzigartig. Es wird durch die Friedhofsverwaltungen reglementiert, und ich denke, man wird sehen, dass die Friedhofsverwaltungen natürlich nicht freudig dem entsprechen werden, sondern viele Gründe finden werden, warum es nicht möglich sein wird.
    "Totenscheine nicht mehr vom niedergelassenen Arzt"
    Gineiger: Stichwort Rettungsnotdienst. Da gibt es ja auch eine neue Anweisung, was Totenscheine angeht.
    Roth: Genau. Der Notarzt soll in Zukunft nur den Tod feststellen, aber nicht die Ursache, und das ist mit dem vorherigen Punkt verbunden, mit der Verbesserung der Leichenschau, dass dann ein weiterer Arzt hinzugezogen werden soll, aber dass dann auch die Behörden sich diesem Thema stellen müssen und dass vielleicht von staatlicher Seite aus ein Arzt dann kommen soll und das nicht wie bisher bei den niedergelassenen Ärzten gehalten wird.
    Gineiger: David Roth, all diese Gängelung und Bevormundung, die ist ja nicht nur im Bestattungswesen zu beobachten. Haben Sie denn einen Verdacht, woher dieser Drang zur Totalabsicherung und Entmündigung kommt?
    Roth: Dadurch, dass das Thema Tod einem selbst nicht vertraut ist und wir heute in unserem täglichen Leben immer weniger damit zu tun haben, glaube ich, dass viele sich einfach überfordert fühlen damit und so natürlich auch die Ämter, und da dann immer die Angst ist, dass durch diese Überforderung Menschen zu falschem Verhalten kommen. Ähnlich wie vielleicht bei all dem, was wir jeden Tag über Kindererziehung hören und wo wir uns dann vorstellen, da müsste doch jemand eingreifen. Nur ähnlich wie da ist es auch so: Wenn dann wirklich mal was passiert - und in der Richtung ist mir wenig bekannt in den letzten Jahren -, dann meistens immer eher dieser generelle Verdacht, dass etwas sein könnte, als die Tatsache, dass etwas ist. Und es ist eine Frage davon, Menschen die Möglichkeit zu geben, Verantwortung für ihr eigenes Leben zu übernehmen.
    Gineiger: Wir übernehmen keine Risiken mehr - das war der Bestattungsunternehmer David Roth. Herzlichen Dank nach Bergisch Gladbach.
    Roth: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.