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Neues vom Ambient-Pionier John Martyn

In Deutschland ist John Martyn, im Gegensatz zu Großbritannien, über den Status des Geheimtipps nie hinausgekommen. Jetzt liegen sowohl seine letzte Studio-CD auch eine Doppel-CD voller Cover-Versionen vor. Hier interpretieren viele Freunde und Weggefährten die Songs des Schotten.

Von Thomas Steinberg | 17.09.2011
    Es ist diese entspannte Art, die John Martyns Sound auszeichnete. Nicht umsonst wurde der gebürtige Schotte als "musician's musician", als "der Musiker unter den Musikern" bezeichnet.

    Vor allem sei der Titel eine griffige Phrase für Journalisten, meinte Martyn selbst. Seine Musik in eine Schublade zu packen, sei eben schwierig. Unterm Strich war er aber froh, diesen Ruf in Branche zu genießen. Jeder gute Musiker sei ein "musician's musician", so Martyn, zum Beispiel Phil Collins. Wer Drums liebe, stehe auf Collins.

    Beide verband eine lange Freundschaft. So produzierte der Genesis-Frontmann bereits 1980 Martyns Album "Grace And Danger" und sang auch einige Male in seinen Songs mit.

    Auf mehr als 40 Veröffentlichungen, darunter 20 Studio-Alben, hat es John Martyn gebracht. Der "große Durchbruch" blieb dem Gitarristen und Sänger stets verwehrt - oder auch erspart, wie er selbst sagt.

    Als "Schöngeist" genoss Martyn seine vermeintliche Außenseiterrolle. Für ihn war es hip und in, nicht Teil einer Modeerscheinung zu sein.

    Den Trend setzen und bevor dieser die Massen erreicht, sich wieder von ihm verabschieden! John Martyn hat das einige Male praktiziert. So war er ein Pionier auf dem Gebiet der Ambient-Musik. Sein Song "Solid Air" gilt als absolute Chill-Out-Hymne. Diese gleichzeitig warme, sensible, entspannte und doch ungemein intensive Art von Musik hatte vor ihm so noch niemand hinbekommen. "Solid Air" nahm Martyn bereits Anfang der 70er Jahre für seine gleichnamige LP auf.

    Jazz, Blues, Rock, Pop, Reggae, ja sogar Funk-Elemente: Seit Mitte der 60er-Jahre machte John Martyn daraus eine einzigartige Mischung. Die Bezeichnung "Folk-Musiker", als der er immer wieder in der Öffentlichkeit dargestellt wurde, ließ er nicht gelten.

    Das war gestern, so Martyn. Klar, könne er Folk spielen, doch Jazz und Blues waren immer seine Haupt-Einflussquellen.

    Sicher würde er gern etwas mehr Geld verdienen. Aber das liege wohl nur an seiner "Gier", meinte John Martyn ironisch. Von seiner Musik leben konnte er gut. Und er war stets auf dem Sprung. Er langweile sich sehr schnell, "Stillstand sei der Tod", so Martyn wörtlich.

    Auch als ihm 2006 das rechte Bein aufgrund einer geplatzten Zyste amputiert werden musste, gab er weiter Konzerte. Im Dezember 2008 verlieh ihm Queen Elisabeth den britischen Verdienstorden OBE, eine Auszeichnung, die Martyns Wertschätzung als Musiker unterstrich.

    Am 29. Januar 2009 starb John Martyn mit 60 Jahren an einer doppelseitigen Lungenentzündung. Außer dem posthum fertiggestellten Studio-Album "Heaven And Earth" liegt jetzt die bemerkenswerte Doppel-CD "Johnny Boy Would Love This - A Tribute To John Martyn" vor. Hier verneigen sich so unterschiedliche Acts und Künstler wie Phil Collins, Snow Patrol, Cure-Frontmann Robert Smith oder auch David Gray vor ihm.

    David Gray, der den Song "Let The Good Things Come" interpretiert, beschreibt John Martyn als "hochexplosive Mischung": Extrem sensibel und voller Herzlichkeit,was überdeutlich in seiner Musik rüber komme. Gray nennt ihn aber auch einen "ungestümen und aggressiven Schotten".

    Mit dem machte Morcheeba-Sängerin Skye Edwards zu Beginn "ihre Erfahrung": Martyn zeigte er ihr ein Tape mit den Worten: "Schlafzimmer-Musik". Sie war naiv, hatte keine Ahnung, so Skye. Martyn wollte sie verführen. Dazu kam es jedoch nicht, stattdessen spielte er ihr "Solid Air" vor. Seitdem ist Edwards ein Fan. Auf der CD singt sie diese "heimliche Martyn-Hymne".

    Skye Edwards' persönliche Playlist mit seinen Liedern trägt den Untertitel "Mellow-Magic": "sanfte Magie". Eine Umschreibung, die durchaus auf die Musik von John Martyn zutrifft.