Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Neues vom "Hobbit"
Homo floresiensis war eine eigene Menschenart

Der Paläoanthropologe Mike Morwood grub 2004 auf der indonesischen Insel Flores das Skelett einer winzigen, aber erwachsenen Frau aus: Sie war nur wenig größer als einen Meter. Seitdem tobte ein Streit: Handelt es sich um Menschen, die an einer Krankheit litten oder um eine neue Menschenart? Nun scheinen neue Funde den Streit zu entscheiden.

Von Dagmar Röhrlich | 09.06.2016
    Schädel dreier Menschenarten liegen auf einem Stofftuch. Der gefundene "Homo floresiensis" Schädel sieht uns vergleichweise ähnlich, ist aber deutlich kleiner: Kaum größer als eine Pampelmuse.
    "Homo floresiensis" (Mitte) war deutlich kleiner, als heutige Menschen. Forscher haben nun weitere Knochen gefunden. (AFP)
    Wo hat man die neuen Fossilien gefunden? Und was eigentlich?
    Die neuen Fossilien stammen nicht aus der Höhle von Liang Bua, wo die ersten Überreste des Homo floresiensis entdeckt worden waren. Ihr Fundort liegt rund 70 Kilometer entfernt, in Mata Menge im Soa-Becken, wo früher bereits Steinwerkzeuge gefunden worden sind. Auf der Suche nach Hominidenfossilien wurden diesmal Tonnen von Material durchgesiebt. Der Lohn der Mühen waren, ein Kieferfragment, ein paar Erwachsenenzähne, zwei Milchzähne und ein Stück Schädelknochen. Insgesamt stammen die Überreste von mindestens drei Individuen. Die Datierung ergab ein Alter von 700.000 Jahren. Diese Menschen brachten es als Erwachsene auf die Größe eines Fünfjährigen heute und wären damit noch kleiner als die von Liang Bua.
    Man hat sich ja lange gefragt, ob der Homo floresiensis ein anatomisch moderner Mensch mit einer Krankheit war oder eine eigene Art. Ist das damit entschieden?
    Ja. Bei dem Alter kann es kein anatomisch moderner Mensch sein. Obwohl die Forscher mit der genauen Einordnung zögern, weil es noch zu wenig Fossilien gibt, vermuten sie, in Mata Menge die direkten Vorfahren des homo floresiensis vor sich zu haben.
    Und von wem stammen die ab?
    Dass homo floresiensis eine eigene Art ist, erscheint nun als sicher. Über seine Herkunft lässt sich jedoch weiter streiten. So wird unter anderem Homo habilis genannt. Die Funde des homo habilis sind ungefähr vor 2,1 bis 1,5 Millionen Jahre alt. Hat Allerdings trägt er primitive Merkmale, die es beim Hobbit nicht gibt. Außerdem gibt es keine Anzeichen dafür, dass er jemals Afrika verlassen hat.
    Bevorzugt wird derzeit der asiatische Homo erectus, der vor einer Million Jahre die Insel erreicht hat. Er ist sicher ausgewandert, die Anatomie scheint zu passen, etwa was die Details der Zähne angeht. So findet sich bei den Mata-Menge Fossilien ein fünfter Höcker auf den Backenzähnen, den auch Homo erectus hatte. Falls die Hobbits vom Homo erectus abstammten, müssten sie sozusagen "geschrumpft" sein. Es gibt den Prozess der Inselverzwergung - und der müsste dann für das, was bislang für Hominiden angenommen wird, überraschend schnell abgelaufen sein.
    Was bedeutet "Inselverzwergung"?
    Aufgrund des knappen Nahrungsangebots werden große Arten auf Inseln kleiner. Das gilt für Elefanten ebenso wie für Menschen. Auf der Insel Jersey sind Rehe innerhalb von 6000 Jahren so "geschrumpft", dass sie es nur noch auf ein Sechstel der Größe ihrer Vorfahren brachten.
    Beim Hobbit wird allerdings noch eine Variante diskutiert. Es könnte sein, dass sein Erectus-Vorfahre, so er denn einer war, schon zuvor kleiner geworden ist. Weil er selbst von einer Insel stammt. Da haben die Forscher Sulawesi in Verdacht. Dann hätte die Entwicklung schon begonnen, bevor er auf Flores angekommen ist.
    Eine Ausgrabungshöhle von oben herab in der gerade gearbeitet wird.
    Die Liang-Bua Höhle auf der Insel Flores in Indonesien. (Smithsonian Digitization Program Office / Liang Bua Team)
    Wie kam Homo erectus damals überhaupt auf die Insel?
    Die Forscher spekulieren, dass vor etwas mehr als einer Million Jahre eine kleine Gruppe nach Flores kam, vielleicht angeklammert an Treibgut durch einen der in der Gegend häufigen Tsunamis. Das Soa-Becken war damals eine Savanne, die durchzogen war von mäandrierenden Flüssen. Das Wasser zog Tiere wie Zwergelefanten, Riesenratten, Krokodile oder Komodowarane an. Von deren Kadavern oder deren Beute ließ sich dann leben. Hinweise auf den Gebrauch von Feuer gibt es nicht.
    Homo floresiensis ist also eine sehr alte Linie?
    Und eine, in der sich die Technologie wenig geändert hat: Über den gesamten Zeitraum ihrer Existenz blieben die Werkzeuge erstaunlich gleich: Sie waren aus Feuerstein und sehr, sehr einfach gefertigt. Über Hunderttausende von Jahren hinweg änderte bei diesen Werkzeugen nichts. Das heißt, eines ändert sich doch: Als Homo erectus vor einer Million Jahre auf Flores auftauchte, fertigte er noch ein großes Werkzeug an, "Pick" nennen wir es. Eine Art beidseitig angespitzter Stein, von dem man nicht weiß, wozu er diente. Dieses Werkzeug verschwindet. Vielleicht, so spekulieren die Forscher, weil es zu grob war für die kleinen "Hobbits". Oder, ob ihre Gehirngröße nicht mehr ausgereicht hat für eine Arbeit die recht viel Planung und Vorstellungsvermögen gekostet hat.