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Neues von den grünen Männchen

Gibt es Leben auf dem Mars? Die automatischen Untersuchungsmethoden von zwei Viking-Sonden aus dem Jahr 1976 brachten keine schlüssigen Ergebnisse. Jetzt haben sich einige Forscher die Daten erneut angesehen und behaupten: Es gibt Leben auf dem Roten Planeten.

Dirk Lorenzen im Gespräch mit Monika Seynsche | 18.04.2012
    Monika Seynsche: In den letzten Tagen kamen immer wieder Meldungen, dass es vielleicht doch Leben auf dem Mars gibt. 1976 hatten sich schon mal zwei Viking-Sonden auf dem Weg zum Mars gemacht, um diese Frage zu klären. Aber damals haben die automatischen Untersuchungsmethoden keine schlüssigen Ergebnisse gebracht. Jetzt haben sich die Forscher die Daten noch mal angesehen sagen: Doch, es gibt Leben auf dem Mars. Mein weltraumaffiner Kollege Dirk Lorenzen hat die ganze Debatte verfolgt. Herr Lorenzen, um welche Daten geht es denn da überhaupt?

    Dirk Lorenzen: Frau Seynsche, die Forscher treiben immer noch diese berühmten Daten des Labeled-Release-Experiments um, das damals eben an Bord der Viking-Sonden sich befunden hat. Und bei diesem Experiment wurden einfach Bodenproben vom Mars genommen und in eine Nährlösung geworfen, die mit radioaktivem Kohlenstoff versetzt war, und die Überlegung war die, wenn es in den Bodenproben irgendwie lebende Mikororganismen gibt, dann werden die diese Nährlösung irgendwie verarbeiten, die werden danach irgendwelche Gase ausstoßen und in diesem Gas müsste sich dann der radioaktive Kohlenstoff nachweisen lassen. Und tatsächlich: Gas ist freigeworden. Darin enthalten: Radioaktiver Kohlenstoff. Und nach den vor der Mission festgelegten Kriterien hat man also tatsächlich Leben nachgewiesen. Das ist dann allerdings heftig diskutiert worden und die Mehrheitsmeinung war dann doch, dass der Nachweis nicht schlüssig gelungen sei.

    Seynsche: Warum denn das? Das klingt doch eigentlich ganz schlüssig, wenn da Gase austreten.

    Lorenzen: Die große Frage ist dann immer: Sind das wirklich biologische Prozesse, die da ablaufen und Gase entstehen lassen, oder sind es geochemische Prozesse? Und das zu unterscheiden ist in der Tat sehr sehr schwierig. Wobei der Chefwissenschaftler dieses Experiments, Gil Levan, ein anerkannt wirklich exzellenter Tüftler, der dieses Verfahren entwickelt hat, der ist eben wirklich bis heute überzeugt, dass er Leben auf dem Mars nachgewiesen hat. Und den lässt das auch nicht los, deswegen hat man sich jetzt die Daten noch einmal angesehen, neu analysiert und er sieht sich in dieser Auffassung erneut bestätigt.

    Seynsche: Aber diese Daten sind doch 36 Jahre alt. Kann man da überhaupt noch etwas Neues draus erkennen?

    Lorenzen: Die Untersuchung jetzt war eine ganz andere, als bisher. Man hat sich gar nicht für die biologische Bewertung interessiert, sondern hat sich allein mathematisch diese Daten angesehen. Die Grundidee ist dann, dass Lebensprozesse immer etwas komplexer und unregelmäßiger ablaufen als geologische Prozesse. Also sollten die Daten aus diesem Experiment eben mathematisch eine etwas andere Struktur haben als Vergleichsdaten. Und die Forscher meinen tatsächlich, dass sie diese Signatur da gefunden haben. Also, aus ihrer Sicht ein weiteres Indiz für die Entdeckung von Leben.

    Seynsche: Und wie gehen diese Forscher damit um, dass andere Forscher ihnen das überhaupt nicht glauben?

    Lorenzen: Also Gil Levan, eben der Leiter dieses Experiments, der führt seit jetzt mittlerweile fast vier Jahrzehnten einen fast schon verbissenen Kampf. Das ist auch ein bisschen ein Kampf David gegen Goliath, denn Gil Levan hat damals dieses Experiment mit einer sehr kleinen Firma entwickelt. Experiment zugegeben sehr clever, sagen auch viele seiner Kritiker. Dagegen gab es an Bord von Viking ein anderes Experiment, das keinerlei Hinweise auf Material im Marsboden gefunden hat, das von Leben stammen könnte. Und dieses andere Experiment, das kam von der Elite-Uni MIT und da haben dann viele eher den MIT-Daten geglaubt als den Daten von Herrn Levan. Und Herr Levan, so ist zu hören, soll darüber phasenweise sehr verbittert sein. Er lebt jetzt sehr zurückgezogen und meidet den Kontakt zu Journalisten.

    Seynsche: Ist es dann überhaupt möglich, dass es Leben auf dem Mars gibt, wenn dieses Experiment nichts gezeigt hat?

    Lorenzen: Die Sache ist nicht so klar, wie man damals 1976 vielleicht am Anfang gedacht hat. Denn man hat dann in den 90er-Jahren ein baugleiches Experiment mal in der Atacama-Wüste ausprobiert und siehe da: dieses Experiment schlug nur an, wenn ein Gramm Wüstensand mindestens eine Million Bakterien enthalten hat. Das bedeutet jetzt nicht, dass es auf dem Mars wirklich Leben geben muss, aber es zeigt, dieses MIT-Experiment an Bord von Viking war sehr sehr unempfindlich.

    Seynsche: Was ist denn Ihre Einschätzung, Herr Lorenzen: Gibt es Leben auf dem Mars oder kann man diese Frage überhaupt irgendwann einmal klären?

    Lorenzen: Die Debatte über diese Daten hier, die wird sicherlich lange andauern. Das wird man nicht klären können. Ich glaube, die Forscher haben gelernt, anhand von diesen Viking-Experimenten, der Nachweis mit Automaten ist extrem schwierig. Wann immer man dort etwas findet, muss man sich überlegen, sind es eben geologische oder biologische Prozesse. Selbst wenn es biologische sind, muss man sich sicher sein: Ist das Leben auf dem Mars, das man nachgewiesen hat oder hat man irgendwelche Verunreinigungen nachgewiesen, die auf der Erde in die Experimente hineingekommen sind. Meine persönliche Einschätzung ist, vermutlich werden wirklich erst Mikrobiologen vor Ort auf dem Mars klären können, ob es dort Leben gibt. Aber Frau Seynsche, bis Menschen auf den Roten Planeten fliegen, das wissen wir auch, werden noch etliche Jahrzehnte vergehen.