Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Neuregelung Medizin-NC
Talent- statt Wartezeitquote?

Seit das Bundesverfassungsgericht im Dezember 2017 den Medizin-NC für teilweise verfassungswidrig erklärt hat, müssen die Bundesländer ein neues Zulassungsverfahren entwickeln. Jetzt wurden erste Eckpunkte bekannt. Der Wichtigste: Die Wartezeitquote soll künftig wegfallen.

Von Christiane Habermalz | 28.05.2018
    Ein Schild weist den Weg zu einem Immatrikulationsbüro bzw. zur Zulassungsstelle einer Universität. Das Bundesverfassungsgericht verhandelt heute über das Zulassungsverfahren für das Medizinstudium. Es geht um die Frage, ob die Art der Studienplatzvergabe mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
    Bis Ende 2019 müssen die Kulturminister ein neues Zulassungsverfahren für Medizin entworfen haben. (dpa / picture alliance / Jens Kalaene)
    Wer Arzt werden will, braucht bislang ein Top-Einser-Abitur. 20 Prozent der begehrten Studienplätze werden an die bundesweit besten Abiturienten vergeben – ein Schnitt von 1,2 reicht da oft schon nicht mehr aus. Weitere 20 Prozent der Plätze vergibt die Stiftung für Hochschulzulassung über die Wartezeit. Zuletzt lag die im Schnitt bei 14 Semestern. Den Rest der Plätze, rund 60 Prozent, werden über hochschuleigene Vergabeverfahren besetzt.
    Nicht vereinbar mit dem Grundrecht auf freie Berufswahl, befand das Bundesverfassungsgericht Ende letzten Jahres, als es das Zulassungsverfahren kippte. Und kritisierte bei der Gelegenheit auch die mangelnde Vergleichbarkeit von Abiturnoten. Am 14./15. Juni wollen die Kultusminister bei ihrem Treffen in Erfurt erste Eckpunkte für ein neues Zulassungsverfahren beschließen. Wichtigste Neuerung: Die Wartezeitquote wird künftig wegfallen. Die Hochschulrektorenkonferenz begrüßt das ausdrücklich.
    "Das Grundsätzliche an dem neuen Urteil beinhaltet ja, dass die Auswahl fair, transparent, objektiv, aber in jedem Fall eignungsbezogen zu erfolgen hat. Und Warten ist insofern kein Eignungskriterium", erklärt Johanna Weber, Vizepräsidentin der Hochschulrektorenkonferenz. An die Stelle der Wartezeitquote soll nach Auskunft der Kultusministerkonferenz nach derzeitigem Stand eine eignungsorientierte "Talentquote" treten. Was das sein soll, ist jedoch noch völlig unklar.
    Wartezeiten sollen abgeschafft werden
    Die Abiturbestenquote – also die Regelung, wonach ein Fünftel der Plätze rein nach Abiturnote vergeben wird, wollen die Länder aber erhalten. Und auch die 60 Prozent hochschuleigenen Verfahren sollen bleiben – neben den Abizensuren muss aber mindestens ein weiteres Auswahlkriterium hinzugezogen werden. Auch die BVMD, die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland, würde der Abschaffung der Wartezeit keine Träne hinterherweinen. Noch besser hätten es Medizinstudierende und auch der medizinische Fakultätentag allerdings gefunden, wenn zugleich auch die Abiturbestenquote weggefallen wäre, erklärt Luca Salhöfer vom BVMD.
    "Weil wir uns gewünscht haben, dass wir die Zulassung zum Medizinstudium auf breitere Füße stellen. Also für alle Studienanwärter zwei Kriterien zugrunde legen können, nämlich erweitert um einen Studierfähigkeitstest."
    Die Abinote sei weiterhin ein wichtiger Faktor, befindet Salhöfer. "Häufig wird es ja so dargestellt: Der Eins-Komma-Nuller ist derjenige, der zwar gute Noten hat, aber sozial unfähig ist. Und das ist nicht so, ich kenn viele Eins-Komma-Null-Abiturienten, die später sicher mal grandiose Hausärzte werden. Und deswegen darf man die Abiturnote nicht verschmähen, sollte sie aber mit diesem Studierfähigkeitstest kombinieren."
    Unklar ist auch noch, was mit den Langzeitwartenden geschehen soll, die Gefahr laufen, ihre mühsam ersessenen Wartesemester nicht mehr angerechnet zu bekommen. Hier müsse die Politik eine faire Regelung finden, fordert Salhöfer.
    Hohe Hürde der technischen Umsetzung
    Eines der Hauptprobleme für die Politik aber dürfte derzeit darin liegen, dass die Stiftung für Hochschulzulassung mit der technischen Umsetzung der Reform heillos überfordert ist. Schon jetzt ist es ihr nicht gelungen, die zentrale Studienplatzvergabe der Fächer Medizin und Pharmazie wie angekündigt bis 2018 über ihre Online-Plattform abzuwickeln. Wenn sich jetzt noch einmal alles ändert, könnte es noch Jahre dauern, bis die Neuerungen umgesetzt sind.
    Eine Übergangslösung müsste her – die bedeuten könnte, dass die Auswahlverfahren der Hochschulen vorübergehend ganz ausgesetzt werden müssen. Das aber bringt die Hochschulrektorenkonferenz auf den Plan.
    "Wir befürchten, dass diese Übergangslösung sehr lange dauert oder sich sogar verfestigt. Und das darf auf keinen Fall geschehen. Für uns ist es ganz wichtig, dass nach wie vor die einzelnen Standorte die Möglichkeit haben, auch passend zu ihrem Profil - in der Forschung zum Beispiel - Studierende nach ihren Eignungskriterien auszuwählen."
    Bis Ende dieses Jahres muss, so haben es die Verfassungsrichter verlangt, eine faire und transparente Zulassungsmethode gefunden sein. Langfristig bedeutet das aber, dass auch das im Urteil kritisierte Thema Vergleichbarkeit der Abiturnoten endlich angegangen wird. Ein Pool mit ein paar gemeinsamen Abituraufgaben, aus dem sich die Länder unter dem Namen Zentralabitur bedienen, wird da nicht ausreichen.