Dienstag, 19. März 2024

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Neustart nach Pleiten, Pech und Pannen
Wiederbelebung der elektronischen Gesundheitskarte

Nach Hackerangriffen, Diskussionen um den Datenschutz und technischen Hürden in den Arztpraxen galt die elektronische Gesundheitskarte schon als tot. Jetzt soll das Projekt neugestartet werden. Gesundheits-Appps könnten dabei eine wichtige Rolle spielen, erklärte IT-Experte Peter Welchering im Dlf.

Peter Welchering im Gespräch mit Manfred Kloiber | 26.05.2018
    Versichertenkarten (AOK, TK, BarmerGEK, DAK) liegen übereinander.
    Bei der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte kommt es immer wieder zu Verzögöerungen (dpa/Jens Kalaene)
    Manfred Kloiber: Die Geschichte der elektronischen Gesundheitskarte ist seit dem Jahr 2003 eine Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen. Mal verzögerten Sicherheitsprobleme die Einführung, weil die Kartenlesegeräte in den Praxen und Krankenhäusern über Datenfunknetze angegriffen und die Versichertendaten ausgespäht werden konnten. Mal klappte der Netzanschluss für die Praxen einfach nicht. Mal waren Programmierfehler für die fehlende Praxistauglichkeit der Karte verantwortlich. Deshalb wurde immer wieder ein völliger Neustart des Projekts Gesundheitskarte gefordert.
    Jetzt rückt ein solcher Neustart in greifbare Nähe. Denn in dieser Woche hat sich eine Große Koalition aus Gesundheitsminister, Digitalministerin und dem Präsidenten der Bundesärztekammer gebildet, die einen "Reset" für das System "Gesundheitskarte" fordern. Wie sehe die Pläne aus, Peter Welchering?
    Peter Welchering: Gesundheitsminister Jens Spahn hat ja schon des Öfteren mal das Ende der Gesundheitskarte gefordert, dann aber auch gleich einen Teilrückzieher von dieser Forderung nachgeliefert. Jetzt hat er aber Unterstützung von Frank Ulrich Montgomery, dem Präsidenten der Bundesärztekammer, bekommen. Montgomery fordert nämlich, das IT-System Gesundheitskarte so aufzubohren, dass es smartphonetauglich wird.
    "Überweisungen, Krankschreibungen und Rezepte sollen über Apps abgewickelt werden"
    Kloiber: Was heißt "Smartphonetauglichkeit" denn ganz konkret?
    Welchering: Zumindest sollen Gesundheits-Apps berücksichtigt werden. Das ist zweifelsohne eine Reaktion auf den Druck, den einige gesetzliche und private Krankenkassen seit dem Ärztetag Anfang Mai in Erfurt noch verstärkt haben. Einige Kassen wollen eine Gesundheits-App einführen, über die Patienten auf ihre Daten, also Medikationspläne, Röntgenbilder, Laborberichte, Leistungsübersichten der Ärzte, Zugriff haben. Die Ärzte sollen über Gesundheitsserver Arztberichte austauschen. Überweisungen, Krankschreibungen und Rezepte sollen über Apps abgewickelt werden. Das Problem dabei: Die bisherigen App-Entwicklungen laufen an der bisherigen Telematikstruktur vorbei. Da hat aber Gesundheitsminister Jens Spahn ziemlich klar erklärt, dass er die bisherige Telematik-Struktur um die elektronische Gesundheitskarte nicht einfach zerschlagen, sondern eher aufbohren will?
    Ärzte fordern E-Health-Gesetz
    Kloiber: Gibt es für dieses Aufbohren denn schon Pläne?
    Welchering: Auf dem Ärztetag in Erfurt Anfang des Monats haben die Ärzte ja ein zweites E-Health-Gesetz gefordert. Die Diskussion über dieses zweite E-Health-Gesetz hatte ja schon sehr konkrete Anregungen, wie das Smartphone in die Telematik-Struktur der Gesundheitssparte einbezogen werden kann. Ein Szenario sieht dabei vor, die eGK mit einem Chip für die Near-Field-Kommunikation auszustatten, sodass mit der eGK nicht nur die Anmeldung in Praxis und Klinik laufen kann, sondern sie öffnet auch die digitale Patientenakte. Die allerdings liegt nicht auf dem Smartphone, sondern auf Gesundheitsservern. Diskutiert wird dabei, ob der Patient sich dann vom Gesundheitsserver Patientendaten auf sein Smartphone herunterladen können soll. Oder ob diese Daten in einer Art Patienten-Postfach zwischengespeichert werden, auf dem Smartphone also nur zur Anzeige kurz gespeichert werden. Also, dass Smartphones in die Gesundheitstelematik mit einbezogen werden sollen, scheint nach den Diskussionen dieser Woche klar.
    Unklar ist, wie die Anbindung an die bisher in 25.000 Praxen installierten Konnektoren funktionieren soll.
    Die Wunschvorstellung einiger Start-ups
    Kloiber: Gibt es Anzeichen, dass Ministerium und Ärzteschaft sich von den Konnektoren verabschieden könnten?
    Welchering: Das ist die Wunschvorstellung von einigen Start-ups, die mit ihren Gesundheits-Apps an den Markt drängen und dabei von Krankenkassen wie der Techniker oder der DAK auch gefördert werden. Die Konnektoren stellen ein inzwischen verlässliches virtuelles privates Netzwerk mit einem ziemlich hohen Sicherheitsstandard bei Tunneling und Verschlüsselung bereit. Ihre Einführung hat sich mehrere Jahre verzögert.
    Das hatte übrigens auch damit zu tun, dass die ersten Piloten eben diese Sicherheitsanforderungen nicht hatten. Jetzt bilden die Konnektoren, aber das zentrale Netzwerk in der Gesundheits-Telematik. Da gibt es keinerlei Anzeichen, dass die jetzt in der Einführungsphase gleich wieder verabschiedet werden. Aber es müssen Schnittstelen zu den Gesundheits-Apps her. Und solche Schnittstellen zu Android und iOS sicher zu bekommen, das stellt noch eine massive Herausforderung dar.