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Neustarts
Von Langeweile und Älterwerden

Die Neustarts in dieser Woche sind das deutsch-niederländische Psychodrama "Die getäuschte Frau" sowie zwei amerikanische Produktionen: das Fantasyabenteuer "Pixels" und die Komödie "Gefühlt Mitte Zwanzig" von Noah Baumbach. Was sich davon lohnt verrät Jan Tengeler.

Von Jan Tengeler | 29.07.2015
    Szene aus dem Animationsfilm "Pixels": Ein animierte Pacman frisst ein fliegendes Auto
    Müder "Ghostbusters"-Abklatsch: Szene aus dem Animationsfilm "Pixels" (Sony Pictures 2015/dpa)
    Seit Noah Baumbach Filme macht, steckt er in der Schublade. Er sei "der Woody Allen für eine neue Generation". Wie Allen ist auch Baumbach in Brooklyn geboren und Autorenfilmer von Beruf. Auch teilt er Woody Allens Vorliebe für tragikomische Charaktere, die in einer tiefen Sinn- und Identitätskrise stecken. So jemand ist der von Ben Stiller gespielte Dokumentarfilmer Josh: Mitte 40, verheiratet, kinderlos.
    "Mir gefällt unser Leben so."
    "Ja, wenn wir morgen nach Paris fliegen wollen, dann können wir das einfach tun."
    "Ja. ... Ich wollte dich letzten Sommer nach Mexiko locken."
    "Ich musste meine Doku beenden."
    "Aber du hast sie nicht beendet."
    "Ich glaube, entscheidend ist die Freiheit zu haben. Was wir damit machen, ist nicht so wichtig."
    Während ihr Freundeskreis diese Freiheiten längst den familiären Pflichten untergeordnet hat, bestärken sich Josh und Ehefrau Cornelia – Naomi Watts – zwar immer wieder darin, mit ihrem Leben zufrieden zu sein. Aber gegen die Routine und Langeweile, die im Alltag der beiden eingekehrt ist, haben sie genauso wenig ein Mittel wie gegen das Älterwerden. Doch dieser Prozess scheint sich aufhalten, ja sogar umkehren zu lassen. Ein junges Pärchen wird für Josh und Cornelia zu einer Art Jungbrunnen.
    "Jamie und Darby. Sie machen alles selbst. Das ist ansteckend. ... Man verspürt eine Menge Energie in ihrer Gesellschaft."
    "Wie alt sind sie?"
    "25, vielleicht 26."
    "Das sind noch Kinder."
    "Vor neun Jahren konnte sie noch nicht mal wählen."
    "Ihr solltet seine Plattensammlung sehen. ... Sein Stil ist demokratisch."
    Wie die Mittvierziger aufblühen, sich anbiedern und gelegentlich auch zum Affen machen – das schildert Noah Baumbach fast beiläufig und doch präzise. Nie reizt er die Komik bis zum Äußersten aus. Woody Allen hätte diese Verwandlung sicherlich schlagfertiger und pointierter inszeniert. Dafür aber sind Baumbachs Charaktere geerdeter, soll heißen: Sie sind weniger neurotisch und eitel als die in den Woody-Allen-Filmen.
    "Gefühlt Mitte Zwanzig" ist eine heiter-nachdenkliche Zustandsbeschreibung der Generation Fourty-Something mit ihren Lebenskrisen, -träumen und -lügen. Ein Film mit hohem Identifikationspotenzial: vor allem für alle Betroffenen. Baumbach selbst übrigens ist auch Mitte 40.
    "Gefühlt Mitte Zwanzig": empfehlenswert
    "Es war furchtbar. Aber diesmal war das Monster echt."
    "Und wer war das Monster?"
    "Pac-Man."
    Die Generation, von der Noah Baumbach erzählt, ist auch die Zielgruppe der Actionkomödie "Pixels". Zumindest theoretisch. Denn es ist die Generation, die mit Pac-Man, Donkey Kong und vielen anderen Videospiel-Klassikern aus den frühen 1980er-Jahren aufgewachsen ist. Praktisch aber wird diese Generation einen Teufel tun und sich einen Film angucken, in dem diese Videospiel-Figuren die Erde attackieren.
    "Weißt du noch, dass es ein Video von allen Spielen gab, das dann in eine Raumkapsel kam, die ins All geschossen wurde, um Kontakt zu außerirdischem Leben aufzunehmen? Ich habe Grund zu der Annahme, dass irgendeine außerirdische Macht dieses Band gefunden und lebensechte Versionen von dem, was sie da gesehen haben, losgeschickt hat, um uns anzugreifen."
    Das ist die Stunde der alten Videogame-Champions. Nur sie können Pac-Man und Co. Einhalt gebieten. Zugegeben: Die Idee zu "Pixels" ist ganz amüsant, der Film mit Adam Sandler aber nur ein müder "Ghostbusters"-Abklatsch – so infantil, dass ihm allenfalls Kinder etwas abgewinnen können. Dumm nur, dass die Pac-Man gar nicht kennen.
    "Pixels": enttäuschend
    Mitten auf einer Landstraße faucht ein Gepard eine Frau an, die ihren Wagen in ein Flussbett gelenkt hat. Es ist die erste Szene in "Die getäuschte Frau" von Sacha Polak. Das Interesse beim Zuschauer dürfte die niederländische Regisseurin mit diesem ersten surrealen Bild geweckt haben. Und kryptisch geht es auch weiter.
    Die Kamera folgt der Frau mit dem verlorenen Blick, von der wir erfahren, dass sie Nina heißt, auf ihrer scheinbar ziellosen Reise quer durch Europa. Mal ist sie als Anhalterin unterwegs, mal im Mietwagen. Nach und nach gibt es einige spärliche Informationen.
    "Sind Sie verheiratet?"
    "Ich bin geschieden. Mein Mann hat mich verlassen. Er ist tot. Er ist gegen die Leitplanke gefahren."
    Nicht nur der Tod ihres Mannes Boris hat Nina völlig aus der Bahn geworfen. Noch schlimmer wiegt die Tatsache, dass Boris die ganze Zeit ein Doppelleben geführt hat, von dem Nina nichts geahnt hat. "Die getäuschte Frau" ist ein sperriger Film, dessen erste Hälfte nur aus Andeutungen und Aussparungen besteht. So wird Nina einen Mann kennenlernen, mit dem sie einige Wochen zusammen sein wird und sie wird einen Hund entführen, der offensichtlich zu Boris' Parallelleben gehört hat.
    "Komm her! Wo ist Boris? Wo ist Boris? ..."
    In der zweiten Hälfte, die zeitlich vor der ersten spielt, gibt Regisseurin Sacha Polak ihrem Film mehr Struktur. Doch das ist die schwächere, weil überraschungsfreie und auf der Stelle tretende Hälfte von "Die getäuschte Frau". Wesentlich interessanter wäre es gewesen zu erfahren, ob sich Nina nach dem Schicksalsschlag weiter verlieren oder doch vielleicht wiederfinden wird.
    "Die getäuschte Frau": zwiespältig