Samstag, 20. April 2024

Archiv

"New Material" von Preoccupations
Auf der dunklen Seite der Musik

Die Bandgeschichte ist turbulent: Auflösung nach einer Bühnenschlägerei, Tod eines Musikers, der problematische Bandname Viet Cong, depressive Verstimmungen. Nun touren die Kanadier als Preoccupations mit ihrem neuem Album „New Material“ in Deutschland.

Von Christoph Reimann | 02.06.2018
    Die Band Preoccupations
    Preoccupations machen Rockmusik für Leute, die keine Rockmusik mögen. (Cargo Records )
    Matt Flegel: "Did I say that? Yeah, okay, I think I was kind of depressed when all this was going on."
    Ja, er hat es gesagt. Zumindest wird Matt Flegel, Sänger und Bassist von Preoccupations, im Presseanschreiben damit zitiert, dass das Album "New Material" eine "Ode an die Depression" sei. Und im Interview bekräftigt er dann auch, dass seine Texte nie schwermütiger waren. Nur geringfügig werden sie von vereinzelten Dur-Akkorden aufgefangen.
    "Disarray" - zu Deutsch: Verwirrung. Das Wort wiederholt Flegel, der immer schon trübsinnige Texte geschrieben hat, im gleichnamigen Song 48 Mal. Andere der insgesamt acht Titel heißen "Doubt", also Zweifel. "Manipulation" oder "Decompose", Zerfallen.
    Musik als Katharsis
    Die Band auflösen und etwas Anständiges machen - zum Beispiel Geologie studieren - das waren die Gedanken von Matt Flegel nach drei Jahren auf Tour, die verbunden waren mit dem klassischen Rockstar-Leben auf Kosten der eigenen Gesundheit, sagt der Kanadier. Am Ende stand die selbstdiagnostizierte depressive Verstimmung. Aber auch der Entschluss, weiterzumachen. Musik als Katharsis.
    Es klingt überkommen, aber die Musik von Preoccupations hat etwas brutal Männliches: die Wut im Bauch, die sich Flegel selbst nicht erklären kann, der Hang zum Exzess, der niemals ohne Nebenwirkungen zu haben ist, die Windungen einer verknoteten Seele. Dass der 35-Jährige über seine Probleme besser singen als sprechen kann - auch das klingt, leider, typisch männlich.
    Ordnung in das innere Chaos kommt bei der Band im Studio. Hier drehen sie an jedem Ton, bis er richtig sitzt, verfremden Gitarren, Drums und Keyboard-Sounds, bis man sie am Ende nicht mehr richtig zuordnen kann. Das ermöglicht, auch einen fünfminütigen Instrumental-Songs, der nur aus zwei Akkorden besteht, interessant zu machen.
    Matt Flegel: "Ich glaube, der Song ist in nur einer Nacht entstanden. Wir haben mit diesem verrückten Prog-Rhythmus rumgespielt, und dann ich kam mit meiner verstimmten Gitarre dazu. Danach haben wir das Ganze immer weiter entkernt, mit der Idee, diese beiden Akkorde so fett wie möglich klingen zu lassen."
    Negatives kann Positives erschaffen
    Preoccupations machen Rockmusik für Leute, die keine Rockmusik mögen. Denn auch wenn sie auf "New Material" ein paar dieser Momente schaffen, in denen ihre Musik überlebensgroß wirkt - in langweilige Rock-Posen verfallen sie nie. Zu schwermütig hallen die vertrackten Rhythmen, zu kränkelnd heulen die Gitarren. Eine "Ode an die Depression", die Verherrlichung eines gefährlichen Gemütszustandes, ist das Album aber nicht. Eher ein Beispiel dafür, wie man aus etwas Negativem etwas Positives schaffen kann. Der anstehenden Tour blickt Matt Flegel trotz schlechter Erfahrungen gelassen entgegen:
    "Wir haben ein paar Sachen geändert. Auf der letzten Tour lagen die Konzerte zu dicht beieinander, wir mussten zu viel reisen und bekamen nicht genug Schlaf. Aber das Problem haben wir gelöst. Ich glaube, es wird uns gut tun, auch tagsüber mal ein bisschen Zeit in den Städten zu verbringen, in denen wir abends auftreten. Auf jeden Fall wird es besser, als Fast Food an einem Truck Stop irgendwo mitten in Arizona zu essen."