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New York
Verbrecherjagd in sozialen Medien und Rapsongs

Das New York Police Department machte zuletzt Negativschlagzeilen, weil die Ordnungshüter Menschen bei Verdacht auf offener Straße durchsuchten - vor allem schwarze Jugendliche, die überwiegend unschuldig waren. Nun hat das NYPD einen neuen Ermittlungsansatz: Es jagt Verbrecher per Youtube, Facebook und Co.

Von Christian Lehner | 13.02.2014
    Heulende Sirenen, wilde Verfolgungsjagden und Schießerein. Fans deutscher Privatsender wissen jetzt bestimmt, wer dahinter steckt. Richtig: die unbestechlichen Helden des New York Police Department . Vor allem bekannt aus Kinofilmen und Serien wie "CSI New York".
    Doch es gibt auch ein NYPD im richtigen Leben. Fast wie im Film sehen sich die Polizisten als hart, aber gerecht. Sie sind stolz auf ihre Bilanz. Die Mordrate in New York ist auf einem historischen Tief. Noch nie war das Spazieren gehen durch den Big Apple sicherer als heute. Bis Jahresende wurde das Department von Ray Kelly geführt, bevor er das Amt an William Bratton abtrat.
    Doch die Sicherheit hat ihren Preis. "Stop-And-Frisk" heißt die umstrittene Polizeitaktik, bei der Menschen bei Verdacht auf offener Straße durchsucht werden; zum Großteil schwarze Jugendliche, die - wie die Statistik belegt - überwiegend unschuldig sind.
    "Das NYPD befindet sich in einer Phase der Umgestaltung. Die 'Stop-And-Frisk'-Methode wurde per Gericht als rassistisch und daher verfassungswidrig eingestuft. Die Moral der Cops ist am Tiefpunkt. Der neue Polizeichef hat nun die schwierige Aufgabe, die Stadt sicher zu halten, aber auch das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen."
    David Goodman ist Reporter bei der "New York Times" und dort für Crime-Stories zuständig. Wie viele New Yorker erwartet auch er große Reformen unter dem neuen, äußerst liberalen Bürgermeister Bill de Blasio und dessen neuem Polizeichef. Goodman sorgte im Januar mit einer Reportage über eine neue Fahndungsmethode des NYPD für großes Aufsehen.
    Anstatt unschuldige Bürger auf der Straße wie Kriminelle zu behandeln, fahndet die Polizei zunehmend im Internet nach Verbrechern. So werden Social-Media-Feeds auf einschlägige Hinweise durchsucht, ebenso wie Youtube-Videos lokaler Hip-Hop-Crews, die sich im Umfeld von Gangs bewegen.
    "Trotz Rückgang der Kriminalität ist in bestimmten Gegenden die Anzahl der Schießereien relativ konstant geblieben. Ich spreche von Neighborhoods wie Brownsville oder East New York in Brooklyn. Im Unterschied zu früher geht es bei den dortigen Gang-Rivalitäten nicht mehr um organisierte Kriminalität, sondern um Respekt und Territorialansprüche. Es sind meist Teenager, die in Nachbarshafts-Cliquen abhängen. Leider sind sie für 30 Prozent der Schießereien in der Stadt verantwortlich."
    Gangsta-Rap, wie der von Murder Marlo, ist meist voll von gewalttätigen Texten. Auch über Mord und Gangaktivitäten. Viele dieser Geschichten sind Fiktion, Prahlerei oder symbolischer Natur. Rapper, die mit der New Yorker Polizei Schwierigkeiten bekommen haben, beanspruchen für sich das Recht auf Freiheit der Kunst, so der Journalist David Goodman.
    "Die Polizei nimmt die Aussagen in den Texten nicht wörtlich. Vielmehr untersuchen die Ermittler bestimmte Assoziationen. Wer wird in den Videos genannt? Wer ist der Freund, wer der Gegner? So werden Profile erstellt, die mit Aussagen auf Facebook und traditionellen Fahndungsmethoden auf der Straße kombiniert werden. Das NYPD wäre dumm, diese immerhin freiwillig veröffentlichten Informationen der Rapper und Crews zu ignorieren. Aber natürlich hat auch diese Methode ihre Tücken."
    Das NYPD verkauft die "Operation Crew Cut" als Erfolg. 20 Prozent weniger Morde, verkündete der ehemalige Polizeichef Ray Kelly, kurz bevor er seinen Sessel für einen anderen frei machte. Das Programm wurde noch am Ende von Kellys Amtszeit gestartet. Bürgermeister Bill de Blasio und der neue Polizeichef wollen nun die Youtube-Fahndung ausweiten. So werden aus Gesetzeshütern Internet-Cops. Zu sehen wahrscheinlich auch demnächst in der Polizei-Fernsehserie ihrer Wahl.