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Neymar und die 222 Millionen
Die Grenzen der Financial-Fairplay-Regeln

In Glasgow wird am Dienstag mit Neymar der teuerste Spieler der Welt zum ersten Mal für Paris St. Germain in der Champions League auflaufen. Sein Wechsel von Barcelona Richtung Eiffelturm hat eine Menge Debatten über das sogenannte Financial Fairplay der UEFA ausgelöst.

von Matthias Friebe | 10.09.2017
    Neymar im Trikot von Paris Saint-Germain
    Neymar im Trikot von Paris Saint-Germain (imago sportfotodienst)
    Vor dem Heimspiel gegen Amiens am 5. August gab es die Präsentation des neuen Superstars, des teuersten Spielers der Welt: Neymar. 222 Millionen Euro hatte PSG gezahlt. Selbst in der Fußball-Welt, in der man an horrende Börsen tagtäglich gewöhnt ist, sorgte diese Summe für Verwunderung und einige Erschütterungen. "Der Gott des Geldes wird immer größer und irgendwann verschlingt er alles", sagte Freiburgs Trainer Christian Streich. Und Jürgen Klopp meinte: "Offensichtlich ist Financial Fairplay mehr ein Vorschlag als eine Regel."
    Das Ziel waren mehr Disziplin und Rationalität
    2009 beschlossen, wurde Financial Fairplay von der UEFA vor sieben Jahren eingeführt. Auf der Website der Europäischen Fußball-Union kann man sechs Hauptziele nachlesen, die mit diesem System erreicht werden sollen. Darunter: "Erhöhung der Disziplin und Rationalität im Bereich der Klubfußballfinanzen; Ermutigung der Vereine, im Rahmen ihrer eigenen Einnahmen zu wirtschaften."
    Aber kann man im Rahmen der eigenen Einnahmen wirtschaften, wenn man 222 Millionen für einen Spieler ausgibt? Darüber wird seither leidenschaftlich gestritten. PSG behilft sich, in dem der Transfer in den Büchern offiziell mit 0 Euro auftaucht. Neymar selbst zahlt die Ablösesumme und wird durch katarisches Geld dann bezahlt von der gleichen Firma, der auch der Verein gehört.
    Schon beim Gedanken an dieses Geschäftsmodell gerät Javier Tebas Medrano, der Chef der spanischen Liga in Rage: "Geldgeber bei Paris ist das Emirat Katar und das Tourismusbüro dort. Die können entsprechende Gelder zahlen, die zu einer Art Finanzdoping führen." Tebas fürchtet, wie er beim "FootballSummit" der FAZ erzählt, eine Destabilisierung des Marktes: "Das kann den Profifußball gefährden, wenn man das nicht unterbindet."
    Ligue 1 verteidigt den teuren Transfer
    "Das wird lustig, ich muss unseren Erzrivalen, unseren Feind und Gegner seit Jahrzehnten unterstützen", entgegnet Jacques-Henri Eyraud, der Präsident von Olympique Marseille. "Der Transfer von Neymar ist eine große Sache für die Ligue 1. Es stärkt weltweit das Profil dieser unterschätzten Liga. Das wird allen Clubs in der französischen Liga zu Gute kommen."
    Auf den ersten Blick überraschend, denn gerade in der französischen Liga dürfte Paris noch dominanter werden. Eyraud sieht aber die Chance, dass die französische Liga dadurch irgendwann mehr als nur zwei Plätze in der Champions League bekommt, während nach neuen Regularien ab kommender Saison Spanien, Italien, England und Deutschland vier feste Startplätze zustehen.
    Sind die Bedenken des spanischen Liga-Bosses also nur Groll über den Verlust von Superstar Neymar? "Das hat nichts damit zu tun, dass wir darüber verärgert wären. Aber es sind so großkalibrige Entscheidungen, dass sie alle anderen im europäischen Fußball wie in einem Domino-Effekt mitziehen", sagt Tebas. Deshalb hat er schon im März, weit vor dem Neymar-Transfer, bei der UEFA das Geschäftsgebaren von PSG angezeigt.
    Rummenigge hofft auf UEFA und EU
    Bauchschmerzen beim Blick auf die aktuelle Entwicklung hat auch Karl-Heinz Rummenigge, vom deutschen Primus Bayern München. "Es gibt ja dieses deutsche Sprichwort: 'Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht.' Und wir müssen aufpassen, dass er nicht bricht", sagt Rummenigge. Das heißt, das Instrument des Financial Fairplay muss auch in den Augen Rummenigges angepasst und modernisiert werden. "Alle wussten von Anfang an, dass Financial Fairplay kein Holzschwert ist, allerdings auch kein scharfes Schwert."
    Und deshalb muss jetzt nachgeschärft werden. Hoffnungsträger ist für Rummenigge der neue UEFA-Präsident Ceferin: "Ich glaube nicht, dass er irgendwelche Probleme da hat und sich durch irgendetwas zurückpfeifen lässt, sondern er wird seinen Weg, im Zweifelsfall einen unbequemen Weg gehen, um diese Dinge einzufordern."
    Ceferin selbst kündigte im Interview mit der ARD-Sportschau an: "Das Financial Fairplay wurde eingeführt, um die Stabilität im Fußball zu erhöhen. Und es war erfolgreich. Aber Zeiten ändern sich. Wir müssen es modernisieren, etwas für die Ausgeglichenheit des sportlichen Wettbewerbs tun, weil die Schere zwischen den großen und den kleinen Klubs immer größer wird."
    Damit liegt er in diesem Punkt auf Linie zu Spaniens Liga-Boss Tebas: "Manche werden reich bleiben, manche werden arm bleiben. Aber wir müssen die Balance finden. Das ist dieser Dominoeffekt, der entstehen kann." Die Rufe nach Veränderung der Finanzregularien werden lauter, Bayern-Boss Rummenigge schickt diese Rufe erneut auch nach Brüssel, will die Politiker der Europäischen Union miteinbeziehen: "Ich denke, nach den Kommentaren, die ich da speziell nach dem Neymar-Transfer gelesen hab, ist dazu dort die Bereitschaft viel größer, als das vor Jahr und Tag der Fall war."
    Die Erkenntnis: Die Regeln reichen nicht aus
    Der Rekordtransfer als Türenöffner in der Politik? Für Wirbel sorgen die 222 Millionen aus Katar für Paris und Neymar auf jeden Fall weiterhin. Eigentlich verwunderlich, findet Marseilles Jacques-Henry Eyraud: "Übrigens, die Funktionäre haben doch das katarische Geld akzeptiert, als sie ihnen die WM 2022 zugestanden haben. Damals, als Katar mit der Organisation der WM betraut wurde, schien es doch im Interesse des Fußballs zu sein."
    Wie der Wettbewerb gerechter wird, diese Frage ist noch lange nicht beantwortet. Bisher ist international lediglich ein Bewusstsein dafür entstanden, dass das Financial Fair Play in der jetzigen Ausgestaltung kein geeignetes Mittel ist, um den Fußball fairer zu gestalten.