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"Nicht ganz so bunt wie das erste Paket"

Der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, hat das Konjunkturpaket II der Bundesregierung als unzureichend kritisiert. Gleichwohl begrüßte er Einzelmaßnahmen des Pakets wie zum Beispiel die geplanten Steuererleichterungen. Gemessen an dem ersten Konjunkturpaket, sei das zweite "schon ein Schritt nach vorne", so Hüther.

Michael Hüther im Gespräch mit Christian Schütte | 13.01.2009
    Christian Schütte: Rechnet man alle Vorhaben der Regierungsparteien zum Konjunkturpaket II zusammen, würde dies den Staat weitaus mehr kosten als geplant, und so geht es bei den Gesprächen, die geführt wurden im Kanzleramt, auch darum, welche Partei mit welchen Forderungen zurückstecken muss. Dass sie sich einigen wollen, ja sogar müssen, das schien schon vor Beginn des Treffens klar. Der Druck, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, ist groß. In Berlin erreichen wir Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Guten Morgen, Herr Hüther!

    Michael Hüther: Guten Morgen, Herr Schütte.

    Schütte: Die Parteien haben ihre klassischen Wählerschichten im Blick. Das heißt, die Union pocht auf Steuererleichterungen für den Mittelstand, die SPD will vor allem untere Einkommen entlasten. Herr Hüther, welcher Ansatz ist denn wirtschaftlich sinnvoll?

    Hüther: Was wir aus der empirischen Wirtschaftsforschung wissen ist, dass der Steueransatz, also deutliche Senkungen bei der direkten Besteuerung, am effektivsten ist, in einer Konjunkturphase gegenzusteuern, dass dann die öffentlichen Investitionen dazu gehören, aber es muss hier profiliert sein an diesen beiden Themen und was wir eben gehört haben, ist ja doch eine Programmstruktur, die sich wieder sehr stark ausfasert. Dann gibt es da noch die Abwrackprämie, es gibt den Kinderbonus.

    Schütte: Das heißt, das ist keine gezielte Konjunkturförderung, sondern ein Kessel Buntes?

    Hüther: Es ist nicht ganz so bunt wie das erste Paket, aber es mutet jetzt doch auch etwas sehr bunt an. Es wäre schon sehr viel hilfreicher gewesen, wenn man dieses zweite Paket sehr viel enger auf das eigentlich gesamtwirtschaftlich Notwendige gerichtet hätte, und das setzt auch gesamtwirtschaftliche Hebel voraus. Also: Steuersenkungen, Abgabensenkungen, öffentliche Investitionen, darauf sich zu konzentrieren und es nicht ausfasern zu lassen. So ein Kinderbonus, eine Einmalzahlung, 100 Euro für jedes Kind, was soll der Effekt sein? Wir wissen, dass solche Einmalzahlungen im Grunde verbranntes Geld sind.

    Schütte: Schauen wir auf die Steuererleichterungen, die geplant sind. Die bedeuten für den Staat Milliarden weniger Einnahmen, für viele Bürger springen am Ende aber vielleicht gerade mal 130, 140 Euro heraus. Kann daraus für die Konjunktur mehr werden als ein teures Strohfeuer?

    Hüther: Das kann dann wirken, wenn man es als eine dauerhafte Maßnahme konzipiert - das ist ja wohl auch so gedacht - und wenn man auf die eigentliche Problemstelle unseres Einkommenssteuersystems achtet. Was jetzt allerdings passiert, ist im gewissen Sinne, obwohl es entlastet, kontraproduktiv. Der höhere Grundfreibetrag,5 das Absenken des Eingangssteuersatzes führt, weil offensichtlich ansonsten der Tarif konstant gehalten wird, dazu, dass gerade im Einstiegsbereich die Progression, das heißt der Entzugseffekt der Besteuerung, sehr hoch ist. Das ist jetzt schon mistig, das würde dann noch zunehmen. Alle haben eigentlich erklärt, dass daran gearbeitet werden müsste. Das kann man auch mit zwölf Milliarden schaffen, gerade im unteren Bereich, dort wo der Facharbeiter sitzt, den hohen Progressionseffekt zu mindern. Insofern hört sich das zwar gut an mit dem Grundfreibetrag, aber es verliert sich doch in der Wirkung. Man muss sehen: Unser Steuersystem ist wirklich hoch konfiskatorisch. Ein Durchschnittsfacharbeiter, 45.000, 48.000 Euro Jahresverdienst, der liegt bei einer Grenzbelastung von fast 50 Prozent. Das heißt, von einem Euro Lohnerhöhung bleiben ihm 50 Cent. Wenn das gemildert würde, das hätte sicherlich Wirkung.

    Schütte: Nicht nur Bürger sollen entlastet werden, auch den Firmen soll geholfen werden mit Bürgschaften. Nun haben wir gehört, dass der Plan aus der Union vom Tisch sei, dass der Staat bei den Unternehmen dann auch als Teilhaber einsteigen und mitbestimmen könnte. Wenn dieser Deutschlandfonds in dieser Form nicht so kommt, wer kontrolliert, dass das Geld vom Staat dann auch sinnvoll ausgegeben wird?

    Hüther: Ich meine, wir haben bisher natürlich schon das Instrument der Bürgschaften. Das wird gelegentlich übersehen. Wir haben in allen Haushalten, Länder- und auch Bundeshaushalten, Bürgschaften für unterschiedlichste Zusammenhänge, Exportkreditversicherung und Ähnliches. Insofern bleibt hier etwas unklar, wo jetzt das Zusätzliche ist, was hier das Neue ist. Es soll ja wohl darauf zielen, bei kleineren und mittleren Unternehmen die Finanzierung sicherzustellen. Was wir allerdings bisher wissen: Gerade dort haben wir eigentlich keinen Befund einer Kreditverknappung. Unser regional aufgestelltes mehrgliedriges Bankensystem mit den Genossenschaften und den Sparkassen stellt gerade in dem Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen wohl sicher, dass hier die Kreditversorgung auch weiter funktioniert. Das bleibt sehr unspezifisch. Gut ist in jedem Fall, dass es keine Beteiligungskapitallösung sein soll. Das kann der Staat gar nicht leisten. Wir haben ja mit dem ersten Konjunkturpaket bereits eine Aufstockung der Förderprogramme der KfW für Mittelstandskredite. Das läuft hier alles ein bisschen disparat und nimmt der Sache natürlich auch Wirkung.

    Schütte: Herr Hüther, wagen wir eine Einschätzung des Preis-Leistungs-Verhältnisses. Mit dem Konjunkturpaket II wird der Haushalt immens belastet. Die Schulden werden kommenden Generationen aufgebürdet. Ist das Konjunkturpaket II insgesamt gesehen diesen Preis wert?

    Hüther: Es ist schon ein Schritt nach vorne, gemessen mit dem ersten Paket. Es ist auch richtig, dass der Staat mit einer großen Münze jetzt arbeitet, es auch in der Chance tut, es international zeitlich parallel schalten zu können. Die Amerikaner wollen etwas tun, in Europa insgesamt ist es vorgesehen. Damit haben wir eine Chance, den Konjunkturabsturz - und so muss man ihn ja wohl bezeichnen - auch abzubremsen. Insofern muss man immer die Gegenvariante überlegen. Wenn wir nichts tun, ist die Wahrscheinlichkeit sehr viel höher, dass der Absturz länger und tiefer dauert, und dann wird das Loch in dem Staatshaushalt auf diese Weise sehr viel größer sein. Insofern ist das eine Güterabwägung. Ich glaube, dass insgesamt doch das relativ schnelle Handeln signalhaft wirkt. Wir haben eben eine ganze Menge von Kritikpunkten identifiziert, die sind auch misslich. Es ist einfach doch sehr stark geprägt von der Tatsache, dass wir im Wahljahr sind und dass sich in einer Großen Koalition zwei Partner offenkundig nicht davon freimachen können.

    Schütte: Wir haben viel gehört von einer Schuldenbremse, die dennoch eingebaut werden soll. Wie sollte die aussehen?

    Hüther: Eine Schuldenbremse ist sicherlich ein im Prinzip richtiges Instrument, um sozusagen aus der Verfassung kommend für die Finanzpolitik auf Normalsituation geartet eine Nullverschuldung hinzukriegen. Man darf allerdings das Instrument auch nicht überfordern. Die Tatsache, dass wir so etwas in die Verfassung schreiben, heißt noch lange nicht, dass es im wirklichen Leben der Finanzpolitik sich umsetzt. Wichtiger ist jetzt folgendes, dass wir auf der einen Seite konjunkturell stimulieren. Wir tun dies international im Zeitgleichtakt. Wir tun dies mit der Geldpolitik auch gemeinsam. Insofern ist hier wirklich auch auf eine Rendite zu hoffen. Aber es muss klar sein - und das ist der zweite Punkt -, dass auf Sicht 2010, wenn wir das Tal der Tränen hinter uns haben, 2011 forciert konsolidiert wird. Ich meine, es rächt sich heute auch, dass die Regierung 2006 und 2007 nicht in der gleichen Intensität konsolidiert hat wie in den Jahren zuvor. Wir hätten auch beim Bund schon 2007 und 20088 einen ausgeglichenen Haushalt haben können.

    Schütte: Der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther. Ich danke Ihnen für das Gespräch.