Donnerstag, 18. April 2024

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"Nicht nur Kommunikationsprobleme"

Der Direktor der Konrad-Adenauer-Stiftung in Warschau, Stephan Raabe, sieht als eine Ursache für das angespannte deutsch-polnische Verhältnis ein historisch begründetes Misstrauen auf polnischer Seite. Die scharfen Angriffe von der Regierung in Warschau spiegelten aber nur die Meinung eines kleinen Teils der Bevölkerung wider, sagte Raabe. Es gebe kaum ein Volk, das zu Europa und auch zum europäischen Verfassungsvertrag so positiv eingestellt sei wie die Polen.

Moderation: Dirk-Oliver Heckmann | 16.03.2007
    Dirk-Oliver Heckmann: Und am Telefon begrüße ich jetzt Stephan Raabe. Er ist der Direktor der Konrad-Adenauer-Stiftung in Warschau. Guten Tag!

    Stephan Raabe: Guten Tag, Dzień dobry aus Warschau!

    Heckmann: Herr Raabe, wir haben die Zitate der beiden Interviews gehört ( Beitrag von Michael Groth zum Nachhören, MP3 ), der beiden polnisch-deutschen Koordinatoren Musczynski und Schwan. Da ist die Rede von einer nationalen, in ihrem Wesen egoistischen Politik der Deutschen auf der einen Seite und von einer moralischen Erpressung durch die Polen auf der anderen Seite, die versuchten, das schlechte Gewissen Deutschlands auszunutzen. Das hört sich danach an, dass das Verhältnis tatsächlich stark belastet ist, oder?

    Raabe: Ja, es sind in der Tat nicht nur Kommunikationsprobleme. Da stecken unterschiedliche Haltungen und Sichtweisen dahinter, ein großes Misstrauen auf polnischer Seite. Ich glaube aber, dass diese Äußerung von Musczynski sicher nicht abgestimmt war. Sie entspricht nicht den Interessen des polnischen Präsidenten, der ja gerade jetzt mit Angela Merkel sozusagen auf Tuchfühlung gehen möchte und gemeinsame Lösungsschritte überlegen möchte.

    Heckmann: Aber wie ist es dann zu erklären, dass in einer solchen Situation solche Worte gefunden werden? Ist das möglicherweise auch eine Strategie, zweigleisig zu fahren?

    Raabe: Ja, also wir haben natürlich auch schon bei den Antrittsbesuchen der Kaczynskis in Berlin erlebt, dass sie sozusagen die eingeführt haben mit Interviews in deutschen Medien, die einen ähnlichen Tonfall anschlugen. Letztendlich, wenn man weiterkommen will, sollte man sich davon nicht irritieren lassen, aber man muss diese Sachen auch noch klar beantworten.

    Heckmann: Und wie bewerten Sie dann die Töne, die Gesine Schwan als Koordinatorin für die deutsch-polnischen Beziehungen angeschlagen hat in diesem Zusammenhang?

    Raabe: Frau Schwan zeigt jetzt, wie es vielen geht, die sich in diesem Zusammenhang bewegen, auch leichte Frustrationserscheinungen. Und irgendwann wird man auch mal ungeduldig, wenn man dauernd mit solchen Äußerungen aus Polen konfrontiert wird. Damit müssen dann auch die Polen leben, dass man, wie man in den Wald hineinruft, so schallt es eben auch hinaus.

    Heckmann: Das heißt, Sie sehen den Ursprung der Probleme, der Konflikte auf polnischer Seite?

    Raabe: Nein, es gibt natürlich auch auf deutscher Seite Anlass für die Polen, dass sie Misstrauen haben, und das hängt eben mit alten geschichtlichen Ressentiments zusammen. Die Gefahr, dass man denkt, man wird von Deutschland dominiert, gerät wieder in eine Zange zwischen Deutschland und Russland, das sind so die Hauptmotive. Aber man darf auch nicht vergessen, dass das vor allen Dingen ein Problem ist der jetzigen kleinen Minderheit, eigentlich der politischen Klasse, die an der Macht ist. Die wird von 15 Prozent der Wähler getragen. Das Gros in Polen, das zeigen alle Umfragen, hat eigentlich eine andere Auffassung über Europa, über Polen, über Deutschland.

    Heckmann: Nämlich?

    Raabe: Die sind sehr viel positiver gestimmt. Es gibt kaum ein Volk, das laut den Umfragen so viel Zustimmung zeigt zu Europa, selbst zum Verfassungsvertrag, wie die Polen.

    Heckmann: Aber es gibt auch Empörung in Polen, Empörung über das geplante Zentrum gegen Vertreibung und wegen der Schadensersatzansprüche der Preußischen Treuhand. Wie viel davon ist echt, und wie sehr werden solche Ängste auch instrumentalisiert von der Regierung in Warschau?

    Raabe: Also die werden gewiss instrumentalisiert. Ganz bewusst verbreitet man diese Sachen immer weiter, und das sind ja zum Teil eben auch symbolische Kämpfe, die nichts mit dem großen richtigen Fragen in der Politik, wie man Europa gestalten muss im Verfassungsvertrag, zu tun haben. Andererseits kann man natürlich auch von Deutschland den einen oder anderen Schritt tun, um diese Sache zu entschärfen. Was die Preußische Treuhand angeht, gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, vielleicht auch der polnischen Regierung einmal entgegenzukommen.

    Heckmann: In welcher Weise? Die deutsche Regierung sagt ja, sie vertritt eben nicht die Position der Preußischen Treuhand, mehr könne sie aber nicht tun.

    Raabe: Man könnte jetzt zum Beispiel überlegen, ob man noch mal eine Erklärung macht und der polnischen Regierung zusichert, wenn es vor dem Menschenrechtgerichtshof in der Tat irgendwelche Ansprüche gibt, die bestätigt werden, dann wird dafür Deutschland eintreten in diesem Falle. Damit wäre Polen eigentlich raus aus der ganzen Sache und bräuchte keine Besorgnis mehr haben.

    Heckmann: Das heißt, Sie sagen klipp und klar, die deutsche Regierung, Berlin, sollte sich in Haftung nehmen lassen für diese Ansprüche, die gestellt werden?

    Raabe: Nein, die deutsche Regierung vertritt ja gemeinsam mit der polnischen Regierung, jedenfalls der früheren polnischen Regierung, die Auffassung, dass diese Ansprüche, wenn sie denn überhaupt bestehen, keinerlei Chancen haben, durchzukommen vor Gericht. Und von daher sieht sie eigentlich keinen Handlungsbedarf. Das sieht aber jetzt heute die neue polnische Regierung anders, und deshalb muss man darüber noch mal reden.

    Heckmann: Herr Raabe, in den vergangenen Tagen haben Äußerungen von Erika Steinbach für Wirbel gesorgt, der Präsidentin des Bunds der Vertriebenen. Sie hat die polnischen Regierungsparteien verglichen mit den Republikanern in Deutschland, der DVU und der rechtsextremen NPD. Unterstützung kam jetzt in gewisser Weise von Gesine Schwan, über die wir gerade schon gesprochen haben. Sie hat gesagt, dass Kaczynskis Regierungspartei PiS mit Rechtsradikalen koaliere. Kann man von rechtsextremen Strömungen sprechen in den Regierungsparteien in Warschau?

    Raabe: Also zunächst einmal wäre es sehr erfreulich, wenn man nicht immer nur über die anderen spricht und die andere Seite beurteilt, sondern mehr von sich und dem, was man machen will und vorhat, sprechen würde. Und zum anderen ist es natürlich nicht richtig, dass man die polnische Regierung in Bausch und Bogen in eine rechtsradikale Ecke stellt. Das trifft nicht zu, aber es gibt natürlich Koalitionspartner, die in diese Richtung neigen, und wo man das auch kritisch beobachten muss.

    Heckmann: Es wird bei den Gesprächen, wir haben es gerade schon gehört, auch gehen um den Konflikt um den amerikanischen Raketenabwehrschirm. Merkel will die Polen überzeugen, auf einen Alleingang mit den Amerikanern zu verzichten. Weshalb lässt sich Warschau überhaupt auf ein solches bilaterales Vorgehen ein?

    Raabe: Es gibt ein Selbstverständnis in Warschau, in Polen, das ist ähnlich mit dem, was auch in Deutschland lange Zeit vorherrschte, dass der letzte Sicherheitsanker die USA sind. Und deshalb versucht man dort sich auch eng anzubinden und hat auch ein gewisses Misstrauen gegenüber der NATO. Man darf nicht vergessen, dass doch seit über fünf Jahren dort intensive Gespräche stattfinden über diese Raketenabwehr und man in diesem Fall noch nicht weitergekommen ist. Deshalb gibt es auch diese Ungeduld bei den Amerikanern, dass sie sagen, dann machen wir es eben auf eigene Faust mit Partnern, die dazu bereit sind.

    Heckmann: Und denken Sie, dass sich Warschau darauf einlässt, das Problem zu natoisieren, also es in die Gremien der NATO hineinzutragen?

    Raabe: Es gibt unterschiedliche Töne aus Warschau, und ich hoffe, oder ich gehe davon aus, dass man darüber sprechen wird und muss.

    Heckmann: Stephan Raabe war das, der Direktor der Konrad-Adenauer-Stiftung in Warschau, zum Besuch der Bundeskanzlerin in Polen. Besten Dank für das Gespräch, Herr Raabe.

    Raabe: Danke Ihnen, auf Wiederhören.