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"Nicht umsonst gibt es eine dreijährige Erzieherinnenausbildung"

In Berlin hat 2011 nur jeder vierte Quereinsteiger in den Erzieherberuf mit Wunsch nach Umschulung die nötige Prüfung geschafft. Die jetzt bekannt gewordenen Zahlen sind für Christiane Weißhoff vom Vorstand der GEW Berlin eine Bestätigung, dass eine gute Erzieherinnenausbildung nicht umsonst drei Jahre dauere. Sie warnt davor, Menschen in diesen Beruf hineinzudrängen, die dafür vielleicht nicht geeignet sind.

Christiane Weißhoff im Gespräch mit Ulrike Burgwinkel | 26.07.2012
    Ulrike Burgwinkel: 31 aus 129 - nein, das ist kein neues Lotteriespiel, sondern eine Quote. Von 129 zur Prüfung zugelassenen Personen haben 31 Kandidaten bestanden. Es handelt sich um Quereinsteiger und Arbeitssuchende, die sich als Erzieher qualifizieren wollten und sollten über eine NichtschülerInnenprüfung. Das sei kein gutes Zeichen, meint Christiane Weißhoff vom Vorstand der GEW Berlin. Guten Tag, Frau Weißhoff.

    Christiane Weißhoff: Ja, hallo, guten Tag!

    Burgwinkel: Frau Weißhoff, die Durchfallquote ist zu hoch, da würde sich jeder Lehrer schämen. Worin sehen Sie die Ursachen dafür?

    Weißhoff: Die Ausbildung zur Erzieherin und auch die Tätigkeit einer Erzieherin sind ja sehr komplex und sehr anspruchsvoll, und erfordert natürlich eine gründliche, umfassende Ausbildung. Das sehen wir bei der NichtschülerInnenprüfung eben nicht, weil da können also Menschen, die denken, sie haben entsprechende Fachkenntnis, einfach die Prüfung ablegen. Und die Ergebnisse zeigen ja, dass also diese Kolleginnen und Kollegen nicht richtig vorbereitet werden auf die Tätigkeit einer Erzieherin. Nicht umsonst gibt es eine dreijährige Erzieherinnenausbildung. Nun ist auch die Voraussetzung, um diesen Beruf zu erlernen, doch sehr angestiegen. Das Bild in der Öffentlichkeit ist leider so, ja, Erzieherin kann man mal einfach nebenbei mit einer Umschulung irgendwie bewältigen. Und wir denken, der Beruf der Erzieherin muss attraktiver gestaltet werden, damit auch mehr Menschen diese Aufgabe von der Pike auf lernen mit dem entsprechenden Fachwissen.

    Burgwinkel: Vielleicht sollten wir noch mal ganz kurz sagen, NichtschülerInnenprüfung bedeutet, dass man ohne eine dreijährige Ausbildung einfach sagen kann, so, vielleicht auch nach einem Lehrgang von nur einem Jahr, ich glaube, ich kann das, ich mache jetzt mal die Prüfung.

    Weißhoff: Genau. Also weil es gibt ja Regelungen für die Prüfung, man muss also eine Facharbeit schreiben, das müssen also alle, die entweder eine Teilzeit oder eine Vollzeitausbildung machen und eben auch die NichtschülerInnen. Sie müssen ein Kolloquium aufgrund dieser Facharbeit absolvieren, und es gibt schriftliche und mündliche Prüfungen, und die sind natürlich die Anforderungen genau so wie bei einer Erzieherinnenausbildung, und wenn nicht die genügenden Fachkenntnisse vorhanden sind, ist es nicht möglich, diese Prüfung zu bestehen.

    Burgwinkel: Was Sie kritisieren, trifft sich ja natürlich mit der GEW-Kritik an der vollkommen überhasteten Rekrutierung von Erziehern. Welche Möglichkeiten würden Sie denn vorschlagen?

    Weißhoff: Also es muss für den Beruf der Erzieherin und des Erziehers Werbung betrieben werden. Die Länder müssen also diesen Beruf mehr in den Fokus nehmen, junge Leute dafür zu begeistern, und natürlich auch die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Da fängt das mit der Bezahlung an, und die Attraktivität einfach durch die Arbeitsbedingungen. Da muss Abhilfe geschafft werden, zu sagen, also wie kriegen wir gute Leute für diesen Beruf, die diese Ausbildung machen und dann auch in unseren Einrichtungen arbeiten?

    Burgwinkel: Sie müssen aber trotzdem irgendwo eine Eignung nachweisen, das heißt, sie müssen auch selbst, wenn sie Fachhochschulreife haben, mindestens ein Jahr Kursus belegen, bevor sie die Prüfung ablegen können. Und so ein Kursus kostet ja auch so ungefähr 5000 Euro, wird von der Arbeitsagentur bezahlt - das wäre ja dann auch sozusagen, wenn das so passiert wie 2011, eher rausgeschmissenes Geld.

    Weißhoff: Ja, das kann man sicher sehen, und man muss genau analysieren, woran hat das gelegen, dass also die Menschen die Prüfung nicht bestanden haben. Und da wird man sicher merken, dass gerade die praktischen und theoretischen Grunderfahrungen eben nicht ausreichen, um dann die Prüfung abzulegen.

    Burgwinkel: Möglicherweise wird aber auch dem einen oder anderen Arbeitssuchenden nahegelegt, sich doch mal zu überlegen, diesen Beruf zu ergreifen?

    Weißhoff: Ja, das denke ich, gerade jetzt in der Zeit, wo absehbar ist, dass in sozialen Berufen es einen Mangel gibt, wie Erzieherin oder auch Altenpflege - das ist ja auch so ein Bereich - werden natürlich die Beratungen bei den Arbeitsagenturen dahin gehend laufen natürlich, Menschen zu entwickeln, die in diese Bereiche gehen, und ... ja, dann ist die Frage, wie wird das festgestellt, dass jemand dafür geeignet ist. Und vielleicht werden auch Menschen dort reingepresst, die eigentlich sagen, nein, das ist eigentlich nicht der richtige Beruf, nur um in irgendeiner Maßnahme zu sein und die zu machen. Also ich denke, da muss man noch mal genauer hingucken, das wird nicht für alle so zutreffen, aber man muss schon genau hingucken, wer ist wirklich auch von der Person her geeignet für so einen Beruf.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.