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"Nicht wirklich eine langfristige Lösung"

Mit 37 Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren werden auch private Gläubiger beim zweiten Griechenland-Hilfspaket in die Pflicht genommen - eine "substanzielle Beteiligung", findet Udo Steffens, Präsident der Frankfurt School of Finance & Management. Gleichwohl liege die größte Belastung bei den öffentlichen Haushalten der Euro-Staaten.

Udo Steffens im Gespräch mit Jonas Reese | 22.07.2011
    Dirk Müller: Das alles soll die Zukunft Europas sichern, sagt die Kanzlerin. Die Staats- und Regierungschefs sind gestern über all ihre Differenzen und gegenseitigen Verstimmungen gesprungen, das neue Hilfspaket für Griechenland steht, über 100 Milliarden Euro. Allerdings: Banken und Versicherungen sollen mit ran.

    Wie gut ist die neue Hilfsformel für Griechenland? - Darüber hat mein Kollege Jonas Reese mit Professor Udo Steffens gesprochen, Präsident der Frankfurt School of Finance & Management. Die erste Frage: Wie hoch wird das Aufkommen für den deutschen Steuerzahler sein?

    Udo Steffens: Man kann das nicht wirklich absehen. Das heißt, letztlich ist es, wenn Sie so wollen, ein Setzen auf die Hoffnung, dass Griechenland sich revitalisiert, dass sie eine gewisse Austeritätspolitik auch durchziehen, um dann eben auch zumindest im europäischen Raum wettbewerbsfähig zu werden. Denn wir müssen einfach sehen, dass ein Land wie Griechenland de facto nicht mit Deutschland, Frankreich und/oder auch Spanien konkurriert, sondern aufgrund seiner Arten und Weisen des Wirtschaftens eigentlich international eher mit Indonesien oder Malaysia konkurriert, allerdings mit Löhnen auf europäischem Niveau. Dass das nicht gut gehen kann, wissen wir, glaube ich, alle.

    Jonas Reese: Zwölf Prozent Schuldenerlass soll jetzt dieses zweite neue Hilfspaket bringen. Die Wirtschaftsweisen und die SPD sprachen aber noch von 40 bis 50 Prozent, die nur Griechenland retten können. Reicht das denn, diese zwölf Prozent?

    Steffens: Also der Schuldenschnitt oder der Erlass oder, wenn Sie so wollen, der berühmte Haircut ist zaghaft, der ist nicht wirklich nachhaltig. Von daher wird man sehen, was die nächsten Monate und auch de facto Jahre bringen werden und wie insbesondere die Märkte reagieren, denn die Märkte sind sensibel. Sie werden sicherlich aus der Not geboren diese politische Richtung sicherlich akzeptieren. Aber was bedeutet das für die Refinanzierung des Staatsbudgets Griechenlands, aber letztlich auch der gesamten Europäischen Union für die Zukunft? Und ich glaube, alle sind jetzt gewarnt, indem sie sehr zurückhaltend sein werden, in, wenn Sie so wollen, Staatsanleihen aller Staaten zu investieren, und ich glaube, da ist letztlich die große Gefahr.

    Reese: Also Sie erwarten eher eine vorsichtige Reaktion auf den Märkten, die auch sozusagen dann in Voraussicht schon auf Italien und Portugal zu sehen ist?

    Steffens: Sicherlich ist das so, denn wir müssen wissen, dass der Staat oder, wenn Sie so wollen, die politische Elite, die jetzt dieses Problem lösen muss, letztlich auch - jetzt nicht persönlich, aber als Klasse - dieses Problem durchaus veranlasst hat. Das heißt, sie haben zu viel Geld geliehen, sie haben dieses Geld insbesondere im Fall Griechenland, aber auch in Irland, zweifellos auch in Italien, aber auch in Portugal eben nicht investiert in die Wettbewerbsfähigkeit ihres Landes, um auf den globalen Märkten dann auch bestehen zu können, sondern sie haben es bei allem, wenn Sie so wollen, Verständnis dafür, dass das hier und da notwendig ist, in soziale Transfers investiert, und das ist einfach eine Grundproblematik, die die Europäische Union, die Währungsunion jetzt wirklich angehen muss. Das gilt nicht nur für Griechenland, Portugal, Italien, das gilt ein bisschen auch leider für Deutschland.

    Reese: Und Sie glauben, dass dieses zweite Hilfspaket jetzt auch die Märkte etwas enttäuscht zurücklässt?

    Steffens: Es lässt sie etwas enttäuscht zurück, weil wie gesagt die Entschiedenheit nicht wirklich da ist. Der Konflikt zwischen der Bundesrepublik und Frankreich insbesondere ist nicht wirklich gelöst worden. Man hat hier einen Formelkompromiss gefunden, ja, und sowohl die ökonomischen Eliten, also insbesondere die Bankenchefs in der Bundesrepublik Deutschland, haben ja durchaus gesagt, Blessing von der Commerzbank, aber auch Herr Ackermann, aber auch jüngst eben auch Wolfgang Kirsch von der DZ Bank, haben durchaus gesagt: Ja, wir sehen ein, wir müssen uns beteiligen, wir müssen das etwas grundsätzlicher lösen, um hier auch eine Bereitschaft zu signalisieren, das in die eigenen Bücher zu nehmen und die Verluste dann auch effektiv zu buchen. Da sieht man, dass insbesondere die Bundesrepublik hier gesagt hat, ja, wir sind bereit, die Franzosen aber wie gesagt, was den Privatsektor angeht, sehr zurückhaltend sind.

    Reese: Jetzt fällt diese private Beteiligung mit 37 Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren ja relativ gering aus. Ist das die freiwillige substanzielle Beteiligung der Banken und Versicherungen, von der man im Vorfeld geredet hat?

    Steffens: Na ja, 37 Milliarden - man muss sich das auch mal aufgrund der Diskussion wirklich vor Augen führen -, das ist schon viel Geld und es ist eine substanzielle Beteiligung. Gleichwohl muss man sehen: Es wird im Wesentlichen die Beteiligung sein, indem man eben jetzt fällige Anleihen in langfristige Anleihen umtauscht und damit auch den Zins etwas, wenn Sie so wollen, zurücknimmt, und die Banken müssen damit ihre Verluste de facto nicht wirklich buchen, sondern sie nehmen es als langfristiges Investment mit einem gewissen Zins. Das ist durchaus tragbar und auch verdaubar, insbesondere auch für die deutsche Bankenindustrie. Gleichwohl ist es eben nach wie vor so, dass die größte, wenn Sie so wollen, Belastung die öffentlichen, also die Haushalte der Staaten tragen müssen, und da ist die Bundesrepublik aufgrund des Verteilschlüssels in der Europäischen Union eben ganz vorne mit dabei.

    Reese: Kommen wir noch mal auf die Beteiligung der privaten Gläubiger zurück. Da war ja im Vorfeld die Angst, dass das gleich als Zahlungsausfall Griechenlands gewertet wird. Wird das nun so der Fall sein?

    Steffens: Ich glaube, es wird nicht der Fall sein, weil eben die sogenannten Versicherungen gegen Zahlungsausfälle nicht wirklich ausgelöst werden sollen. Man befürchtet, ohne das im einzelnen genau wirklich zu verstehen, wie die Kapitalmärkte reagieren könnten - das weiß man eben nicht, das ist auch ein Stück weit ein Buch mit sieben Siegeln -, man versucht eben, diesen, wenn Sie so wollen, Fall, wo die Kredite eben nicht zurückgezahlt werden müssen und damit eben die Versicherungen, also die berühmten CDSs, ausgelöst werden, zu vermeiden, aus einer Angst heraus, dass man Irrationalitäten am Markt insgesamt befürchtet, und aufgrund der Erfahrungen, die man insbesondere mit der Lehman-Pleite erlebt hat, versucht man, dieses um jeden Preis zu vermeiden. Ich bin durchaus aber der Meinung, dass man hier klarere Schnitte formulieren sollte, weil die Märkte werden sich darauf einstellen und dieses Lavieren, wenn Sie so wollen, um den heißen Brei, was de facto jetzt auch wieder der Fall ist, nicht wirklich eine langfristige Lösung für uns alle formulieren kann.


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