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Niederländer hoffen auf Dijsselbloem

Er gilt als ruhig und diplomatisch, spricht mehrere Sprachen fließend und soll in die mehr als großen Fußstapfen von Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker treten: Jeroen Dijsselbloem ist die Hoffnung der Niederländer für Brüssel, endlich wieder eine große Rolle auf EU-Ebene zu spielen.

Von Kerstin Schweighöfer | 21.01.2013
    Wird er es - oder wird er es nicht? Diese Frage stellen sich die Niederländer schon seit Wochen in Talkshows, an Stammtischen und in den Meinungsspalten der Zeitungen:

    "Gaat u het nou worden of niet?"

    Heißt der neue Vorsitzende der Euro-Gruppe tatsächlich Jeroen Dijsselbloem? Spross einer katholischen Lehrerfamilie aus Eindhoven, Agrarökonom, überzeugter Sozialdemokrat und – gerade einmal 46 Jahre alt – seit November Finanzminister der Niederlande?
    Viele seiner Landsleute können es kaum erwarten, erstmals nach EZB-Chef Wim Duisenberg in Brüssel wieder ein wichtiges Amt zu bekleiden - und damit dem Rest der Welt zu beweisen, dass auch ein kleines Land Großes bewirken kann.

    "Wir müssen in Brüssel ein Wort mitreden können. Dijsselbloem könnte dafür sorgen”", sagt diese Frau. ""Dann haben wir vielleicht wieder mehr Einfluss - und jemanden, der auf die Bremse tritt!”"

    ""Ich fände das prima. Vorausgesetzt, Angela Merkel bleibt weiterhin so unnachgiebig und hält das Portemonnaie geschlossen!”"

    Dijsselbloem selbst hat sich wochenlang in Zurückhaltung geübt. Erst letzten Freitag, nachdem die Franzosen auf einmal im letzten Moment Vorbehalte geäußert hatten, gab er bekannt, offiziell zu kandidieren.

    Dass die Franzosen den Niederländern einen Strich durch die Rechnung machen könnten, hat den Polderstaat in helle Aufregung versetzt. Paris wird in den Medien als Spielverderber bezeichnet, als jemand, der "Ruß ins Essen streut”, wie es hier heißt.

    Schließlich gilt Dijsselbloem trotz seiner Unerfahrenheit als idealer Kandidat: Erstens kommt er aus einem finanziell soliden Mitgliedsland mit Triple A-Status. Zweitens gilt der ruhige und fast immer ernst dreinschauende jungenhafte Mann als Brückenbauer und Diplomat. Den strengen Sparkurs seines christdemokratischen Vorgängers Jan Kees de Jager will Dijsselbloem zwar fortsetzen, aber nicht sofort auf Frontalkurs gehen – was ihm in Brüssel viele Sympathien eingebracht hat. Er bringt auch die nötigen Fremdsprachenkenntnisse mit, spricht fließend französisch und fast akzentfrei englisch.

    Wer immer auch die Nachfolge von Jean Claude Junker antrete: Es sei nicht leicht, der nächste Mister Euro zu sein, so Dijsselbloem zu britischen Journalisten. Schon allein deshalb, weil Junker das Amt so ausgezeichnet ausgeübt habe.

    Das Image des zweifachen Familienvaters Dijsselbloem ist allerdings ein bisschen langweilig und bieder. Vielleicht machten Parteigenossen deshalb vor Kurzem bekannt, dass er ein ebenso ausgezeichneter wie leidenschaftlicher Salsa-Tänzer sei, der schon so manche Nacht durchgetanzt habe.

    Diese Ausdauer könne er in Brüssel gut gebrauchen, um die Doppelbelastung als Mister Euro und Finanzminister durchzustehen. Selbst glaubt er nicht, dass ihm das zu viel werden könnte:
    In den Wochen vor Weihnachten sei er zwei Tage wöchentlich in Brüssel gewesen, um bis tief in die Nacht hinein zu tagen. Und, so Dijsselbloem:

    ""Ich lebe noch!”"

    Im Parlament steht eine Mehrheit hinter seiner Kandidatur. Die europaskeptischen Sozialisten allerdings und auch die europafeindliche "Partei für die Freiheit” PVV von Geert Wilders haben Bedenken. Sie fürchten Interessenkonflikte.

    ""Wenn Dijsselbloem ernannt wird, müssen wir noch mehr zahlen als bisher”", schimpft PVV-Abgeordneter Barry Madlener.

    Aber die Populisten haben viel Kredit verspielt. Nicht umsonst mussten sie bei den letzten Wahlen herbe Verluste einstecken.

    ""Die legen doch immer wieder die gleiche Schallplatte auf!”" meint diese Wählerin.
    Und ihr Mann ergänzt:

    ""Dijsselbloems Ernennung wäre eine Ehre für die Niederlande. Ob sich dadurch wirklich etwas für uns ändert, sei dahingestellt."

    "Aber wir wünschen Dijsselbloem viel Glück – wenn er es denn wirklich werden sollte!"

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