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Niederländische Regierung will drastisch sparen

Die Niederländer bekommen eine sozialliberale Regierung. Die zukünftige Koalition aus Rechtsliberalen und Sozialdemokraten hat sich auf ein Programm gegen die Staatsverschuldung geeinigt. Sie räumt ein: Die Niederländer werden den Gürtel enger schnallen müssen.

Von Ludger Kazmierczak | 30.10.2012
    "Unser Land hat in Folge der Finanzkrise große Probleme", sagte Ministerpräsident Mark Rutte bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages in Den Haag. Der rechtsliberale Premier will daher auch mit dem neuen Regierungspartner seinen strengen Sparkurs fortsetzen.

    "Auch in den kommenden Jahren zwischen 2012 und 2017 bitten wir erneut um Zustimmung für ein Programm, das helfen soll, 16 Milliarden Euro zusätzlich einzusparen. Das heißt also noch mal 1000 Euro pro Niederländer – egal ob jung oder alt."

    Rutte steht für strenge Haushaltsdisziplin und eine pro-europäische Politik. Brüssel soll sich auf die Niederlande verlassen können. Die Politik des neuen Kabinetts, so der Premier, ruhe auf drei Pfeilern.

    "Das Kabinett will die Schatzkiste in Ordnung bringen. Wir wollen ehrlich teilen, und wir wollen für nachhaltiges Wachstum arbeiten. Das sind die drei Pfeiler unter der Vereinbarung, die wir vorgelegt haben."

    Rutte präsentierte die Pläne der Regierung gemeinsam mit Diederik Samsom, dem Verhandlungsführer der Sozialdemokraten. Beide machten deutlich, dass sie schmerzhafte Kompromisse eingegangen sind. Acht Milliarden Euro, die im Sozial- und Gesundheitswesen eingespart werden sollen – das schmerzt Samsoms Arbeitspartei. Sieben Milliarden mehr an Belastung für Hollands Unternehmen – das tut den Liberalen weh. Die Krankenkassenbeiträge werden erhöht und einkommensabhängig gestaffelt, die Dauer der Arbeitslosenhilfe wird gekürzt. Gegen den Willen der liberalen VVD können Hypothekenzinsen künftig nur noch teilweise steuerlich abgesetzt werden. Dafür akzeptiert die Partij van de Arbeid zähneknirschend, dass das Budget für Entwicklungshilfe um eine Milliarde Euro gekürzt wird. Diederik Samsom:

    "Auf internationalem Gebiet werden sich die Niederlande gegenüber Europa und der Welt offen zeigen. Wir setzen auf Zusammenarbeit und Handel. Dabei verhehle ich nicht, dass die Reformen bei der Entwicklungshilfe mit schmerzhaften Einschnitten einhergehen."

    Die beiden Koalitionsparteien liegen in zentralen Fragen weit auseinander. Anstatt in allen Punkten nach einem Konsens zu suchen, haben sie sich darauf verständigt, dass jeder seine Standpunkte in bestimmten Bereichen vertreten darf. Der eine hier, der andere da. Der Ökonom Arnoud Bout hält diese Taktik für äußerst riskant.

    "Hier wurde ein Maßnahmenpaket geschnürt, das einerseits für ordentliche Staatsfinanzen sorgen soll, aber andererseits haben die Parteien dafür eigene Standpunkte aufgeben müssen. Daher stellt sich die Frage, wie haltbar diese Maßnahmen sind."

    Die Opposition reagierte erwartungsgemäß kritisch auf das Koalitionspapier. Opfer der Sparmaßnahmen seien vor allem Familien und Geringverdiener, bemängeln Kritiker, wie Alexander Pechtold von der linksliberalen Partei D66.

    "Ich fürchte, dass dieser Sparbetrag am Ende von den Arbeitnehmern und den Unternehmen bezahlt werden muss. Allein sieben Milliarden Euro durch die Betriebe, damit steigt auch die Arbeitslosigkeit."

    Im Parlament verfügt das neue Regierungsbündnis über eine Mehrheit – im Senat dagegen nicht. Hier könnten die Oppositionsparteien also die Muskeln spielen lassen. Und der Rechtspopulist Geert Wilders hat auch gleich angedeutet, dass seine Partei für die Freiheit genau dies tun werde.

    "Wenn ich die Analysen sehe, führt das Abkommen dazu, dass wir weniger Wirtschaftswachstum haben werden. Es kommen mehr Arbeitslose dazu. Das sind alles falsche Entscheidungen, die schlecht und destruktiv für die Niederlande sind. Hier werden wir heftig Opposition zeigen."

    Als Wahlsieger werden die Liberalen mit Mark Rutte den Ministerpräsidenten und sechs Minister stellen, die Partei van de Arbeit bekommt ebenfalls sechs Ressorts, darunter die Außen-, die Finanz- und die Innenpolitik. Vizepremier wird der junge Amsterdamer Beigeordnete Lodewijk Asscher, der als großes Talent und Hoffnungsträger seiner Partei gilt. Diederik Samsom zieht nicht ins Kabinett ein. Er bleibt Fraktionschef. Größte personelle Überraschung ist die Nominierung der 39-jährigen Jeanine Hennis zur Verteidigungsministerin. Die frühere EU-Abgeordnete ist die erste Frau, die dieses Amt übernimmt.