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Niederlande
Ärger um deutsche Pkw-Maut

Die von der Großen Koalition geplante Pkw-Maut für Ausländer stößt in den Niederlanden auf Ablehnung. Besonders Menschen in der Grenzregion sind empört. Auch die Politik will sich wehren. Sie fürchtet, dass weniger Touristen über Deutschland ins Land kommen werden.

Von Kerstin Schweighöfer | 09.12.2013
    1,69 Euro kostet der Liter Benzin an diesem Morgen an den Markentankstellen in Leiden, hat die junge Mutter mit den beiden Kindern im Auto festgestellt. Sie tankt deshalb immer am südlichen Stadtrand von Leiden, da liegt der Preis heute bei 1,62 Euro.
    Denn diese Tankstelle ist ohne Personal: Man muss erst am Automaten mit der Kreditkarte zahlen, bevor man tanken kann. Das macht es billiger.
    Der niederländische Benzinpreis ist der höchste in der EU. Doch als ob das nicht schon genug wäre: Nun sollen niederländische Autofahrer auch noch auf deutschen Autobahnen zur Kasse gebeten werden.
    Lächerlich, einfach lächerlich sei die geplante Pkw-Maut, schimpft der Mann an der Zapfstelle nebenan. Er fährt regelmäßig durch Deutschland in den Süden. "Ich kann nur hoffen, dass unsere Regierung und unser ADAC die Pkw-Maut verhindern können!", sagt er.
    Der Mann hinter ihm kann ihm nur beipflichten. Er wäre ganz besonders betroffen, denn er wohnt nicht hier an der Küste, sondern im Grenzgebiet:
    Belastungen für Touristen
    "Zum Tanken über die Grenze fahren, das lohne sich dann nicht mehr, auch Einkaufen oder das Tässchen Kaffee mit Apfelkuchen in Bad Bentheim werde ein teurer Spaß."
    Das gelte auch für Touristen, die erst durch Deutschland fahren müssen, um die Niederlande zu besuchen und Rembrandts Nachtwache zu bestaunen. Österreicher zum Beispiel. Oder Italiener. Deshalb macht sich auch das Niederländische Büro für Tourismus NBTC Sorgen.
    Denn diese Touristen könnten dann wegbleiben, fürchtet NBTC-Mitarbeiterin Therese Ariaans.
    Im niederländischen Parlament, links wie rechts, ist die Empörung ebenfalls groß: Maut sei elitär, schimpfen die Sozialisten. Menschen mit einem dicken Portemonnaie hätten weiterhin freie Fahrt. Die Sozialdemokraten machen sich vor allem Sorgen um die Pendler im Grenzgebiet. Und für die niederländischen Christdemokraten sind die Maut-Pläne "ein Schritt in eine falsche Richtung", so Abgeordneter Sander de Rouwe:
    "UnsereVerkehrsministerin muss umgehend Alarm schlagen und Deutschland klar machen, dass eine Pkw-Maut weder gut ist für die Wirtschaft noch für das bilaterale Verhältnis!"
    Gemeinsam mit Österreich rechtliche Schritte einleiten?
    Die niederländische Verkehrsministerin Melanie Schultz hat bereits Kontakt gehabt mit ihrem deutschen Kollegen und ihm mitgeteilt, dass die Niederlande alles andere als erfreut seien über die Pläne. Schultz spricht von Diskriminierung, denn deutsche Autofahrer sollen ja im Gegensatz zu allen anderen entschädigt werden. Die Ministerin schließt nicht aus, dass sich die Niederlande Österreich anschließen, um gemeinsam rechtliche Schritte zu unternehmen:
    "Ich möchte außerdem, dass sich die EU-Kommission die Maut-Pläne genauer anschaut”, so Schultz. “Sollte es tatsächlich so weit kommen, dann muss zumindest eine Art Freizone im Grenzgebiet geschaffen werden!"
    Viele Niederländer fordern inzwischen, im Gegenzug ebenfalls eine Maut-Gebühr einzuführen, sozusagen aus Rache. Aber das sei wenig sinnvoll, stellte Premierminister Mark Rutte klar:
    "Wir sind nun einmalkein Transitland, damit würden wir uns ins eigene Fleisch schneiden und Touristen davon abhalten, sich an unseren Stränden zu erholen oder auf den friesischen Seen zu segeln."
    "Eine Gräte, die im Hals stecken zu bleiben droht"
    Touristen, die übrigens in der Hauptsache aus Deutschland kommen. Auch Premierminister Rutte hat bereits auf der anderen Seite der Grenze protestiert - und zwar bei Bundeskanzlerin Angela Merkel höchstpersönlich. Die deutschen Maut-Pläne sind für ihn “eine Gräte, die den Niederländern im Hals stecken zu bleiben droht”.
    Aber, so versuchte der Premier die Gemüter zu beruhigen: Noch sei nicht aller Tage Abend:
    "Auch Belgien versucht schon seit Jahren, eine Autobahngebühr einzuführen, ebenfalls mit einer Entschädigungsregelung für die eigenen Bürger. Bislang konnten diese Pläne nicht verwirklicht werden - eben weil eine solche Gebühr diskriminiert und gegen europäisches Recht verstößt. Auch die Deutschen werden sich deshalb mit einer Einführung schwertun."
    Die Suppe, so hofft der niederländische Premierminister, werde nicht so heiß gegessen, wie sie auf den Tisch komme. Wobei es sich in diesem Falle wohl um eine Bouillabaisse handeln dürfte.