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Niederlande
Der Trend zum "Stecker-Auto"

Rund eine Million Elektrofahrzeuge sollen bis 2020 über Deutschlands Straßen rollen. Mit freier Fahrt auf Busspuren und speziellen Parkplätzen soll der Durchbruch klappen. Aber vielleicht hilft auch ein Blick über die Grenze. In den Niederlanden erleben die Stecker-Autos, wie sie dort genannt werden, gerade einen regelrechten Boom.

Von Kerstin Schweighöfer | 22.10.2014
    Zuidpunt heißt die Raststätte an der A16 zwischen Rotterdam und Antwerpen, Südpunkt. Fast alle Parkplätze sind besetzt, auch an der Tankstelle stauen sich die Autos. Dahinter scheint eine zweite Tankstelle zu liegen, mit einem großen gelben Bogen, aber unter dem steht nur ein einziger Wagen. Ein Nissan Leaf.
    "Aha!", meint ein Mann, der gerade mit Frau und Wohnwagen vorgefahren ist. "Eine Ladestelle für Elektroautos!" Auch er brauchte eine Weile, um das zu erkennen.
    Die beiden haben gerade getankt, Euro 95 bleifrei. Für 1,75 Euro pro Liter. Der Benzinpreis gehört zu den höchsten in ganz Europa. Das Laden eines Elektroautos würde sie nur 12 Euro kosten. Aber, so stellt die Frau klar: "Bloss nicht! Da bekäme ich ja einen Herzinfarkt, weil ich jedes Mal Angst hätte, dass wir keine Ladestelle finden und stehen bleiben!"
    Michiel Langezaal, Eigentümer des Nissan Leaf und einer der beiden Direktoren von Fastned, kann über solche Ängste nur lachen. Schon bald werden sie der Vergangenheit angehören, da ist sich der 33-Jährige ganz sicher.
    Denn bis Ende 2015 will FastNed das niederländische Autobahnnetz flächendeckend mit Schnellladestellen für Elektroautos versorgen. 200 sollen es werden, jede Woche wird eine neue eröffnet, der Zuidpunt war die 13.: "Wir besorgen dem Autofahrer ein Gefühl von Sicherheit und Freiheit! Wir werden das Shell der Zukunft!"
    In Großtädten wie Rotterdam oder Amsterdam kann man sein Elektroauto bereits an jeder Straßenecke aufladen. Doch dort dauert das Laden Stunden. An den neuen Autobahnschnellladestellen hingegen ist der Akku in 20 Minuten voll. Und bald, so prophezeit Langezaal, wird es noch schneller gehen, denn Akkus und Lader werden immer besser.
    Den Haag lockt mit drastischen Steuererleichterungen
    Das gilt auch für den Bewegungsradius: Inzwischen gibt es Mittelklasse-Elektroautos, mit denen man 250 Kilometer fahren kann. Der "Kodakmoment" rücke immer näher, so Langezaal:
    "So wie die digitale Kamera die Fotorolle überflüssig machte, wird der Stromer bald den Benziner ersetzen!"
    Noch ist es nicht soweit: Rund acht Millionen Benziner gibt es in den Niederlanden – aber nur 40.000 elektrische und hybride Autos. 220.000, so will es Den Haag, sollen es bis 2020 sein. Deshalb hilft das Finanzministerium mit drastischen Steuererleichterungen nach. Wer sich 2013 ein "Stecker-Auto" wie sie hier heißen, anschaffte, konnte bis zu 75 Prozent des Ankaufpreises sparen. Folge: Die Zahl der verkauften Elektro-Autos ist regelrecht explodiert – 22.000 waren es 2013, dreimal mehr als 2012.
    Auch der Rotterdamer Geschäftsmann Yunlia Jye hat davon profitiert: Der 35Jährige hat sich die Luxuslimousine unter den Elektroautos angeschafft: einen Tesla S 85. Mit einem vollen Akku kann er bis zu 400 Kilometer fahren.
    "Normalerweise hätte mich dieses Auto 100.000 Euro gekostet, doch ich fahre es für 45.000!"
    Die staatliche Förderung für Elektroautos wurde zwar eingeschränkt. Aber wer ein Stecker-Auto fährt, hat immer noch viele Vorteile, braucht weder KFZ-Steuer zahlen noch die in den Niederlanden für Neuwagen übliche Anschaffsteuer – beide sind extrem hoch. Auch die private Nutzung des Geschäftsautos ist weitaus günstiger.
    Yunlia jedenfalls hat nicht mehr vor, sich jemals wieder einen Benziner anzuschaffen. Den Stecker-Autos gehöre die Zukunft. Leiser sind sie, billiger, umweltfreundlicher. Und gut aussehen würden sie inzwischen auch.