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Niedersachsen
Fracking nach deutschem Reinheitsgebot

Es gibt in Deutschland zahlreiche Gas-Vorkommen, die man man fördern könnte - aber nur mit umstrittenen Fracking-Methoden. Niedersachsen möchte die Regeln fürs Fracking verschärfen. Dazu hat die rot-grüne Landesregierung einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der jetzt im Bundesrat diskutiert wird.

Von Alexander Budde | 11.07.2014
    Ein Plakat mit der «Stop Fracking» steht am 03.06.2014 in Brünen (Nordrhein-Westfalen) am Niederrhein in einem Feld.
    Gegen das Fracking regt sich bei den Menschen heftiger Widerstand. (dpa / Martin Gerten)
    Michael Sasse spricht für den Energiekonzern Wintershall. Wie Sauerbier muss er anpreisen, was jahrzehntelang ein Exportschlager war:
    "Wir sagen ganz bewusst: Wir sind für Fracking nach deutschem Reinheitsgebot! Weil wir nur für einen begrenzten Einsatz von Chemie sind."
    Erdgas aus heimischer Förderung war zuletzt in Verruf geraten, weil es zum Teil durch das umstrittene Fracking gewonnen wird. Seit 2011 sind keine Projektanträge mehr bearbeitet worden. Die Fördermenge sinkt seitdem jedes Jahr um rund 10 Prozent. Doch jetzt atmet die Branche auf, denn die rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen will das Fracking, die Gasgewinnung unter Einsatz von hohem hydraulischen Druck und Chemie, grundsätzlich erlauben - mit strengen Auflagen. Bundeswirtschaftsminister Gabriel plant auch bundesweit eine entsprechende Zulassung. Wintershall-Mann Sasse will das den Kritikern schmackhaft machen.
    "Deutschland ist nicht die USA, Tight-Gas ist nicht Schiefergas! Und so gibt es eben Unterschiede - nicht nur beim Bier, sondern auch bei der Erdgasförderung."
    Verpresste Chemikalien könnten Grundwasser gefährden
    Als besonders gefährlich gilt die Förderung von Schiefergas. Dabei wird oft nahe der Oberfläche gebohrt. Mit größerer Gefahr fürs Trinkwasser. Tabu waren zuletzt aber auch solche Projekte, bei denen es nur einer kurzen hydraulischen Stimulation bedürfte, damit das Erdgas von sich aus in die Bohrung strömt. Dieses Fracking sei eine sichere Methode, etwa um Erdgas aus Sandgestein in 3 bis 5.000 Metern Tiefe zu gewinnen, sagt Hans-Joachim Kümpel. Bei 300 Fracks allein in Niedersachsen in den letzten 50 Jahren habe es nicht eine einzige Havarie gegeben, versichert der Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (GBR).
    "Wir können als geologische Dienste nur darauf hinweisen, wie die Verhältnisse im Untergrund sind. Aber wir sagen auch deutlich, dass viele der Risiken, die dargestellt werden, verzerrt und überzogen sind."
    Niemand könne heute mit Gewissheit sagen, ob die vor Jahrzehnten verpressten Chemikalien nicht vielleicht doch eines Tages ins Grundwasser gelangen, hält Niedersachsens grüner Umweltminister Stefan Wenzel dagegen.
    "Das Problem ist, dass sich lange Zeit niemand dafür interessiert hat. Und von daher ist auch lange Zeit nicht genau hingeguckt worden, welche Chemikalien dort eigentlich eingesetzt werden. Die Branche hat lange geglaubt, dass man der Öffentlichkeit Fakten vorenthalten kann. Das hat sich als Trugschluss erwiesen. Und dafür zahlt man jetzt den Preis."
    Klare Worte - doch die Fracking-Gegner werfen Wenzel vor, dass er nicht ebenso klar handelt. Der grüne Umweltminister hat nämlich im trauten Einklang mit Wirtschaftsminister Olaf Lies von der SPD einen Runderlass auf den Weg gebracht. Demzufolge soll Fracking aus konventionellen Lagerstätten weiter erlaubt sein. Stephan Ott vom BUND fordert dagegen ein umfassendes Verbot zum Schutz des Grundwassers. Das Vorhaben der Landesregierung geißelt er als Einknicken vor der Gaslobby. Immerhin profitiert das Land von den Förderabgaben für Erdgas, im Vorjahr rund 600 Millionen Euro.
    Nicht die letzten Reserven der Erde ausbeuten
    Nach unserer Auffassung sind es SPD und Grüne, die dieses Projekt gemeinsam vorantreiben. Das im Grunde gegen ökologische Belange und gegen ein Risiko steht.
    Der so gescholtene Wenzel verteidigt die Pläne: Erstmals werde die Landesregierung verbindlich eine Umweltverträglichkeitsprüfung sowie strenge Auflagen beim Fracking festschreiben, etwa die Zulassung nur von solchen Chemikalien, die nicht als gefährlich eingestuft sind. Die nötige Anpassung des Bergrechts werde Rot-Grün im Bundesrat durchsetzen, kündigt Wenzel an. Und noch ein Bekenntnis gibt er ab.
    "Wir wollen definitiv keine Schiefergasförderung! Da bin ich mir einig mit meinem Kollegen vom Wirtschaftsressort. Das ist einerseits von den Risiken her nicht abschätzbar. Aber auch aus klimapolitischer Sicht sage ich: Wir müssen nicht die letzten Reserven der Erde ausbeuten!"