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Niederschlagsdaten
GPS-Satelliten messen Regen über dem Ozean

Um Dürren, Unwetter und Überschwemmungen besser einzuschätzen, braucht man Niederschlagsdaten - auch über dem Meer, wo solche Messungen schwierig sind. Forscher des Geoforschungszentrums Potsdam haben dafür eine Lösung gefunden: Sie nutzen GPS-Satelliten.

Milad Asgarimehr im Gespräch mit Ralf Krauter | 16.01.2019
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    Mit dem Klimawandel verändern sich die Wasserkreisläufe der Erde (dpa picture alliance/ Christof Martin)
    Ralf Krauter: Wie können Navigationssatelliten dabei helfen, Regen über dem Ozean zu messen?
    Milad Asgarimehr: Die Signale von Navigationssatelliten sind rund um den Globus zu empfangen. Sie durchdringen die Atmosphäre und werden von der Erdoberfläche reflektiert. Wenn man das zurückgeworfene Signal analysiert, kann man daraus Rückschlüsse über die geophysikalischen Strukturen am Erdboden ziehen. GPS-Signale sind kostenfrei verfügbar und dienen der Positionsbestimmung. Doch wir zweckentfremden sie und benutzen sie zur Fernerkundung. Wir fangen von der Meeresoberfläche reflektierte GPS-Signale mit einem GPS-Empfänger an Bord eines Kleinsatelliten auf, der die Erde in niedriger Höhe umkreist. Und wir werten dieses Signal aus, um Informationen über die Luft und den Ozean zu erhalten. Wir nennen diese Technik Globale Satellitennavigationssystem-Reflektometrie, kurz GNSS-Reflektometrie.
    Regentropfen machen die Meeresoberfläche rauer
    Krauter: Sie messen die Reflexion von GPS-Signalen an der Meeresoberfläche. Wie stark wird die von Regentropfen beeinflusst, die irgendwo ins Wasser fallen?
    Asgarimehr: Die Stärke der reflektierten Signale, die beim Empfänger ankommen, ist umgekehrt proportional zur Rauigkeit der Ozeanoberfläche. Je rauer die Wasseroberfläche, umso schwächer das Signal am Empfänger. Da es vor allem Wind und Wellen sind, die die Wasseroberfläche kräuseln, haben andere Wissenschaftler kürzlich gezeigt, dass man mittels GNSS-Reflektometrie die Windverhältnisse an der Meeresoberfläche rekonstruieren kann. Da wir wissen, dass Regentropfen, die ins Wasser fallen, die Meeresoberfläche rauer machen, haben wir uns gefragt: Können wir dieselbe Methode nutzen, um festzustellen, ob es in einer bestimmten Region regnet? Und die Antwort lautet: ja. Bei schwachem bis mäßigem Wind verrät die veränderten Rauigkeit der Wasseroberfläche, wo es gerade regnet.
    Mit geringem Aufwand zusätzliche Daten gewinnen
    Krauter: Können Sie schon sagen, wie genau eine Niederschlagsmessung auf Basis dieser Methode sein könnte?
    Asgarimehr: Die Signale von Navigationssatellitensystemen wie GPS werden heute vielfach dazu verwendet, um eine Reihe geophysikalischer Parameter zu erfassen. Aber sie wurden noch nie als Regenindikator genutzt. Wir konnten jetzt zeigen: Mit Hilfe kostenfreier GPS-Signale und preiswerter Kleinsatelliten ist es möglich, die Niederschlagsverteilung über dem Ozean zu messen - und zwar viel großräumiger und häufiger als bislang. Die Frage, in welchem Ausmaß unser Verfahren künftig anderen Fernerkundungsmethoden Konkurrenz machen wird, können wir allerdings noch nicht beantworten. Unsere Studie weist den Weg, um mit Hilfe bereits existierender Satelliten detailliertere Niederschlagsinformationen zu erhalten. Wir können mit geringem Aufwand zusätzliche Daten gewinnen. Und während die meisten konventionellen Fernerkundungstechniken Wassertropfen in der Luft registrieren, messen wir jene Regentropfen, die wirklich ins Meer fallen. Die Technik ist noch in den Kinderschuhen und muss verbessert werden. Aber die Mühe dürfte sich lohnen, weil die Daten uns helfen könnte, wichtige Wissenslücken bezüglich der globalen Niederschlagsverteilung zu schließen.
    Überwachung von Unwettern
    Krauter: Wer interessiert sich für solche Niederschlagsinformationen? Welche Anwendungen haben Sie im Visier?
    Asgarimehr: Da wir neue Datensätze mit Regeninformationen produzieren können, könnte eine der ersten Anwendungen in naher Zukunft die Überwachung von Unwettern sein. Wenn es beispielsweise irgendwo in den Tropen über dem Ozean heftig regnet, könnten wir den Ort lokalisieren. Ich denke, das wird das wichtigste Einsatzgebiet sein. Aber auch beim Verständnis des globalen Wasserkreislaufs versprechen wir uns spannende Einblicke. Denn die Niederschläge, das Wetter und Klima an Land und über dem Meer sind ja eng miteinander verknüpft.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.