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DEAL-Verhandlungen
Erster großer Schritt in Richtung Open Access

Millionen Euro pro Jahr für wissenschaftliche Literatur? Nicht zeitgemäß, finden Universitäten und Forschungseinrichtungen. Künftig sollen Forschende entscheiden, ob ihre Artikel frei zugänglich publiziert werden. Eine entsprechende Einigung mit einem der großen Wissenschaftsverlage gibt es bereits.

Von Felix Schledde | 05.04.2019
Bibliotheksdirektorin Antje Kellersohn posiert zwischen Bücherregalen in der Universitätsbibliothek
Bibliotheksdirektorin Antje Kellersohn von der Universitätsbibliothek Freiburg plädiert für eine neue Art des Zugangs zu wissenschaftlicher Literatur: Open Access (picture alliance / dpa / Patrick Seeger)
"Wir geben etwas mehr als drei Millionen Euro per annum für Literatur aus und ein immer größerer Anteil unserer Ausgaben bezieht sich auf die elektronischen Angebote." Das ist Antje Kellersohn, die Leiterin der Universitätsbibliothek Freiburg.
Sie braucht die Zeitschriften der großen Wissenschaftsverlage Wiley, Springer Nature und Elsevier, um die Forschenden ihrer Uni mit den neuesten Aufsätzen aus der Wissenschaft zu versorgen. Aber die Abo-Preise sind zu hoch und die Abonnements an sich seien auch nicht mehr zeitgemäß. Sie fordert eine neue Art des Zugangs – und setzt sich dafür ein als verhandelndes Mitglied und Sprecherin von DEAL. Das ist ein Projekt von knapp 700 Universitäten, Bibliotheken und Forschungsgesellschaften, die das Verlagsmodells refomieren wollen.
"Initiator des Projekts DEAL ist die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen, das Ganze wurde unter die Obhut der Hochschulrektorenkonferenz gegeben. Wir wollen den Umstieg zum Open Access publizieren beschleunigen, dann muss auch das Preismodell auf neuen Kennzahlen aufgesetzt werden."
Und das heißt konkret: DEAL will erstens fairere Preise. Und zweitens für alle siebenhundert wissenschaftliche Einrichtungen, die am Projekt teilnehmen, freien Zugang zu den Journalen der großen Verlage. Außerdem sollen die Veröffentlichungen von Forschenden der teilnehmenden Einrichtungen sofort im Open Access Verfahren zugänglich sein, denn: "Open Access ermöglicht es ja, dass wissenschaftliche Informationen publiziert werden können und jeder Mensch auf der Welt kann ohne zusätzliche Kosten und Barrieren darauf zugreifen."
Elsevier bricht Verhandlungen ab
Die Verhandlungen zu dem Thema verliefen sehr unterschiedlich. Mit Elsevier wurden sie im Sommer 2018 ganz unterbrochen – die Standpunkte waren zu unterschiedlich. Aber mit Wiley konnte sich die DEAL-Gruppe im Januar diesen Jahres einigen. Darüber freut sich nicht nur Antje Kellersohn, sondern auch Guido Herrmann. Er ist Wileys Geschäftsführer in Deutschland. "Konkret bedeutet dies, dass nun Universitäten, Forschungsinstitute, Fachhochschulen, dass alle Angehörigen dieser Einrichtungen in allen 1.500 Journalen der Wiley-Verlagsgruppe Open Access publizieren können."
Kellersohn: "Und wir rechnen damit, dass etwa 10.000 Artikel pro Jahr durch diese Vertragskomponente im Open Access ohne Embargofrist, ohne zusätzliche Kosten, freigeschaltet werden können." Außerdem bekommen die Mitglieder von DEAL für drei Jahre Zugriff auf das gesamte Zeitschriftenportfolio von Wiley – zurück bis ins Jahr 1997. Das ist ein großer Schritt, um Open Access in der Wissenschaft offiziell zu etablieren.
Allerdings betonen DEAL und Wiley, dass niemand dazu gezwungen wird, im Open-Access-Format zu veröffentlichen. Die Forschenden haben das letzte Wort, ob ihre Artikel frei zugänglich publiziert werden oder nicht. Außerdem muss niemand selbst für die Veröffentlichung seiner Texte bezahlen, was eigentlich bei Open Access üblich ist. Die Kosten übernehmen die jeweiligen Universitäten und Forschungseinrichtungen.
Wiley und DEAL einigen sich
Hermann: "Die Rolle des Verlages ändert sich dann natürlich schon insofern, als dass sich das gesamte Bezahlmodell, also die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, sehr stark ändern. Hier in Deutschland funktioniert die Finanzierung dann über zentrale Geldgeber und die Mittel werden berechnet nach der Zahl der publizierten Artikel pro Land."
DEAL und Wiley wollen in Zukunft beim Thema Open Access noch enger zusammenarbeiten. Es soll eine Arbeitsgruppe geben, die sich mit dem Thema Bürgerwissenschaft und der Beschleunigung neuer Publikationskonzepte beschäftigt, sagt Antje Kellersohn. "Wir werden auch ein jährliches Symposium mit Nachwuchswissenschaftlern aus Deutschland durchführen, die sich mit neuen Ansätzen in der Forschungskommunikation beschäftigen, und es ist zudem noch geplant ein Flagship Journal aufzusetzen."
Damit haben DEAL und Wiley einen ersten großen Schritt zur Einigung zwischen Wissenschaft und Wissenschaftsverlagen gemacht. Ob diese Einigung auch andere Verlage wie Elsevier dazu bringt, einzulenken und die gestoppten Verhandlungen wieder aufzunehmen, das muss man jetzt abwarten. Antje Kellersohn ist aber zuversichtlich, dass es auch dort bald Neues zu berichten gibt.