Der italienische Komponist Franco Evangelisti

Musikalisches Selbstportrait

Mauricio Kagel und Franco Evangelisti im Gespräch
Franco Evangelisti (rechts) im Gespräch mit Mauricio Kagel bei den Darmstädter Ferienkursen 1958 © IMD, Hans Kenner
Vorgestellt von Carolin Naujocks · 28.01.2020
Vor 40 Jahren starb Franco Evangelisti. Der italienische Komponist und Improvisator war einer der radikalsten wie zugleich kritischsten Exponenten des Serialismus. Wir erinnern an den eigenwilligen Streiter mit einem historischen Selbstportrait.
Als Verfechter einer avancierten, bis ins Politische hinein konsequenten musikalischen Ästhetik, spielten für Franco Evangelisti der experimentelle Aspekt und die theoretische Substanz seiner Arbeit eine besondere Rolle. So sehr, dass er nach 1963 das Komponieren einstellte, um sich ganz seinem Buch "Vom Schweigen zu einer neuen Klangwelt" zu widmen.

Alles in Frage stellen

Sein Erkenntnisziel war das Ende einer, "gewissen musikalischen Welt" und die Konstruktion eines möglichen neuen Systems. Doch vielleicht sollte man den Ausspruch des italienischen Musikwissenschaftlers Mario Bertolotto, Evangelistis Musik "beginne bei Null", gar nicht so sehr dahingehend verstehen, dass er versucht hätte, alles neu zu erfinden. Viel wichtiger scheint zu sein, dass er ein anderes Verständnis von Tradition zu etablieren suchte.

"Die wahre Tradition", so Evangelisti, "ist Erinnerung an besondere Ereignisse die schon stattgefunden haben; in der Tradition stehen, bedeutet im Grunde nicht, vergangene Ereignisse, deren Kenntnis freilich notwendig ist, zu erneuern, sondern die eigenen Ereignisse in ihrer Zeitgemäßheit der Erinnerung zu übergeben".

Nur 22 Kompositionen

Erst Jahre später genann Evangelisti wieder an einem Stück zu schreiben. 1979 wurde dieses letzte seiner nicht einmal zwei Dutzend Stücke umfassenden Werkliste uraufgeführt: "Campi integrati No. 2".
Sein Buch hat er nicht fertigstellen können, er starb 1980 mit 54 Jahren infolge einer Gehirnblutung.

Kompromisslose Haltung

Evangelisti vertrat immer eine Haltung, die die zeitgenössische Musik als Ausdruck ästhetischen Verhaltens ernst nahm, die er deshalb vor dem Hintergrund der ihr innewohnenden Brisanz diskutierte.

In seinem Selbstportrait, ein Dokument des Bayerischen Rundfunks aus dem Jahr 1963, wird die Konsequenz seines kompositorischen Denkens und seine dem Kulturbetrieb gegenüber kompromisslose Haltung offenbar, die ihn später zu einem der unbequemsten Kritiker seines eigenen Kreises machte.
(nau)

In der Kürze der Zeit
Ein Selbstporträt des Komponisten Franco Evangelisti

Produktion: Bayerischer Rundfunk 1963

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