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Nigeria
Wenn der Klimawandel zuschlägt

Das bevölkerungsreichste Land Afrikas ist besonders stark vom Klimawandel betroffen. So könnten in Nigeria die Durchschnittstemperatur bis Ende des Jahrhunderts um drei bis sechs Grad Celsius steigen. Schon jetzt sind die Auswirkungen spürbar - etwa in Strand der Ortschaft Okun-Alfa bei Lagos.

Von Katja Scherer | 09.04.2018
    Ruinen am Strand von Okun Alfa in der Nähe von Lagos. Den Rest hat sich das Meer mit der letzten Sturmflut geholt
    Ruinen am Strand von Okun Alfa in der Nähe von Lagos. Den Rest hat sich das Meer mit der letzten Sturmflut geholt (Michael Stürzenhofecker)
    Ein Strand am Stadtrand von Lagos: Kilometerweit weißer Sand – und doch alles andere als ein Urlaubsparadies. Denn die Häuser in den Dünen sind zerstört, nur verwitterte Fundamente sind übrig. Den Rest habe sich das Meer geholt, erzählt Dorfchef Yusuf Elegushi Atewolara, ein großgewachsener Mann in blau-weißem Gewandt: "So viele Dinge, das Rathaus, Wohnhäuser, der Dorfmarkt - alles ist weg."
    Seine Gemeinde hat sich so weit es geht vom Meer zurückgezogen. Männer und Frauen jeden Alters sitzen vor ihren einfachen Holzhütten, ab und zu rattert ein Moped über die sandigen Wege. Seit der letzten großen Flut vor einigen Jahren lebe seine Gemeinde ständig in Angst, erzählt Atewolara. Denn ein Frühwarnsystem gebe es nicht: "Wir fürchten uns, weil wir nicht wissen, was passieren wird. Wenn die nächste Flut kommt, werden die Wellen noch höher sein."
    Klimawandel verschärft die Armut
    Die Folgen des Klimawandels sind in Nigeria überall zu spüren: Sturmfluten werden häufiger, Weide- und Ackerflächen knapper und durch die Erwärmung des Meeres sinken die Fischbestände. Die kommerzielle Fischerei sei stark zurückgegangen, sagt Ako Amadi, Meeresökologe und Gründer der Nichtregierungsorganisation "Gemeinschaft für Entwicklungsinitiativen: "Die meisten Fische, die man bei uns fängt, haben ihren Nachwuchs in den Buchten und Lagunen aufgezogen. Jetzt haben sich die Routen der Tiere verändert und der Fischfang leidet."
    Die Hauptstraße in Okun Alfa
    Die Hauptstraße in Okun Alfa (Michael Stürzenhofecker)
    Das verschärft nicht nur die Armut, sondern auch gewaltsame Landkonflikte und die Terrorgefahr, sagt der Sicherheitsberater Kabir Adamu: "Es erhöht die Armut und die Arbeitslosigkeit und das, gemeinsam mit dem hohen Analphabetismus in den Regionen, macht die Bevölkerung anfällig für die Rekrutierung durch gewalttätige, extremistische Gruppen."
    Umsiedlung als Lösung
    In Nigeria versuchen Umweltschützer und Wissenschaftler gegenzusteuern. Ako Amadi zum Beispiel spricht mit lokalen Führungspersonen über die Folgen des Klimawandels. Von Seiten der Regierung gebe es bisher kaum Anstrengungen, sich an den Klimawandel anzupassen: "Überhaupt keine. Das einzige große Projekt der Regierung ist die Einrichtung einer Nationalen Umweltmanagement Agentur, die Leute rettet, wenn es Probleme gibt. Aber das ist wie eine Feuerwehr."
    Priorität haben stattdessen Entwicklungsprojekte wie Eko Atlantic City, eine künstlich angelegte Halbinsel vor Lagos nach dem Vorbild Dubais. Ein Prestigeprojekt - das aber die Folgen des Klimawandels in der Region verschärft: "Die Meeresströme werden sich verändert. Und diese Ströme vor denen sich Eko Atlantic City mit hohen Mauern schützt, treffen an anderen Stellen auf die Küste. Das wird diese Küstenzonen zerstören - völlig ohne Zweifel."
    Damit rechnet auch Dorfchef Yusuf Elegushi Atewolara. Umso mehr hofft er, dass es bei seiner Regierung bald ein Umdenken gibt. Für seine Gemeinde gebe es nur eine Lösung, um dem Klimawandel dauerhaft zu entkommen: "Die Regierung hat es in der Hand, uns umzusiedeln. Die Regierung hat Land. Aber wir? Wir können hier nicht weg."