Freitag, 29. März 2024

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Nitsche vs. Cremer
Ist nur Bares Wahres?

In Schweden ist sie fast Realität, in Deutschland kaum vorstellbar: eine Welt ohne Bargeld. Wäre ein Alltag hierzulande ohne Münzen und Scheine besser, weil es weniger Kriminalität gäbe? Oder würden wir an Unabhängigkeit verlieren? Andrea Nitsche von der Initiative Cash Matters und Johannes Cremer, Geschäftsführer einer Fintech-Firma, diskutieren.

Moderation: Birgid Becker | 09.12.2017
    Links: Andrea Nitsche, Rechs: Johannes Cremer
    Andrea Nitsche von der Initiative Cash Matters und Johannes Cremer, Geschäftsführer einer Fintech-Firma (privat / moneymeets / Deutschlandradio)
    Im Weihnachtsgeschäft klingeln die Kassen besonders laut. Immer häufiger aber lassen die Kunden den Geldbeutel stecken. Bezahlt wird digital. Und das gilt erst recht für die großen Finanztransaktionen. Doch was wäre, wenn das Bargeld ganz abgeschafft würde? Gäbe es dann weniger Schwarzarbeit? Ließen sich Terrorismus und Großkriminalität besser bekämpfen? Oder hätten wir auf dem Weg zum gläsernen Bürger ein weiteres Stück Privatsphäre verloren? Was steckt wirklich hinter der Kritik am Bargeld? Und lässt sich der Prozess der Digitalisierung im Finanzwesen überhaupt noch aufhalten? Darüber streiten Andrea Nitsche und Johannes Cremer.
    Pro: "Bargeld ist sicher."
    Andrea Nitsche ist Kommunikationsleiterin bei einem großen Münchner Mittelständler aus der Währungsbranche. Sie ist mitverantwortlich für die Initiative Cash Matters, eine globale Pro-Bargeld-Bewegung.
    "Bargeld hat ganz viele Funktionen, die überhaupt kein anderes Finanzsystem übernehmen kann. Bargeld ist sicher, Bargeld gewährt Datenschutz. Bargeld gewährleistet soziale Einbindung aller Bevölkerungsschichten und Klassen. Es ist das demokratischste Zahlungsmittel überhaupt. Und natürlich hat Bargeld ganz ehrlich heutzutage ganz, ganz wenig nur noch mit Schwarzgeld, mit kriminellen Aktivitäten, mit irgendwelchen dunklen oder schwarzen Konten usw. zu tun. Wenn Sie sich so was angucken wie Paradise Papers, Panama Papers, Lux Leaks – das sind alles digitale Bezahlwege."
    Contra: "Bargeld schafft sich selber ab."
    Johannes Cremer ist Gründer und Geschäftsführer der Fintech-Firma moneymeets, die Finanzberatungsprozesse digitalisiert.
    "Wenn ich jetzt auf meine aktuelle Situation kurz vor Weihnachten schaue: Ich schätze es natürlich, mit Bargeld Weihnachtsgeschenke kaufen zu können. Da ist die Anonymität sicherlich ein unschätzbarer Vorteil von Bargeld. (…) Aber ganz ehrlich, ich mag mein Portemonnaie, wenn's prall gefüllt ist, eher nicht, weil es ist mir unbequem. Und wenn man mal schaut, was denn Bargeld eigentlich bedeutet, dann ist es irgendwie eine Bezahlmöglichkeit und ein Teil eines Bezahlvorgangs. (…) Kaufprozesse werden in unserer Gesellschaft immer stärker digitalisiert, sicherlich auch anbietergetrieben, aber auch wir Verbraucher fühlen uns scheinbar wohl damit, bei Amazon jede Menge Transaktionen zu machen, die wir alle natürlich unbar bezahlen. Also in der digitalen Welt finden Bezahlvorgänge ebenso digital statt. Bargeld hat dort keinen Platz. Bargeld wird also aus meiner Sicht nicht abgeschafft werden, weil wir benötigen es natürlich. Aber Bargeld schafft sich selber ab. (…) Auf Bargeld würde ich heute nicht mehr wetten. Aus meiner Sicht hat Bargeld keine große Zukunft."