Freitag, 19. April 2024

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Nobelpreis an Jose Saramago

DENIS SCHECK: Auch heute sendet der Büchermarkt live von der 50. Frankfurter Buchmesse, unser Thema ist die mysteriöseste Spezies im Bestiarum des literarischen Lebens: Agenten und Scouts, die Mittler des Literaturbetriebs. Eingeladen dazu habe ich in das gläserne Studio des Deutschlandsfunks hier in Halle 6.1 der Buchmesse Bettina Schrewe, sie arbeitet als Scout in New York, den Verleger Alexander Fest, sein Verlag in Berlin gehört zur Holtzbrinck-Gruppe und stellt in diesem Herbst sein drittes Programm vor, sowie Matthias Landwehr - Matthias Landwehr betreibt die Literaturagentur Eggers und Landwehr, die ihren Firmensitz in Berlin und New York hat. Vorweg aber wollen wir auf die Nachricht des Tages eingehen, die Bekanntgabe des diesjährigen Literaturnobelpreisträgers. Wie immer fand im Vorfeld ein heiteres Autorenraten statt, heute morgen noch waren Namen wie Hugo Claus oder Carlos Fuentes zu hören, von den Amerikanern William Gaddis, Philip Roth, Thomas Pynchon oder John Updike ganz zu schweigen. Nun ist, wie die Schwedische Akademie heute um 13 Uhr bekannt gab, die Wahl auf Jose Saramago (Bild) gefallen. Auch der 1922 geborene Saramago zählt seit vielen Jahren zum Favoritenkreis auf den Nobelpreis - zusammen mit seinem etwas jüngeren portugiesischen Landsmann Antonio Lobo Antunes. Bei uns im Studio ist Thomas Überhoff, Lektor im Rowohlt Verlag, wo das Werk Saramagos seit vielen Jahren in deutscher Übersetzung erscheint. Thomas Überhoff, von Saramago wird die Anekdote erzählt, er habe immer Anfang Oktober das Telefon abgestellt, weil er so oft schon auf den Anruf aus Stockholm wartete, aber eben vergeblich. In diesem Jahr ist Saramago hier in Frankfurt, hat er denn damit gerechnet?

Denis Scheck | 08.10.1998
    THOMAS ÜBERHOFF: Nein, überhaupt nicht. Er war nur für einen Tag hier zu einem Höflichkeitsbesuch bei seinen ausländischen Lizenznehmern. Wir mußten ihn am Flughafen abfangen, er war im Begriff, die Maschine zurück nach Portugal zu besteigen.

    SCHECK: Und nun setzt sich die Nobelpreis-Maschinerie in Bewegung. Wie muß man sich das vorstellen, was geschieht nun mit Jose Saramago hier auf der Buchmesse?

    ÜBERHOFF: Im Moment läuft gerade eine große Pressekonferenz mit ihm. Ich denke, er wird jetzt erst mal ein bißchen Hof halten, wie man das eben macht in einem solchen Fall. Und ich muß sagen, es freut mich persönlich sehr für ihn, und es freut natürlich auch den Rowohlt Verlag, daß er diesen Preis gewonnen hat. Wir haben uns seit Jahren bemüht, sein Werk so vollständig wie möglich in Deutschland zu verlegen. Es trifft also diesmal nicht irgendeine unbekannte polnische Lyrikerin oder irgendeinen wie auch immer politisch motivierten Autor aus Schwarzafrika, sondern einen aus dem Zentrum der alten Kultur, aus Europa, wenn auch vom Rand Europas. Und es freut mich besonders, daß ein portugisiescher Autor den Preis gewonnen hat.

    SCHECK: Zentrum der alten Kultur, das Stichwort will ich mal aufnehmen - ich glaube, wenn es so etwas wie einen roten Faden im Werk Jose Saramagos gibt, dann ist es die Auseinandersetzung mit Geschichte, Zufall und Entropie der Geschichte, die Frage nach dem großen Plan der Geschichte, das taucht ja in allen seinen Romanen auf, auch im zuletzt erschienenen "Die Stadt der Blinden". Welchen Geschichtsbegriff hat Jose Saramago?

    ÜBERHOFF: Ich glaube nicht, daß es den großen historischen Plan gibt, ich glaube, es gibt den großen zukunftszugewandten politischen Idealismus bei ihm. Er ist heute noch Mitglied der portugiesischen kommunistischen Partei, und ich denke, wenn man heute noch Mitglied irgendeiner europäischen kommunistischen Partei ist, dann muß man Idealist sein, und das sieht man auch an seinen Büchern. Andererseits sind die Texte vornehmlich historische Texte, das heißt Texte, die sich des historischen Werdens der portugiesischen Nation, die ja im 15. und 16. Jahrhundert zusammen mit Spanien das beherrschende Weltreich war, gewahr werden und untersuchen. Nicht umsonst gibt es ein Buch von ihm, "Das steinerne Floß", in dem die iberische Halbinsel von Europa faktisch abbricht.

    SCHECK: Das klingt nach einer Art Gegenwelt, die Jose Saramago da öffnet. Wenn von portugiesischer Literatur die Rede ist, dann fällt oft die klischeebefrachtete Formel der "saudade", der Schwermut, der Melancholie, die in diesen Texten zum Vorschein kommt. Denken wir an Fernando Pessoa, der übrigens bei Jose Saramago immer wieder auftaucht. "Saudade", ist das ein Begriff, der eventuell die Geschichtsverdrossenheit von Jose Saramago charakterisieren könnte?

    ÜBERHOFF: Ich glaube, in Maßen - er ist auch nicht geschichtsverdrossen. Er ist sehr geschichtsbewußt. Er mag es als tragisch betrachten, daß Portugal durch die Geschichte so stark gebunden ist, die Geschichte des Katholizismus, die Geschichte der Kolonialisierung von Iberoamerika und Schwarzafrika. Ich denke, für ihn ist es immer wichtig gewesen, ein gesteigertes historisches Bewußtsein von der besonderen Rolle, die Portugal bei der Kolonialisierung der Welt gespielt hat, gerade erst zu erzeugen - in Portugal und auch im Rest Europas.

    SCHECK: Nun erfährt der Autor Jose Saramago im Bewußtsein der internationalen Leserschaft eine gesteigerte Aufmerksamkeit. Welches Werk würden Sie zum Einstieg empfehlen?

    ÜBERHOFF: Ich würde "Das Memorial" empfehlen, einen seiner älteren Romane, der sehr schön und sehr farbenreich - Saramago ist ja ein Fabulierer, wie man kaum einen zweiten findet - den Bau des Klosters von Mafra in all seinen Facetten beschreibt. Jedem Portugaltouristen dürfte das Kloster von Mafra ein Begriff sein. Das ist ein sehr schönes, großes episches Buch über Portugal und die portugiesische Geschichte, in dem alle Themen anklingen.

    SCHECK: "Das Memorial" erschien 1986 im Rowohlt Verlag, wo das Gesamtwerk von Jose Saramago vorliegt. Lassen Sie mich die Entscheidung der Stockholmer Juroren gleich für unsere Runde der Agenten, Scouts und Verleger aufnehmen: Was bedeutet ein Nobelpreis eigentlich für Sie als Literaturagent, Matthias Landwehr? Ich habe mir erzählen lassen, um 13.00 Uhr, als die Nachricht bekannt wurde, hat man hier auf der Frankfurter Burchmesse im Agentenzentrum eine Frau gesichtet, die "Saramago! Saramago!" schreiend durch die Flure rannte. War das die Agentin?

    LANDWEHR: Ich glaube, es war vielleicht nicht die Agentin, aber sicherlich eine Anängerin Saramagos, vielleicht die Lektorin dieses Werkes in Portugal. Als Agent freut man sich natürlich ungeheuer, wenn ein Autor, den man betreut, den Nobelpreis bekommt. Auf der anderen Seite weiß man als Agent, daß dieser Autor vielleicht auch deswegen den Nobelpreis bekommt, weil er einen Verleger und einen Lektor hat, der sein Werk ganz ordentlich über die Jahre hinweg betreut hat. Weil man ja nicht mit einem Debütroman einen Nobelpreis erhält, sondern eben für das gesamte Werk, das man über die Jahrzehnte hinweg verfaßt hat. Deswegen ist die Freude immer die Freude, daß zwei, die zueinander gefunden haben, nämlich der Autor und der Verleger, eben diese Freude haben. Und als Agent schiebt man diese Beziehung an. Man freut sich mit dem Verleger, mit dem Lektor und mit dem Autor. Aber man ist nicht der, der sich zuallererst und am meisten freuen sollte.

    SCHECK: Bettina Schrewe, für die Öffentlichkeit ist das Bild des Scouts, glaube ich, ähnlich mysteriös wie das Bild des Literaturagenten. Sie arbeiten in New York für ausländische Verlage. Was konkret macht Ihre Tätigkeit aus?

    SCHREWE: Ein Scout ist ein Marktbeobachter, jemand der sehr früh von Manuskripten erfährt, die zum Teil noch gar nicht im amerikanischen Bereich verkauft sind, die ich dann parallel mit Lektoren in Amerika lese und dann sehr früh an meine Verlage im Ausland empfehle. Man kann, gerade in Zeiten wie vor der Buchmesse, eine große Vorauswahl treffen über Bücher, die hier in Frankfurt angeboten und für sehr viel Geld oftmals verkauft werden. Es ist besonders wichtig, gerade in Zeiten der Buchmesse, seine Klienten mit Vorabinformationen zu versorgen, weil im Rausch der Messe dann vieles doch gehyped wird und für viel Geld verlauft wird, was man zu Hause in Ruhe hätte lesen können, wenn die Verleger dazu die Chance haben.

    SCHECK: Sie versuchen, für Ihre Klienten also einen Informationsvorsprung herzustellen?

    SCHREWE: Ich bin praktisch ein Informant, der beratend und auch sehr beeinflussend tätig ist. Ich habe Verlage, die sehr ähnliche Verlagsprofile haben, das heißt, ich kann Manuskripte gleichzeitig an acht Verlage im Ausland schicken und empfehlen. Das ist für die eine große Hilfe, weil wenn die zum ersten Mal nach Frankfurt kommen und dann hören: ‘This is the great book!’, dann stehen sie ein bißchen ratlos da, weil natürlich der Agent sein eigenes Buch auf die höchste Stufe stellt. Der Scout sagt enfach, calm down ein bißchen, das ist nicht so heiß, wie es gekocht wird - oder noch viel heißer.

    SCHECK: Alexander Fest, in den letzten Jahren sind Literaturagenturen in Deutschland wie Pilze aus dem Boden geschossen, hier in Frankfurt ist es schon so weit, daß sich zwei Agenten gegenseitig als Klienten anwerben wollen, auch das ist gestern auf einem der Verlagsempfänge passiert. Agenten - mal werden sie als "Fürsten der Finsternis" beschrieben, mal als "verhandlungserfahrene Makler". Inwiefern verändert sich durch den Agenten das Verhältnis zwischen Verleger und Autor?

    ALEXANDER FEST: Ach Gott, das tut es in vielerlei Hinsicht, und die Sache umfaßt mehr Aspekte, als ich sie jetzt in ein paar Minuten nennen kann. Sie verändert sich zum Beispiel - und jetzt spreche ich als Verleger eines kleinen und jungen Verlags - durchaus zum Vorteil der Verlage. Wenn man mit einem kleinen Verlag, der eben keinen Scout in New York, London oder Paris hat, wie es alle großen Häuser mit ihren gewaltigen Apparaten haben, versuchen will, ein Buch zu bekommen, und den Informationsvorsprung, den Frau Schrewe gerade beschrieben hat, nicht besitzt, dann ist da ein Agent in Amerika und sein Agent in der Schweiz oder in Deutschland, der doch weiß, daß dieses Buch zu einem der kleineren Häuser gut passen würde, und es an ihn weiterleitet und es so zu seiner Kenntnis bringt, schon hilfreich. Also das sind Dinge, die doch von Vorteil sind, gerade für die kleinen Häuser. Es verändert sich natürlich der ganz unmittelbare Austausch zwischen Autor und Verlag. Das heißt, das intellektuelle Gespräch, aus dem Bücher eigentlich entstehen sollen, ist nicht immer - kommt aber auch immer auf die Art an, wie man’s handhabt - so eng, wie der Verlag es sich vielleicht wünscht und auch der Autor es sich wünschen könnte.

    SCHECK: Fühlt dieses Delegieren der kaufmännischen Aspekte an einen Dritten, daß der Autor im Grunde mit seinem Verleger nicht mehr über Geld redet, über Vertragsklauseln und so weiter, führt das nicht auch ein bißchen zur Verstärkung dieser Tendenz, die man mit dem Schlagwort "antagonistische Gesellschaft" kennzeichnet - wird das Bücherverlegen härter?

    FEST: Das Büchervelegern wird vermutlich etwas härter, aber aus vielerlei Gründen. Ich glaube nicht, daß das rein antagonistisch ist. Es gab auch eine zu Recht immer wieder monierte Unterlegenheit des Autors innerhalb dieses Geschäfts, die durch die Agenten ausgeglichen wird. Und übrigens ist ein guter Agent auch in der Lage, dieses Gespräch zwischen Autor und Verlag, das ich eben erwähnte, entweder zu moderieren oder sogar seinerseits dem Autor die Anregungen, die Hilfe, die Aufmerksamkeit zu geben, die er braucht.

    SCHECK: Ein Grund für den Trend hin zum Literaturagenten war ja, daß deutsche Autoren traditionell sehr viel niedrigere Vorschüsse für Ihre Bücher erhielten - und nach wie vor erhalten - als ihre angloamerikanischen Kollegen, obwohl zu deren Büchern ja sogar noch die Übersetzungskosten hinzukommen. Wurden deutsche Autoren denn in der Vergangenheit übervorteilt, Matthias Landwehr?

    LANDWEHR: Ich glaube nicht, daß deutsche Autoren in der Vergangenheit übervorteilt worden sind - bloß, sie haben sich weniger gerührt als ihre ausländischen Kollegen. Es ist ja in den angloamerikanischen Ländern seit mehr als hundert Jahren üblich, daß jeder Autor durch einen Agenten vertreten wird, und dadurch ist es meistens so, daß ein schlechter Autor daran zu erkennen ist, daß er keinen Agenten hat, weil selbst die schlechteste Agentur ihn nicht vertreten möchte. Und dadurch hatten sie seit hundert Jahren ganz professionelle Interessenvertreter, natürlich auch Menschen, mit denen sie ihre Bücher entwickelt und besprochen haben. Das war in Deutschland nicht der Fall. Es gibt hier eine ganze enge Verleger-Autoren-Beziehung, und diese Beziehung hat ja auch etwas Gutes gebracht. Sie hat gute Bücher gebracht. Ich denke an solche Verleger wie Siegfried Unseld, der sicherlich der bedeutendste deutsche Verleger dieses Jahrhunderts ist - aber wiederum kein Verleger, der gerne mit Agenten zusammenarbeitet, weil er sagt, ich möchte es direkt selber machen. Mit einer neuen Generation von Autoren kommt auch eine neue Generation von Verlegern und Agenten rein, und die sagen, okay, wir haben das gleiche Ziel. Wir haben das Ziel, daß dieser Autor ein schönes Buch schreibt. Und wenn der Agent der Pate ist dieses Buches ist oder auch der Mittler zwischen Verlagsinteresse und Autoreninteresse - und ein guter Agent weiß auch durchaus die Verlagsinteressen zu vermitteln, gerade auch, wenn Agenten aus dem Verlagsbereich kommen -, dann haben alle etwas davon: einen erfolgreichen Autor, mit dem der Verlag sich profilieren kann und von dem er profitiert, und der Agent eben auch ein schönes Verhältnis zu beiden.

    SCHECK: Thomas Überhoff, in Ihrem Arbeitsalltag als Lektor bei Rowohlt, empfinden Sie diese Vermehrung der Agenten als so wohltuende Professionalisierung, wie wir es nun hören?

    ÜBERHOFF: Ich beschäftige mich hauptsächlich mit fremdsprachiger Literatur und bin es deshalb gewöhnt. Ich bin sehr dankbar sowohl für Scouts, ohne die ich mich in dieser Fülle des Wissens, die da auf einen zustürmt, überhaupt nicht mehr auskennen würde. Man braucht sie als Sieb, als Berater, auch als freundschaftliche Helfer, wenn mal was schnell gehen muß. Auch die Agenturen helfen uns, einen gewissen Standard aufrechtzuerhalten. Ich befasse mich sehr viel mit angloamerikanischer Literatur, und der Qualitätsstandard der Bücher, die wir bekommen, ist durchweg sehr viel höher. Das heißt, amerikanische und englische Agenten greifen auch immer stärker in Lektoratsarbeit selbst ein. Und für uns spielt es ja erst mal zumindest, wenn wir einen neuen Autor kaufen, keine so große Rolle, es gibt keine persönliche Beziehung zwischen Autor und Verlag, sondern wir sind ein Lizenzverlag, der zehntausend Kilometer entfernt jenseits des Großen Teichs sitzt. Das wird dann erst im Lauf der Betreuung des Autoren, den man dann mal zu Besuch rüberholt, wichtig, aber es ist erst mal kein Hinderungsgrund. Insofern unterscheidet sich die Situation.

    SCHECK: Agenten übernehmen die Rolle von Lektoren, sagen Sie. Ist das eine Auwirkung des "lean managment", wie es in Verlagen praktiziert wird, Alexander Fest?

    FEST: Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube, das Lektorat bleibt so unersetzlich wie immer. Es ist auch nicht immer so, daß tatsächlich der Agent das, allein schon aufgrund der Arbeit, die er zu bewältigen hat, wirklich in der Intensität schafft, in der es dann ein Lektor schaffen kann. Aber natülich sind erste Stufen und erste Richtungsvorgaben auch von der Agentur aus zu leisten.

    SCHECK: Ein Agent profitiert ja ganz direkt von den Einnahmen seines Klienten, des Autors. In der Regel erhält er zehn Prozent von dessen Honoraren. Nun wissen wir aus der Literaturgeschichte, daß die gut verdienenden Autoren in der Regel meist nicht die guten Autoren sind. Haben Sie als Agent überhaupt Interesse an Schriftstellern, die Literatur und keine Bestseller schreiben wollen, an Autoren, die nichts Marktkonformes abliefern?

    LANDWEHR: Wissen Sie, wir haben Autorenverträge, wo ein Autor zwischen 3000 und 300 000 Mark bekommt für ein Buch. Und mir ist das Buch, und das werden Sie mir glauben oder nicht, das wir für 3000 Mark an einen Verlag bringen, der sehr schön ist, mit dem der Autor oder die Autorin sich gut verstehen, ebenso wichtig wie das Buch, das 300 000 Mark für den Autor einbringt. Sie handeln ja nicht nur mit Büchern oder mit Texten, sondern Sie handeln mit Menschen. Und da meine ich jetzt nicht nur die Autoren und Autorinnen, sondern auch die Verleger und Lektoren. Und deswegen sagt auch ein Agent manchmal seinem Autor, geh doch zu dem kleinen Verlag, der kann weniger bezahlen, aber vielleicht bist du durch so einen Verleger wie Alexander Fest, der hier mit am Tisch sitzt, viel besser betreut und viel glücklicher für die ganze Zukunft deines Werkes.

    SCHECK: Also läßt sich die Preisspirale nicht ewig weiter drehen? Wir hören hier aus Frankfurt ja atemberaubende Zahlen - Vorschüsse von weit über eine Million für einzelne Titel.

    LANDWEHR: Nein, sie läßt sich weiter drehen - bloß natürlich nicht für alle Titel. Das muß natürlich sehr unterhaltsam sein und sehr kommerziell.

    SCHECK: Nun ist das bestimmende Thema hier in Frankfurt die Verlagskonzentration, die immer größer werdenden Konzerne, allen voran Bertelsmann und Holtzbrinck. Erfüllen Agenten hier nicht auch eine Schutzfunktion, damit die Rechte der Autoren nicht durch weltweite Deals innerhalb der Konzerne unter die Räder kommen?

    LANDWEHR: Ein Agent vergibt immer nur die jeweiligen Landesrechte. Obwohl fast die halbe Welt Bertelsmann gehört, sagt der amerikanische Agent, okay, Random House, du kriegst die amerikanischen Rechte, aber Hanser oder Holtzbrinck, du kriegst die deutschen Rechte. Weil er natürlich an die Multiplizierung des Erfolges des Autors denkt, und es ist nicht immer so, daß wenn der gleiche Verlag es weltweit veröffentlicht, der Autor den meisten Erfolg und das größte Einkommen erhält.

    SCHECK: Bettina Schrewe, können Sie das aus Ihrer Perspektive bestätigen?

    SCHREWE: Ja. Ich würde sagen, in Amerika ist es das wichtigste, das Buch für sehr viel Geld an einen guten Verlag zu verkaufen, und das weitere wird dann über die Subagenten in den verschiedenen Ländern entschieden.

    SCHECK: Abschließende Frage an die Runde: Wird sich der Trend hin zum Agenten Ihrer Meinung nach noch mehr verstärken, wird es noch mehr Konkurrenz geben für Sie?

    LANDWEHR: Jede Agentur, die sich neu gründet, ist keine Konkurrenz für mich,. sondern ein Zeichen, daß ich den richtigen Beruf ergriffen habe, und deswegen begrüße ich das natürlich ausdrücklich.

    FEST: Ja, es kann sein, daß es noch mehr gibt. Das kann ich nicht wirklich beurteilen - es hängt auch ein bißchen einfach von der Entwicklung der Literatur ab und des deutschen Buchmarkts, von der Frage, wann er gesättigt ist, ob er vielleicht jetzt schon gesättigt ist, und das wird man in den nächsten Jahren sehen. Wir sind an einem kritischen Punkt der Entwicklung, soviel ist klar.