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Noch immer Streit ums Kopftuch

Ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen darf seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor zehn Jahren nur auf Basis eines Landesgesetzes ausgesprochen werden. Mehrere Länder änderten daher ihr Recht - und einige Frauen verloren daraufhin ihre Arbeit.

Von Dorothea Jung | 24.09.2013
    "Ich trage das Kopftuch aus religiösen Gründen und wir wissen, dass nicht jede Frau, die ein Kopftuch trägt, ein politisches Motiv beabsichtigt. Und das ist aus meiner Sicht eine sehr gefährliche Interpretation; denn damit stigmatisiert man alle muslimischen Frauen, die ein Kopftuch tragen, per se wegen ihres Kopftuches."

    Die Verfassungsrichter entschieden: Keine Schulbehörde darf einer Lehrerin die Einstellung allein wegen eines Kopftuches verweigern, vielmehr muss es dafür ein Gesetz geben. In der Folge verabschiedeten acht Bundesländer ein explizites Kopftuchverbot an öffentlichen Schulen, Berlin und Bremen verbannten jedes religiöse Symbol aus dem Unterricht und die übrigen Länder verzichteten auf ein Gesetz oder lehnten ein Verbot ab. In Baden-Württemberg zum Beispiel darf seit 2004 in öffentlichen Schulen niemand mehr politische und religiöse "äußere Bekundungen" abgeben. Es sei denn, sie beruhten auf "abendländischer" Tradition. Diesen Passus hält Berlins einstiger Justiz- und Innensenator Ehrhart Körting rechtlich für bedenklich.

    "Das halte ich denn mit dem Gleichheitssatz für nicht vereinbar, sondern schlichtweg für verfassungswidrig."

    Fereshta Ludin war nicht die Einzige, die infolge der Kopftuchverbote ihre Arbeit verlor. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise, das sein Kopftuchgesetz 2005 nach baden-württembergischem Vorbild formulierte, beschritten mehrere Frauen den Klageweg. Noch in diesem Jahr wird das Bundesverfassungsgericht einen dieser Fälle verhandeln. Trotz des Kopftuchverbotes unterrichten in NRW allerdings vier Lehrerinnen mit Kopftuch. Das berichtet die Sozialwissenschaftlerin Gabriele Boos-Niazy vom Aktionsbündnis muslimischer Frauen.

    "Wir wissen, dass es innerhalb der Schule überhaupt keine Probleme gibt. Weder seitens der Lehrerschaft, noch seitens der Schülerschaft, noch seitens der Elternschaft: Also in der Schule selbst ist das Kopftuchverbot längst kein Thema mehr."

    Auch in Hamburg, das kein Kopftuchgesetz verabschiedet hat, unterrichten in einigen Schulen Lehrerrinnen mit Kopftuch. Die zuständige Senatsverwaltung gibt aber die genaue Zahl der Lehrerinnen nicht bekannt. Unbekannt ist auch, wie viele Lehrerinnen bundesweit durch die Kopftuchgesetze ihre Arbeit aufgeben mussten. In jedem Fall sei die Entlassung ein großer Einschnitt im Leben der Lehrerinnen, weiß die Muslimin Gabriele Boos Niazy.

    "Ich habe heute gerade noch mit einer der Betroffenen gesprochen, und die hat mir gesagt: Das war das erste Mal, wo sie deutlich zu verstehen bekommen hat: Du gehörst nicht dazu."

    Die Kopftuchverbote in den Schulgesetzen gelten ausschließlich für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen, es sei denn, sie erteilen Religionsunterricht. Christine Lüders, die die Antidiskriminierungsstelle des Bundes leitet, hat jedoch beobachtet, dass die Kopftuchverbote auch auf den privaten Arbeitsmarkt ausstrahlen.

    "Wir haben immer wieder Fälle von Muslima, die teilweise auch gesagt bekommen, dass sie wegen ihres Kopftuches abgelehnt werden, man sich scheut, sich internen Diskussionen auszusetzen, und das ist natürlich nicht gut."

    Das Bundesverfassungsgericht hat vor zehn Jahren in seinem Urteil den Bundesländern freigestellt, in ihren Schulgesetzen die religiöse Neutralität des Staates zu betonen oder die zunehmende religiöse Vielfalt für die Einübung von Toleranz zu nutzen. Kritiker eines toleranten Umgangs mit Kopftuch tragenden Lehrerinnen befürchten jedoch, eine Pädagogin mit Kopftuch könne muslimischen Teenagern ein Rollenbild vermitteln, das die Unterdrückung der Frau rechtfertigt. Deswegen sei ein Kopftuchverbot an öffentlichen Schulen in jedem Fall angemessen.