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Noch kein "Beginn einer neuen Kultur"

Von einer neuen Ära war die Rede, als Bundesbildungsministerin Annette Schavan das Programm des Deutschlandstipendiums vorstellte. Doch der Aufbau einer neuen Stipendienkultur gestaltete sich schwierig. Mittel für 10.000 Stipendien standen 2011 bereit - nicht ganz 4800 sind es bis zum September geworden.

Von Jürgen König | 03.01.2012
    Vom "Aufbau einer neuen Stipendienkultur", von einem "Mentalitätswechsel in der Hochschulfinanzierung" hatte Bundesbildungsministerin Annette Schavan bei der Vorstellung des Programms gesprochen.

    "Deutschlandstipendium heißt, wir wollen auch neue und interessante Wege gehen, kreativ sein im Blick auf die Frage: Wo sind denn interessante Typen?"

    Und hatte sogleich auch Schwierigkeiten eingeräumt.

    ""Wenn das stimmt, dass es auch so etwas wie der Beginn einer neuen Ära – im Blick auch Impulse für die Weiterentwicklung unserer Hochschulen ist, dann musste gerungen werden und dann wird übrigens auch noch weiter gerungen werden."

    Das Programm lief schleppend an. Mittel für 10.000 Stipendien standen 2011 bereit - nicht ganz 4800 sind es bis zum September geworden. Von einem "Flop" sprach der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Hagemann, für Marketing und für Schulungsmaßnahmen habe man fast doppelt so viel Geld ausgegeben wie für die Studenten. Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, räumt Probleme ein: beim Aufbau einer neuen Stipendienkultur.

    "Es ist schwierig, insbesondere weil wir hier eben keine Kultur haben des... also Leute sind in Deutschland eher bereit, für irgendwelche Katastrophen zu spenden als eben in den Bildungsbereich privates Geld zu spenden, wir brauchen aber dieses private Geld. Aber es braucht auch Strukturen, man muss also tatsächlich eine Einheit aufbauen in einer Hochschule, die sich intensiv darum bemüht."

    Man brauche einfach Zeit, sagt Margret Wintermantel. Angesichts der hohen Studierendenzahlen und den Mühen, die es koste, gute Studienbedingungen zu schaffen, habe das Fundraising, also das Einwerben von privaten Spenden, derzeit keine wirkliche Priorität.
    Insgesamt aber sei man auf einem guten Weg: Drei Viertel der 388 Hochschulen in Deutschland würden sich am Deutschlandstipendium schon beteiligen, ein Drittel der teilnehmenden Hochschulen hätte schon vor dem Wintersemester ihr Kontingent ausgeschöpft. Alexander Tiefenbacher vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, in dem sich Firmen, Einzelpersonen und Stiftungen zusammengeschlossen haben: Er wirbt ebenfalls um Geduld – und ist optimistisch.

    "Nach unserer Erfahrung sind die Hochschulen dabei auf einem sehr guten Weg. Natürlich mussten zunächst einmal viele Strukturen geschaffen werden, die an den Hochschulen etabliert werden, um Fundraising zu ermöglichen, und dies war zunächst sicherlich auch keine ganz leichte Aufgabe. Aber sofern diese Strukturen einmal da sind, wird die Vergabe der Stipendien immer leichter, und viele Förderer engagieren sich dann ja auch gleich für mehrere Jahre, sodass ab dann eine Dynamik beginnt."

    Von fehlendem Interesse der Unternehmen könne keine Rede sein, dazu seien die möglichen Vorteile viel zu groß.

    "Grundsätzlich ist es so, dass Unternehmen Kontakt zu den talentierten Fachkräften von morgen bekommen können, klassische Recruiting-Leistungen; sie können ihnen beispielsweise Praktika anbieten, sie können von Kommunikationsleistungen der Hochschule Gebrauch machen, zum Beispiel ein Stipendium nach dem Namen des Unternehmens benennen, sie werden in Events und Veranstaltungen mit eingebunden und, ja leisten eben allgemein einen gesellschaftlichen Mehrwert, zum Beispiel talentierte und leistungsbereite Studierende zu unterstützen, die zum Teil auch vor erschwerten persönlichen oder familiären Bedingungen stehen."

    Wegen dieses "gesellschaftlichen Mehrwerts" mag Alexander Tiefenbacher auch nicht von einer "Elitenförderung" sprechen; eine Leistungsförderung sei es vor allem, aber gesellschaftlich "breit angelegt": auch mit dem Ziel, bedürftige Studenten zu fördern. Das sieht das Deutsche Studentenwerk anders: Generalsekretär Achim Meyer auf der Heide, befürchtet, vor allem Studenten aus "bildungsnahen Elternhäusern" würden vom Deutschlandstipendium profitieren, ein Instrument der Breitenförderung sei es nicht. Margret Wintermantel von der Hochschulrektorenkonferenz indes hält leistungsorientierte Stipendien für bitter nötig.

    "Wie brauchen eben auch leistungsabhängige Studienfinanzierungsmöglichkeiten, und dieses Deutschlandstipendium ist ja so etwas. Hier werden ja auch Leistungen von Studierenden sowohl was die Studienleistung betrifft als auch sonst Verantwortungsbereitschaft von Studierenden: werden ja hier berücksichtigt. Und wir brauchen sicher auch diese Leistungsorientierung von Stipendien; wir haben hier einfach noch bisher zu wenig und sollten uns bemühen, tüchtige Studierende, verantwortungsbereite Studierende zu fördern."

    Im März werden neue Zahlen vorliegen. Wie sie auch ausfallen mögen: der "Aufbau einer neuen Stipendienkultur" wird lange dauern.